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Geb.: 9. 3.1930 in Ostrau [heute tschech. Ostrava]
Gest.: 2. 3.2018 in Garmisch-Partenkirchen
© Ota Filip

Ota Filip

Ota Filip wird 1930 in Mährisch Ostrau/Ostrava als Sohn einer Halbpolin – die Opernsängerin sein will, es aber nicht schafft – und eines tschechischen Konditors geboren. Seine Jugend verbringt er in Prag. Nach dem Abitur und dem Studium der Journalistik arbeitet er als Redakteur beim Rundfunk und bei diversen Zeitungen.

Nachdem man ihn 1960 nach einem nicht ganzen Jahr als Kandidat für die ordentliche Mitgliedschaft wegen seiner bourgeoisen Herkunft und sozialdemokratisch-ideologischer Abweichungen aus der KP ausgeschlossen hat, wird er zu Haftstrafen und Zwangsarbeit verurteilt und muss als Bergarbeiter, LKW-Fahrer und Bauarbeiter seinen Lebensunterhalt verdienen. Obwohl er von offizieller Seite Schreibverbot erhält, veröffentlicht Ota Filip unter verschiedenen Pseudonymen Hörspiele, Erzählungen, Gedichte und Essays.

Während des Prager Frühlings 1968 wird Ota Filip Verlagslektor beim Profil-Verlag in Ostrau. Doch schon ein Jahr später wird er wegen „Unterwühlung der sozialistischen Gesellschaft“ verurteilt und für 15 Monate inhaftiert. Danach ist Filip wieder als Hilfsarbeiter tätig. Nach entzogener Staatsbürgerschaft und einer Haftandrohung aufgefordert das Land – im Juli 1974 – zu verlassen, geht er mit seiner Familie nach Bayern ins Exil. 1977 bekommt er die deutsche Staatsbürgerschaft.

In der bayerischen Landeshauptstadt München setzt Ota Filip seine Arbeit als Schriftsteller, politischer Journalist und Berater für den S. Fischer Verlag fort. Er schreibt nun vorwiegend in deutscher Sprache, wobei ihm ein großes Anliegen die Versöhnung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen ist. Seine Beobachtungen über sein Herkunftsland sind u.a. in den beiden Büchern Die stillen Toten unterm Klee. Wiedersehen in Böhmen (1992) und ... doch die Märchen sprechen deutsch (1996) zusammengefasst.

1997 kommt Filips Tätigkeit für den tschechoslowakischen Geheimdienst in den 1950er- und 1970er-Jahren ans Licht, die eine öffentliche Diskussion auslöst. Filip beteuert jedoch, niemandem geschadet zu haben.

Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen zählen vor allem Romane, darunter Das Café an der Straße zum Friedhof (1968), Ein Narr für jede Stadt (1969), Die Himmelfahrt des Lojzek Lapáček aus Schlesisch Ostrau (1973), Zweikämpfe (1975), Maiandacht (1977), Wallenstein und Lukretia (1978), Großvater und die Kanone (1981), Café Slavia (1985, Neuausg. 2001), Die Sehnsucht nach Procida (1988), der autobiografische Roman Der siebente Lebenslauf (2001) sowie Das Russenhaus. Roman um Gabriele Münter und Wassily Kandinsky (2005). Daneben sind Satiren (Tomatendiebe in Aserbaidschan und andere Satiren, 1981) und Erzählungen (Das andere Weihnachten. Mährische Geschichten, 2004) entstanden.

Wie sein Freund Horst Bienek, Milan Kundera und andere versteht sich Ota Filip als literarischer und sprachlicher Grenzgänger. Einschneidende politische Erfahrungen („zwei republikanische Regimes, fünf Staatspräsidenten, ein ‚tausendjähriges Reich‘, ein schreckliches Gemetzel und Morden [...], ferner mehrere politisch-ideologische Purzelbäume und auch die ewige Freundschaft zu der UdSSR“) prägen seinen skeptisch-ironischen Umgang mit Geschichte und betonen immer wieder die gesellschaftspolitische Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen (James Jordan).

Der Literaturwissenschaftler James Jordan unterteilt Filips Schaffen wie folgt: „Vor dem Wallenstein-Roman beschäftigte ihn die Aufarbeitung seiner Jugend und seiner Erfahrungen im von den Deutschen besetzten und später dann kommunistischen Heimatland. Wallenstein und Lukretia (1978) kündigt einen Bruch mit der persönlichen Vergangenheitsbewältigung an und präsentiert sich in einer distanziert-kritischen Erzählweise, bestimmt durch eine Rahmenerzählung, die die Objektivität des im Roman geschilderten Vorgangs in Frage stellt und es dem Autor ermöglicht, sich mit breiteren historischen, moralischen und philosophischen Themen zu befassen. Eine immer weiter ausschweifende Fabulierlust kennzeichnet die späteren Werke.“ Der zuletzt erschienene, zum Teil in München und Murnau spielende Roman um Gabriele Münter und Wassily Kandinsky basiert ganz auf der Fantasie des Autors, „auf meinen fabulierten, nie stattgefundenen Gesprächen mit Ella und Kandinsky sowie auf Aussagen einer leider nicht verlässlichen Zeugin“, wie Filip zugibt.

Für sein Werk hat Ota Filip mehrere Auszeichnungen erhalten: den Literaturpreis der Stadt Ostrau (1967), den Adalbert-von-Chamisso-Preis (1986), den Andreas-Gryphius-Preis (1991), den Ersten Münchner Großstadtpreis für Literatur „Die Löwenpfote“ (1991) sowie das Stipendium der Villa Massimo in Rom (1999). 2010 hat Filip die Chamisso-Poetikdozentur an der TU Dresden inne. 2012 wird ihm die höchste Auszeichnung der Tschechischen Republik, der Orden für besondere Verdienste am Staat im Bereich der Literatur und Journalistik, verliehen.

Filip stirbt am 2. März 2018 in Garmisch-Partenkirchen. Er war Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, des P.E.N.-Zentrums Deutschland und des Tschechischen Schriftstellerverbandes.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Jordan, James: Filip, Ota. In: Munzinger Online/KLG - Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, URL: http://www.munzinger.de/document/16000000146, (23.03.2015).

Lubos, Arno (1974): Geschichte der Literatur Schlesiens. Bd. 3. München, S. 655f.

Moser, Dietz-Rüdiger (Hg.) (1997): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 1. München, S. 329-331.

Schweikert, Rudi (Red.) (2012): PEN-Zentrum Deutschland. Autorenlexikon 2012/2013. Wuppertal, S. 105f.


Externe Links:

Literatur von Ota Filip im BVB

Literatur über Ota Filip im BVB

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