Info
Geb.: 31. 5.1961 in Hamburg
© privat (Elena Dittrich)
Titel: Dr. phil.

Raymond Dittrich

Der gebürtige Hanseat Raymond Dittrich absolviert in seiner Heimatstadt Hamburg das humanistische Friedrich-Ebert-Gymnasium und studiert Historische und Systematische Musikwissenschaften sowie Philosophie. 1992 promoviert er über die Messenvertonungen des Zerbster Hofkapellmeisters Johann Friedrich Fasch (1688-1758). 1993 kommt Dittrich nach München und absolviert an der Bayerischen Staatsbibliothek eine Ausbildung zum höheren Bibliotheksdienst. Seit 1995 lebt er in Regensburg, wo er als Leiter der Musikabteilung der Bischöflichen Zentralbibliothek fungiert, seit 2014 ist er außerdem stellvertretender Leiter der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg.

Als junger Autor bereits übersendet Raymond Dittrich dem von ihm sehr geschätzten Heinz Piontek eine Auswahl seiner frühen Gedichte. Figurentheater. Gedichte (2000) mit Zeichnungen von Michael Blümel heißt sein erster Gedichtband (im Wiesenburg-Verlag Schweinfurt). 2001 folgt Gewicht der Tage, ebenfalls mit Zeichnungen von Michael Blümel. Der zweite Gedichtband vereint Gedichte über Tages- und Jahreszeiten, Kunstwerke, Orte, historische und alttestamentliche Themen – in einer Welt, in der „die Unruhe / wandert und / ein leichter Schlaf / die Nächte verkürzt.“ 2002 erscheint von Dittrich Gassenblicke. Texte und Fotos zu einem urbanen Thema. In dieser kleinen Kulturgeschichte der Gassen hat der Autor alles zusammengetragen – von den etymologischen Erläuterungen der Gebrüder Grimm bis hin zu den Wortbedeutungen der verschiedenen gesehenen Gassennamen. „In seinen Gedichten schwelgt er ausgiebigst in der Vergangenheit, in der eigenen, in der verschiedener Städte“ (Stefan Heuer), in den „Gassen“ von Bamberg, Hamburg, Ingolstadt, Nürnberg, Passau, Regensburg oder auch Rom. Über Regensburg schreibt Dittrich:

Unter dem Schwibbogen

Über den Tag gewölbt
dunkelt der Stein dir
zu Füssen hellt die
Gasse hinter dem Bogen weit

2003 ediert der Autor Kaltnadelradierung, einen Gedichtband in zwölf Abschnitten über seine Erfahrungen mit Menschen und Büchern, mit Landschaften und der Liebe:

KALTNADELRADIERUNG

In die Kupferplatte
des Himmels geritzt:

Lichtkorpuskel, Vogelflug.

Abgedruckt auf dem
hellen Bogen des Wassers.

Signiert unter dem Kupferrand
des Sees:

Deus pinxit /
Natura sculpsit.

2009 erscheint Fußnoten – Fußangeln. Glossen. Gedanken. Aufsätze, 2010 die Gedichtsammlung Leichter als Staub – schwerer als Worte, die sich auf Themen des Alltags, der griechischen Philosophie und der christlichen Religion bezieht. 2013 folgt sein Gedichtband Täglicher Tatort, dessen Titelgedicht eines der Grundmotive in diesem Band darstellt:

Du verstehst erst nicht,
bist Du begreifst:
Verzweifelt fehlt es dir
an einem Alibi.

Über das umfangreiche lyrische Werk des Autors schreibt Armgard Dohmel: „Raymond Dittrich gelingt es wunderbar, Alltagsbeobachtungen zu ‚verdichten‘ und dadurch zu etwas Besonderem zu machen.“ Und Ralf Julke resümiert in der Leipziger Internet Zeitung: „Auch wenn seine Gedichte kurz sind, mit kurzen Zeilen, sauberen Brüchen und Übergängen. Wie in Tagebucheinträge. Geschrieben in Momenten der Klarheit, der Besinnung, des Innehaltens.“

Ebenfalls 2013 erscheinen die von Dittrich auf mehreren Reisen zwischen 2006 und 2012 gesammelten Impressionen Irkutsker Skizzen, die mosaikartig dem Leser ein Bild der ostsibirischen Hauptstadt an der Angara – der Heimatstadt seiner Ehefrau Elena – von den landschaftlichen Schönheiten um den nahegelegenen Baikalsee vermitteln. Über das 2017 erscheinende Versbuch Im Auge des Gedichts schreibt der Lyriker Michael Groißmeier: „Seine [Dittrichs] neuen Gedichte setzen den beschrittenen Weg [Situationen, die jeder Mensch erlebt und die im Philosophischen, manchmal Numinosen enden] fort. Aus sprachlicher Verdichtung und einer konzentrierten Bildhaftigkeit entstehen Texte, die sich durch eine starke poetische Verbindlichkeit auszeichnen.“

EINMAL die Bilder abhängen
von allen Wänden.

