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17.04.2018, 08:30 Uhr
Renée Rauchalles
Text & Debatte
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© Folker Schellenberg

Caritas Pirckheimer – Äbtissin und Humanistin

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(c) Verlag Friedrich Pustet

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern, die im Allitera Verlag erscheint. Seit über 30 Jahren informiert sie über das literarische Geschehen des Freistaats. Beim folgenden Beitrag von Renée Rauchalles handelt es sich um eine Rezension zu Anne Bezzels neuer Biographie über Caritas Pirckheimer, die vielen als weibliches Idealbild des humanistischen Menschen erschien (Pustet Verlag, Regensburg).

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„Lesen ist Lernen und Vergnügen zugleich. Dafür sind gut hundert Seiten genug ... “, heißt es einführend zu diesem Buch. Das zeigt die Autorin, Diplomtheologin und Vikarin Anne Bezzel kenntnisreich mit faszinierenden und lehrreichen Einblicken in das Leben der hochgebildeten und klugen Äbtissin Caritas Pirckheimer (1467-1532), das geprägt war von tiefem Glauben, Liebe und humanistischer Weltanschauung. Ihrer Familie, bedeutenden Nürnberger Patriziern, deren Wurzeln in der Gegend um Lauingen lagen und die zur geistigen Elite gehörte, gelang der rasche Aufbau eines Handelsimperiums.

Bezzel entfaltet die Biografie vor dem Hintergrund der religiösen und gesellschaftlichen Umbrüche, ausgelöst durch Martin Luthers Reformation im Jahr 1517, von denen auch die Äbtissin und ihr Kloster, das Klarakloster in Nürnberg, betroffen waren.

 

Gedenkstein für Äbtissin Cariats Pirckheimer in Nürnberg, Haus Königstraße 70/Ecke Luitpoldstraße, an der Stelle des ehemaligen Klarissenklosters  © Andreas Praefcke CC BY 3.0

 

Mit zwölf Jahren kam die in Eichstätt als ältestes Kind geborene Barbara Pirckheimer, die ab ca. 1474 beim Großvater in Nürnberg lebte (der Rest der Familie zog 1475 zunächst nach München), in die dortige Klosterschule, wo sie schon zwei Jahre später durch ihre überragenden Lateinkenntnisse auffiel. Um 1483/85 erfüllte sich ihr Wunsch: Der Eintritt ins Kloster als Novizin. Sie nannte sich nun Caritas (Liebe) und zeigte weiterhin beeindruckenden Lerneifer. Schon einige Jahre später fertigte sie zusammen mit anderen Schwestern eine lateinische Chronik des Klosters an.

 

Das Leben als Äbtissin

Im Dezember 1503 wurde sie einstimmig zur Äbtissin gewählt. Mit erst 36 Jahren hat sie nun, lebenslang, zahlreiche Pflichten und Aufgaben zu übernehmen. Willibald, ihr geliebter und einzig überlebender Bruder (1470-1530), Berater der Kaiser Maximilians I. und Karl V., Schriftsteller, Übersetzer und ebenfalls Humanist – sein Haus in Nürnberg war Zentrum der „intellektuellen Enklave“, Albrecht Dürer sein bester Freund – unterstützte und förderte sie in vielerlei Hinsicht, bedauerte sie aber auch angesichts ihres schweren Amtes. Doch Caritas, ihrer Zeit geistig weit voraus, wurde ihren Aufgaben mehr als gerecht. Unter ihrer liebevollen Führung entwickelte sich vor allem das geistige und geistliche Leben des Klarissenklosters. Als Humanistin setzte sie sich für individuelle Entscheidungsfreiheit ein und sie glaubte an die prinzipielle Gleichwertigkeit der Geschlechter, beiden habe Gott dieselbe Intelligenz geschenkt!

Sie pflegte regen brieflichen Gedankenaustausch mit der geistigen Elite und genoss wegen ihrer Bildung große Anerkennung. Ihre Fähigkeit zum differenzierten und sachlichen Dialog mit Andersdenkenden brachten ihr den Ruf einer starken Führungspersönlichkeit ein, die unerschrocken, besonders in Krisen, sowohl für die eigene Position als auch die anderer eintrat. So vor allem als Luther 1523 die These vertrat, die biblische Bestimmung der Frau sei Mutterschaft, auch wenn sie sich müde und tot trägt, das schade nichts, sie sei dazu da und die Jungfrauen mögen „göttlich die Klöster verlassen.

Caritas führte jedoch ihr Kloster, das nur eine einzige Nonne verließ, gegen erbitterte Widerstände, schließlich mit einflussreicher Unterstützung – dank derer man auch von der 1525 geplanten Schließung aller Nürnberger Klöster absah, auch wenn Neuzugänge nicht mehr aufgenommen werden durften – durch diese unruhige Zeit. Erst 1596, nach dem Tod der letzten dort verbliebenen Nonne, war das Ende des Klaraklosters besiegelt. Es wurde 1899 abgerissen. An dessen Stelle steht nun das Caritas-Pirckheimer-Haus, das als Tagungs- und Bildungsstätte dient. Die Klarakirche, wo sich heute Caritas' Grabstätte befindet, wurde nach dem Krieg ab 1948 wieder aufgebaut. Willibalds Grab befindet sich auf dem Johannesfriedhof in Nürnberg, eine Büste von ihm in der Ruhmeshalle in München.

 

Caritas Pirckheimer, Äbtissin in St. Klara; gestorben 1532, Kupferstich

 

Diese „kleine (große) Biografie“, die viele Leser finden möge, ist nicht nur für Theologen und Sprachkundige eine fundierte und spannende Lektüre, weshalb eine Übersetzung wie die lateinische Grabinschrift von Willibald, wünschenswert wäre. Desgleichen, dass Caritas Pirckheimer, die über 300 Jahre nahezu in Vergessenheit geriet, die Beachtung fände wie derzeit Luthers Frau, die 1523 aus dem Kloster geflohene Katharina von Bora.

Anne Bezzel: Caritas Pirckheimer. Äbtissin und Humanistin, kleine bayerische biografien, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016, 127 S., 12,95 Euro

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Renée Rauchalles ist Autorin, Künstlerin und Dozentin und lebt in ihrer Geburtsstadt München, wo sie Grafik, Malerei, Operngesang und Schauspiel studierte und u.a. am Residenztheater München tätig war. 17 Jahre stellte sie in ihrer ZEITfürKunst-GALERIE in selbstkonzipierten zahlreichen Lesungen vorwiegend Lyrikerinnen vor, die teilweise auch Eingang fanden in ihre Lyrik-Anthologie Mir träumte meine Mutter wieder – Autorinnen und Autoren über ihre Mütter. Sie veröffentlicht eigene Lyrik, Prosa, Essays sowie Sachliteratur. Ihr bildnerisches Werk ist regelmäßig in Ausstellungen zu sehen.