Der Spaziergang hat eine Länge von 6 km und dauert 1,15 Std. Besonders motivierte Feuchtwanger-Spaziergänger können die Spurensuche noch um eine Variante verlängern, dann dauert er 1,45 Std. bei einer Länge von 8,5 km. Am Ende jedes Textes finden Sie einen Routenvorschlag zur nächsten Station des Spaziergangs.

Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz von Lion Feuchtwanger erschien 1930 in zwei Bänden mit einer hohen Startauflage von 40.000 Exemplaren. Der Roman erzählt die fiktive Geschichte eines politisch motivierten Meineidprozesses: Der Direktor der staatlichen Gemäldesammlungen, Martin Krüger kommt mit der Politik in Konflikt, weil er moderne und umstrittene Kunstwerke anschafft und im Museum ausstellt. Gegen ihn wird ein Verfahren inszeniert, dessen Ausgang von vornherein feststeht. Alle Versuche seiner Freunde, ihn zu rehabilitieren, scheitern. Erst einem reichen Amerikaner, der die bayerische Regierung mit einem üppigen Darlehen milde stimmt, gelingt die Revision des Urteils – nur zu spät: Krüger liegt tot in seiner Zelle.

Erfolg ist ein Schlüsselroman, der mit der bayerischen Politik und der Willkür und Gesetzlosigkeit der bayerischen Justiz abrechnet und das Aufkommen der nationalsozialistischen Bewegung aufzeichnet. Feuchtwanger entwirft ein Sittengemälde und Panorama der Stadt München in den Jahren 1921-1924. Das ist in Bayern die Zeit nach dem gewaltsamen Ende der linksgerichteten Räterepublik. München hatte einen Bürgerkrieg erlebt. Die Erlebnisse der Revolution 1918/19 führten zu einem tief eingeprägten Antisozialismus des Bürgertums, zu einer Schwächung des demokratischen Lagers und zur Erstarkung der rechtskonservativen Kräfte in Politik und Gesellschaft. Am 8./9. November 1923 versuchte Adolf Hitler, in einem bewaffneten Putsch die Macht zu erringen. Für Feuchtwanger beginnt in dieser Zeit, wie er im Nachwort zu Exil schreibt – „der Wiedereinbruch der Barbarei in Deutschland und ihr zeitweiliger Sieg über die Vernunft.“

Der Autor versucht, diese Stimmung im Roman einzufangen. Reale Personen des Zeitgeschehens werden zusammengeschmolzen zu charakteristischen Stereotypen, Feuchtwanger entwirft eine Typologie der „Bewohner der bayerischen Hochebene“. Ereignisse der Zeitgeschichte werden nur gering verschlüsselt zu einem großen Ganzen montiert.

Als moderner deutscher Romanschriftsteller habe ich an einem Helden oder einer Heldin kein Interesse. Ich wählte für diesen Roman Gruppen von Charakteren und nicht Einzelindividuen. Acht der eine Gruppe bildenden Personen stehen, wenn man will, ein wenig höher als die anderen, ihnen folgen dreißig Gestalten, die ihnen an Wichtigkeit fast gleichkommen und nach diesen weitere hundert, die unbedeutend sind, jedoch dem Werk jene Lebensfülle verleihen, die ich suche. Unter diesen, den acht, den dreißig und den hundert – rangiert die große Masse, das bayrische Volk. Das Land Bayern ist der eigentliche Held meines Romanes.  (Mein Roman „Erfolg“, 1931)

Dabei bewegt sich der Autor immer auf der Ebene der literarischen Fiktion: er karikiert, überspitzt und überzeichnet. So gelingt es ihm, ein atmosphärisch treffendes Bild dieser Epoche zu malen: Bäuerlich grob, voller Bierdunst, antimodernistisch, antisemitisch, selbstgefällig und obrigkeitshörig. Seine Sekretärin Lola Sernau erinnert sich an den Entstehungsprozess des Romans:

Er [Feuchtwanger] verlangt schwierige und umständliche Nachforschungen im Detail, um sich dann im großen ärgerlicherweise grobe Willkür herauszunehmen. [...] Ich glaube, er macht es aus einem gewissen inneren Hochmut. Er äußert etwa gelegentlich, er rechne damit, dass seine Bücher 1950 mit dem gleichen Interesse gelesen würden wie 1930, und dann komme es darauf an, dass die historische Färbung des ganzen Jahrzehnts erfasst sei, nicht auf die armselig treue photographische Widergabe des einzelnen Jahres. („An Lion Feuchtwangers Schreibmaschine. Intimitäten des Diktats“, Berliner Tageblatt, 28. März 1929)

Erfolg erschien 1930 in Berlin. Die schonungslose Analyse des politisch-gesellschaftlichen Bodens, auf dem die Saat des nationalsozialistischen Gedankenguts so wirkungsvoll aufgehen konnte, zog dem Schriftsteller den Hass der Nationalsozialisten zu. 1933 verwüstete eine SA-Truppe sein Haus, sein Name wurde auf der ersten Ausbürgerungsliste aufgeführt. Lion Feuchtwanger, der sich auf einer Vortragsreise in den USA befand, kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück. Zusammen mit seiner Frau ging er 1933 ins Exil nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich und emigrierte 1940 in die USA, ins kalifornische  Pacific Palisades. Dort lebte er in unmittelbarer Nachbarschaft von Bertolt Brecht und Thomas Mann. Sein Wohnhaus „Villa Aurora“ ist heute ein Ort des Kulturaustausches zwischen Deutschland und den USA.

 


Spaziergang starten: Station 1 von 13 Stationen


 

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Veronika Schöner

 

Sekundärliteratur:

Fuhrmeister, Christian; Kienlechner, Susanne (2008): Gegenwart und Ahnung. Inwiefern war der Münchner Kunsthistoriker August Liebmann Mayer (1885-1944) ein Vorbild für die Figur des Martin Krüger in Lion Feuchtwangers Roman "Erfolg" (1930)? In: Literatur in Bayern Jahrgang 24 Nr. 93, S. 32-44.

Heißerer, Dirk (1993): Wo die Geister wandern. Eine Topographie der Schwabinger Bohème um 1900. München.

Heusler, Andreas: Lion Feuchtwanger. Münchner - Emigrant - Weltbürger. Residenzverlag 2014.

Hoffmeister, Reinhart (1981): Schatten über München. Wahrheit und Wirklichkeit in Lion Feuchtwangers Roman "Erfolg". München u.a.

Skierka, Volker (1984): Lion Feuchtwanger. Eine Biographie. Quadriga Verlag, Berlin.

Specht, Heike 2006: Die Feuchtwangers. Familie, Tradition und jüdisches Selbstverständnis im deutsch-jüdischen Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts.  Wallstein Verlag, Göttingen.

Sternburg, Wilhelm von (1984). Lion Feuchtwanger. Ein deutsches Schriftstellerleben. Königstein/Ts.

Stephan, Michael: Feuchtwanger, Lion: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz, 1930. In: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44374

 

Primärliteratur:

Lion Feuchtwanger: Der Autor über sich selbst (1935). In: Centum Opuscula. Eine Auswahl, hrsg. von Wolfgang Berndt, Bad Langensalza 1956, S. 365-370.

Ders.: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Aufbau Verlag 1993.

Marta Feuchtwanger: Nur eine Frau. Jahre. Tage. Stunden. Langen Müller, München u.a. 1983.

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