Sandra Hoffmann ist: DRINNEN (14). Wenn der Bass auf dem Sofa liegt

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Alle Bilder (c) Sandra Hoffmann

Sandra Hoffmann arbeitet seit einem Studium der Literaturwissenschaft, Mediävistik und Italianistik (M.A.) als freie Schriftstellerin und lebt seit Ende 2012 in München. Bisher hat sie sechs Romane veröffentlicht. Sie schreibt Radiofeatures und Radioessays u.a. für den Bayerischen Rundfunk und v.a. Reisereportagen für DIE ZEIT. Auf dem Literaturportal Bayern veröffentlichte sie von 2021 bis 2022 die Kolumne DRAUSSEN. Sie unterrichtet kreatives und literarisches Schreiben u.a. an der Universität Karlsruhe, dem Literaturhaus München und der Bayerischen Akademie des Schreibens sowie für Goethe-Institute im Ausland. Für ihren Roman Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist (Hanser, 2012) erhielt sie den Thaddäus-Troll-Preis, für ihren letzten Roman Paula (Hanser, 2019), der durch ein Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern gefördert wurde, den Hans-Fallada-Preis. 2019 erschien mit Das Leben spielt hier ihr erstes Jugendbuch. Für ein derzeit entstehendes Romanprojekt bekam sie 2020 das Münchner Arbeitsstipendium. 2022 erhielt sie vom Freistaat Bayern das Arbeitsstipendium Neustart-Paket Freie Kunst.

In den kommenden 52 Wochen schreibt Sandra Hoffmann für das Literaturportal Bayern wieder eine Kolumne: DRINNEN. Momentaufnahmen aus dem (halb)privaten Leben. Anders als Natur-Räume ermöglichen uns Innenräume, wenn es nicht gerade öffentliche Räume sind, nur einen privaten Blick. Wir sehen dort hinein, wo wir Einlass bekommen, oder wir uns den Einlass erkaufen, wie etwa in Museen, Zügen, Hotels. Es geht um Wahrnehmung. Diesmal aber von Orten, von Menschen, Begegnungen, Situationen. Immer mit der für Literatur relevanten Frage: Wie spiegelt sich im Kleinen oder im Privaten auch das große Ganze, die Welt. Wer sind wir im (anscheinend so) Geborgenen?

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14

Der Bass lebt mit uns. Tatsächlich aber sehe ich ihn selten. Das hat damit zu tun, dass der Bass nur zum Einsatz kommt, wenn ich nicht da bin. Du weißt gar nicht, wie das Haus klingt, sagt mein Mann, wenn ich alleine bin. Neulich kam ich nach Hause, der Bass lag auf dem Sofa und ich setzte mich zu ihm.

Vielleicht ist es mit so einem Bass wie mit einem Tier. Wer das Tier anschafft, ist meistens sehr verliebt, während es für andere erst einmal gewöhnungsbedürftig ist. Vorsichtig nähert man sich dem Tier an, beginnt mit ihm zu sprechen, bevor man es vielleicht sogar streichelt. Bevor man sich dann doch an das Tier gewöhnt.

Gestern habe ich eine Frau getroffen, die ich schon viele Jahre kenne. Sie und ihr Mann hatten einen Hund. Es war der Hund, den sie haben wollte, weil sie Tiere liebt, schon immer. Ihr Mann hatte mit Tieren nicht so viel zu tun und es war auch nicht sein Bedürfnis, ein Tier zu haben. Aber seiner Frau wegen, war er einverstanden. Der Hund wurde vor ein paar Monaten schwer krank, vor drei Wochen ist er gestorben. Die Frau erzählte mir, ihre Mann habe sich mit dem Hund verändert. Der Hund hat dazu geführt, dass er seine Gefühle besser zeigen konnte. Als der Hund starb, sah sie ihren Mann zum ersten Mal weinen und alle Tage danach auch. Der Hund hat etwas in diesem Mann geöffnet, eine neue Seite aufgeschlagen. Darüber ist die Frau, bei all der Trauer, die sie gerade um den Hund fühlt, froh.

Ich weiß nicht, ob die Instrumente in unserem Haus mich verändert haben. Der Bass, der vor allem gespielt wird, wenn ich nicht da bin, sicher nicht. Aber mein Blick auf meinen Mann verändert sich durch seine Instrumente und seine Liebe zur Musik. Ich mag es, dass es da etwas gibt, was mir ein Geheimnis ist. Dass mein Mann an etwas Gefallen hat, was er kein bisschen mit mir verbindet. Er hat eine eigene Sache. Und mit dem Bass eine so spezielle, dass ich nicht einmal weiß, wie die Sache genau klingt.

Wenn der Bass auf dem Sofa liegt, ist er vielleicht so etwas wie eine Dogge unter den Hunden, aber immerhin passt noch ein schmaler Mensch daneben.

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