Karl May, der nie in München lebte und dort in der Summe zwischen 1897 und 1909 nur 33 Tage und Nächte verbrachte, hinterließ trotz dieser kurzen Zeit eine Vielzahl bemerkenswerter Spuren in der bayerischen Landeshauptstadt. Seit seinem ersten Aufenthalt dort im Jahr 1897 war München ein Sehnsuchtsort für Karl May. Beeindruckend vermittelte er dies in einem Brief an Prinzessin Wiltrud von Bayern, der er schrieb: „Sie haben ein Recht ... auf Bayern und München stolz zu sein! ...mein höheres und eigentliches Vaterland ist Bayern.“

Am 25. Februar 1842 zu Ernstthal (Erzgebirge) in bitterste familiäre Armut hineingeboren, flüchtete Karl May bereits in früher Kindheit in seine Phantasie. Einer, mit Hindernissen aus disziplinarischen Gründen, abgeschlossenen Lehramtsausbildung folgte nach nur kurzer Zeit als Lehrer ein Berufsverbot. Verzweiflung und Trotz, gepaart mit seinem Einfallsreichtum, ließen ihn, aus heutiger Sicht unerhebliche, Vergehen und Straftaten begehen. Mit Unterbrechungen war May bis zu seinem 32. Lebensjahr über sieben Jahre in Haft, Arbeitshaus und Zuchthaus. Im Mai 1874 entlassen fing er an zu schreiben. Erzgebirgische Dorfgeschichten, Humoresken, historische Erzählungen und ähnliches verkaufte er an Zeitungen und wurde bald selbst Redakteur.

Ab Ende der 1870er-Jahre widmete sich May zunehmend Abenteuererzählungen, die vor allem im Regensburger Deutschen Hausschatz, im Stuttgarter Der gute Kamerad und in Dresden beim Verlag Münchmeyer als Fortsetzungen erschienen. Neben faszinierenden, ausufernden Romanen wie Waldröschen oder klar strukturierten Klassikern wie Der Schatz im Silbersee entwickelte er für sich die literarische Form, für die er berühmt wurde: die „Reiseerzählung“, in der ein Ich-Erzähler das Beschriebene als wahrhaft Erlebtes suggeriert.

Bei May und seinen Lesern gewann infolgedessen das Helden-Imago des Autors die Oberhand, und die Realität verblasste. Er trat überzeugend in der Gestalt seiner literarischen Figuren „Old Shatterhand“ und „Kara Ben Nemsi“ auf, und seine Leser glaubten ihm die immer perfekteren und zunehmend bizarren Auftritte und Äußerungen. Die sogenannte „Old-Shatterhand-Legende“ war geboren und erlebte in München, mit der dazu gehörenden Fan-Verehrung, Höhepunkte in den Jahren 1897 und 1898. Bei Mays Besuchen nach 1900 erfuhr er in München viel Rückhalt und wichtige positive Erlebnisse nach dem Zusammenbruch der „Old Shatterhand Legende“, in einer Lebensphase, die den Autor durch Anfeindungen in Presse und Öffentlichkeit sowie einer Vielzahl von Prozessen sowohl seiner Schaffenskraft als auch seiner Gesundheit beraubten. Karl May starb am 30. März 1912 in Radebeul.

 


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Verfasst von: Markus Böswirth

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