Bis nichts bleibt
als die weiße Grenze.

Und dahinter
die Welt.

2016 veröffentlicht Dittrich im Oberpfälzer Verlag Lassleben (Kallmünz) die bibliophil gestaltete Kunstmappe Saitenspiele (Weisen für Laute und Guitarre) mit sechs einstimmenden Radierungen und vier Tuschezeichnungen von Jonny Schoppmeier.

Raymond Dittrich hat sich aber auch als Anthologie-Herausgeber – neben Peter Hamm, Karl Otto Conrady, Beate Pinkerneil oder Wulf Kirsten – mit seinen zahlreichen Publikationen (zumeist im Engelsdorfer Verlag Leipzig) einen Namen gemacht. Nach Die Lieder der Salzburger Emigranten von 1731/32. Edition nach zeitgenössischen Textdrucken (2008) erscheint 2015 seine bebilderte Lyrik-Anthologie Laute und Gitarre in der deutschsprachigen Lyrik. Gedichte aus sechs Jahrhunderten. „Dieser einmalige Band im Taschenbuchformat spricht Literaturliebhaber genauso an wie an der Dichtkunst interessierte Musiker“, urteilt Christoph Greuter in der Schweizer Musikzeitung Nr. 18/2015. 2016 folgt die Anthologie Bibliotheken der Dichter. Eine Auswahl deutschsprachiger Bibliotheksgedichte vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Dieses Lyriklesebuch spürt zum einen die Institution Bibliothek in der Imagination der Dichter auf, zum anderen schließt es die private Büchersammlung der darin genannten Poeten mit ein, der sie ihre Verse gewidmet haben.

Der zweite Band seiner Anthologie Laute und Gitarre in der deutschsprachigen Lyrik kommt im Jahr 2018 heraus – mit rund 150 deutschsprachigen lyrischen Texten vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Das bebilderte Lauten- und Gedichtbuch ist zugleich eine Hommage an den aus Schlesien stammenden barocken Komponisten, Musiktheoretiker und Lautenisten Ernst Gottlieb Baron (1696-1760), auf den der Lyriker Christoph August Lämmermann 1727 das Lobgedicht „Ad Amicum Auctorem“ verfasst hatte.

2021 erscheint mit dem dritten Band der Abschluss der Trilogie, u.a. mit Gedichten von Hans Sachs, Johann Christian Günther, Gerhart Hauptmann, Otto Julius Bierbaum, Hermann Hesse, Arnfried Astel, Michael Köhlmeier und Reiner Kunze. Besonders für die jüngere Leserschaft interessant sind populäre Liedermacher wie Klaus Hoffmann und Reinhard Mey. Ebenfalls erwähnenswert ist die Aufnahme von Gedichten Ernst Jandls, Jens Gerlachs und Georg Bydlinskys über die weltbekannten Jazz- und Bluesgitarristen Django Reinhard, Blind Lemon Jefferson und Bob Dylan. Ein beigefügter Essay widmet sich der Rehabilitation eines vielfach vernachlässigten bzw. geschmähten Typs: der Gitarrenlaute aus der Zeit um 1900.

Ernst Gottlieb Baron (1696-1760), Komponist, Musiktheoretiker und Lautenist nach einem Kupferstich von Johann Wilhelm Stör (Nürnberg, 1727)

Gedichte und Prosa aus dem Notizbuch. Ein Lesebuch (2023) assoziiert durchaus E. T. A. Hoffmanns Notizbuch Höchst zerstreute Gedanken, die Raymond Dittrich aus seinen eigenen tagebuchartigen Texten zusammengetragen hat. Bewusst nennt der Autor dies Lesebuch, gegliedert in Lyrik („Cohen wiedergehört“), Prosa („Der Trödler“), Aphorismen („Political Correctness“) und Essays („Winterreise“), die motivische Bezüge miteinander verbinden. Nachweise zitierter Literatur finden sich im Nachtrag des musisch-poetischen Vademecums.

Auch als Übersetzer aus dem Russischen ist Raymond Dittrich zusammen mit T. Kudrjavceva und H. Löffel in Erscheinung getreten (Nikolaj Rubcov: Komm, Erde. Gedichte. Russisch – Deutsch, Wiesenburg-Verlag, Schweinfurt 2004).

Der Autor lebt und arbeitet als Bibliothekar und Musikwissenschaftler in Regensburg.