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Ludwigstraße mit Bayerischer Staatsbibliothek im März 1953 (Fotoarchiv Timpe / Bayerische Staatsbibliothek)

München

Die älteste Erwähnung der Stadt München findet sich im Augsburger Schied, mit dem Kaiser Barbarossa im Jahr 1158 den Streit zwischen dem Freisinger Bischof und Heinrich dem Löwen, Herzog von Bayern und Sachsen entscheidet. Darin ist von einem „forum apud Munichen“, einem Markt bei den Mönchen die Rede. „Munichen“ wächst schnell zur Stadt heran, bereits im 13. Jahrhundert leben hier mehr Menschen als in jeder anderen oberbayerischen Stadt. 1558 gründet Herzog Albrecht V. seine Hofbibliothek, die den Ursprung der Bayerischen Staatsbibliothek darstellt.

Das 19. Jahrhundert gilt gemeinhin als das kunstsinnigste der Münchner Geschichte. Es beginnt mit König Ludwig I., dessen Heirat im Jahr 1810 die Tradition des Oktoberfests begründet und der die Stadt architektonisch grundlegend umgestaltet (Bayerische Staatsbibliothek, Siegestor, Alte Pinakothek u.v.m.). Er verlegt die Universität von Landshut nach München, tritt selbst als Dichter in Erscheinung und muss schließlich wegen der Affäre mit Lola Montez abtreten; von dieser Münchner Zeit handelt der Roman Das Erwachen von Josef Ruederer.

Der nächste in der Erbfolge, König Max II., kümmert sich offensiv um die literarische Landschaft, indem er eine Reihe von Schriftstellern nach München holt, darunter Emanuel Geibel und Paul Heyse, der 1910 als erster Deutscher den Literaturnobelpreis erhält. Mit Julius Grosse gründet Heyse den Münchner Dichterkreis Die Krokodile, dem neben Geibel auch Friedrich von Bodenstedt, Felix Dahn, Wilhelm Hertz und Hermann Lingg angehören.

Nach dem Tod von Max II. kommt dessen Sohn Ludwig II. an die Macht, der ein eher begrenztes Interesse für die Hauptstadt hegt. In seiner Zeit entsteht das neue Münchner Rathaus, dessen Bauherrn Georg von Hauberrisser auch das Waldschmidt-Denkmal auf dem Riedelstein zu verdanken ist. Ansonsten finden die künstlerischen Aktivitäten von Ludwig II. zuvorderst in der unmittelbaren Nähe von Bergen und Seen statt. Sein mysteriöser Tod geht allerdings in die Literaturgeschichte ein, unter anderem in den autobiografischen Romanen von Oskar Maria Graf und Lena Christ.

Auf Ludwig II. folgt sein Bruder Otto, der die Amtsgeschäfte de facto nie ausübt, da er als geisteskrank gilt, weshalb sein Onkel, der Prinzregent Luitpold, diese übernimmt (wie schon bei Ludwig II. nach dessen Entmündigung). Es folgen „goldene Jahre“, auch und gerade für die Literatur: 1896 erscheint erstmals sowohl die Zeitschrift Jugend (die dem Jugendstil seinen Namen gibt) als auch der Simplicissimus. Schwabing avanciert zum Bohème-Viertel. Alles, was Rang und Namen hat oder haben möchte, tummelt sich in diesen Jahren hier; an Berühmtheiten sind unter vielen anderen Annette Kolb, Bertolt Brecht, Frank Wedekind, Franz Hessel, Ludwig Thoma und natürlich die „Gräfin von Wahnmoching“ Franziska zu Reventlow zu nennen. Eine literarische Verarbeitung dieser Zeit stellt die Novelle Gladius Dei von Thomas Mann dar, deren erster Satz „München leuchtete“ noch heute die typische Gleichzeitigkeit von Kunst und Kitsch benennt. Auch herrscht die Legende, dass 1914 hier zum ersten Mal der Begriff „Dada“ fällt. 1921 tritt Hans Ludwig Held als erster hauptamtlicher Bibliothekar der Stadt München seinen Dienst an und begründet die Monacensia. 1930 institutionalisiert sich eine Künstlergruppe, die noch heute, wenn auch in anderer Form existiert: der Tukan-Kreis. 1935 wird der Dichter Eugen Roth gleichsam über Nacht berühmt.

Das 20. Jahrhundert wird für München ein Jahrhundert der politischen Extreme: Hier fällt die Monarchie bereits im November 1918 mit der Ausrufung der ersten deutschen Räterepublik, für die sich auch Ernst Toller und Erich Mühsam engagieren; hier putscht Adolf Hitler; hier verübt der Schreiner Georg Elser ein Attentat auf Hitler; hier hält Joseph Goebbels jene Rede, die die „Reichspogromnacht“ einläutet; zahlreiche jüdische Bürger werden deportiert und ermordet, die Intellektuellen verlassen scharenweise die Stadt, und zugleich gründen sich die beiden bedeutenden Widerstandsgruppen Weiße Rose und Freiheitsaktion Bayern.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Altstadt zu 90 Prozent zerstört. Doch der Schwabinger Geist lebt beinahe umgehend wieder auf: In der Schellingstraße 48, wo während der Herrschaft der NSDAP der Völkische Beobachter gedruckt wurde, versammelt sich die Redaktion der Neuen Zeitung. Chef des Feuilletons ist Erich Kästner, wichtige Autorinnen und Autoren sind Alfred Andersch, Günter Eich, Hermann Kesten, Luise Rinser. Gleiches gilt für die Zeitschrift Der Ruf, die ab August 1946 erscheint und ebenfalls Andersch sowie Walter Kolbenhoff (siehe dessen Roman Schellingstraße 48) und später Erich Kuby zu ihren Mitarbeitern zählt und als Keimzelle der Gruppe 47 verstanden wird, deren erstes Treffen im Haus am Bannwaldsee stattfindet. Wieder eine andere Perspektive auf die Münchner Nachkriegsjahre wirft Wolfgang Koeppen in seinem Roman Tauben im Gras. Im Februar 1954 erscheint dann im Münchner Carl Hanser Verlag die erste Ausgabe der Literaturzeitschrift Akzente von Walter Höllerer, die ab 1975 von Michael Krüger (mit)herausgegeben wird.

Ab den 1960er Jahren findet mit Rainer Werner Fassbinder, Franz Xaver Kroetz und Martin Sperr vor allem in der Dramatik eine Umdeutung der Heimatliteratur statt. Den Protest gegen die gefällige Massenkultur hat ebenfalls Paul Wühr im Sinn, als er mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen im Jahr 1970 die erste deutsche Autorenbuchhandlung in Schwabing gründet; in diesen Jahren leben auch Gisela Elsner und Günter Herburger in München. 1985 wird das Kulturzentrum Gasteig, auch als neue Heimat der Münchner Stadtbibliothek, eröffnet; ein städtisches Literaturhaus erhält München dagegen erst 1997. Nach der Wiedervereinigung ist vor allem die künstlerische Konkurrenz mit Berlin in aller Munde, wozu nicht zuletzt die hohen Lebenshaltungskosten der selbsternannten „Weltstadt mit Herz“ beitragen. Ein Gegenprogramm zu dem literarischen „brain drain“ (Abwanderung der Talente) stellt – neben den zahlreichen literarischen Initiativen in München – das Literaturfest dar, das 2010 zum ersten Mal stattfindet.

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