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„Deutschlands Dichter“: Karikatur im Simplicissimus um 1900. (c) Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv

München, Schillerstraße 49: Volksängerlokal Hotel Frankfurter Hof

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Hotel Frankfurter Hof nach 1908 (c) Archiv Monacensia

Auf der Volkssängerbühne im Hotel Frankfurter Hof begann nicht nur Karl Valentins Karriere, sondern auch seine Zusammenarbeit mit Liesl Karlstadt. Josef Durmer, der Besitzer des Hotels, war von einem Auftritt Karl Valentins so begeistert gewesen, dass er ihn sofort engagiert hatte. Am 1. Juli 1908 trat der Volkssänger und Sprachkünstler zum ersten Mal in diesem renommierten Münchner Singspielhaus auf, hatte großen Erfolg und meldete daraufhin sein Gewerbe als „Singen im Stadtbezirk“ an. Damit war er „amtlich gemeldeter Volkssänger“.

Liesl Karlstadt begegnete er 1911 zum ersten Mal. Sie schreibt darüber in dem unveröffentlichten Text Karl Valentin und ich, der sich in ihrem Nachlass befindet:

Im Frankfurterhof in der Schillerstrasse, einem der besten Münchner Volkssängerlokale trat er als Solist auf, während ich als junge Anfängerin in das Ensemble kam, um Komödien zu spielen und mich als Solistin auszubilden. Mein Solofach war damals jugendliche Soubrette.

So stand ich in einem grellfarbenen Flitterkostüm jeden Abend auf der Bühne und sang recht mittelmässig: „Ein jeder ruft Hipp Hipp Hurrah, die fesche Mizzi die ist da – und Jubel schallt durch's ganze Haus, ein jeder spendet mir Applaus!“ Im Schlusscouplet sang ich die Männer im Parkett an: „Ach Du lieber süsser guter braver Mann – hast mir diese Liebesschmerzen angetan...“ usw. und ich war stolz auf meine Leistung.

(Liesl Karlstadt: Karl Valentin und ich. Nachlass Liesl Karlstadt, Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek München)

Liesl Karlstadt und Karl Valentin 1933

Doch ihr Selbstbewusstsein wurde auf eine harte Probe gestellt, als ihr Valentin, der damals schon ein Star war, in der Künstlergarderobe ohne Umschweife erklärte, sie sei für eine Soubrette viel zu mager, vor allem hätte sie einen zu kleinen Busen und sei überhaupt viel zu brav und schüchtern.

Aber, meinte er, ich besitze komisches Talent und er würde mir raten, mich auf's Komische zu verlegen. Meine Verehrung für Karl Valentin schlug daraufhin in Hass um. Später befolgte ich seinen wohlgemeinten Rat – er schenkte mir eine von ihm verfasste Parodie auf eine Soubrette – ich sang auf komisch und hatte den ersten grossen Erfolg. Nun war unsere Freundschaft besiegelt und aus der erwuchs eine jahrzehntelange Partnerschaft.

(Ebda.)  

Auch Karl Valentin hat seine erste Begegnung mit Liesl Karlstadt schriftlich festgehalten:

Im Jahr 1911 lernte ich im Frankfurter Hof meine Partnerin kennen. Ich entdeckte ihr komisches Talent, und wie sie die ersten Jahre meine Schülerin war, so wurde sie später meine Mitarbeiterin und Mitverfasserin meiner Stücke. Mit ihr war es möglich, das bekannte Tiroler Terzett „Alpenveilchen“ mit Valentin, Flemisch und Karlstadt herauszubringen. Alle, die es gesehen haben, werden sich gern an das komische Bauerndeandl erinnern, das in höchst g´schamiger Weise das Lied vom Edelweiß sang.

(Theo Riegler: Das Liesl Karlstadt Buch. Süddeutscher Verlag, München 1961, S. 5)

Über ihre erste gemeinsame Nummer mit Karl Valentin auf der Volkssängerbühne des Frankfurter Hofs heißt es in Liesl Karlstadts Bühnenalbum:

Liesl als naiv-fesches Dirndl mit dem Edelweiß in der Hand, Valentin als zitherspielender Tiroler vor einem wildromantischen Gebirgspanorama – natürlich aus Pappe, zusammenklappbar –, der Dritte im Bund Karl Flemisch als sein Vater mit Rauschebart und Gitarre. Am Ende geriet Valentin jedesmal in einen geschickt inszenierten Streit mit dem Theaterdirektor und hatte seinen Abgang mit den klassisch gewordenen Worten: „Vater, nimm's Gebirg mit, wir gehen!“

(Bühnenalbum Liesl Karlstadt. Nachlass Liesl Karlstadt, Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek München)  

Bei diesem ersten gemeinsamen Auftritt war Liesl Karlstadt zwar noch in einer weiblichen Rolle, als fesches Dirndl, zu sehen, aber doch schon ganz anders, als sie es aus ihrer Soubrettenzeit gewohnt war. Zweifellos war sie in dieser Zeit begierig, von ihrem erfahrenen Partner zu lernen. Ehrgeizig war sie sowieso. Ihre eigene genaue Beobachtungsgabe, kombiniert mit den Hinweisen und Ratschlägen des Partners, habe sie große Fortschritte in der Menschendarstellung machen lassen. Aus der Beobachtungssensibilität und der Neugier entwickelte sich ihre Lust, in andere Rollen zu schlüpfen, sich zunächst in verschiedenen Frauenfiguren auszuprobieren und ziemlich bald auch Männerfiguren zu verkörpern, allen voran den Firmling aus dem gleichnamigen Sketch und den Kapellmeister aus der Orchesterprobe.

 

Gesellschaft im Frankfurter Hof (c) Archiv Monacensia

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Verfasser: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt