Info
Geb.: 5. 6.1845 in Eurasburg
Gest.: 7.12.1876 in San Paolo de Loanda, Angola
Porträt Hermann von Barth. Aus: "Gesammelte Schriften" (um 1865-1876)
Wirkungsorte:
Sonthofen

Hermann von Barth

Hermann von Barth ist der älteste Sohn des königlich-bayerischen Kämmerers Anton von Barth-Harmating und seiner Ehefrau Floriana, geb. Freiin von Krauß.

Barth wächst mit seinen Geschwistern in Sichtweite der bayerischen Berge in Eurasburg und Harmating bei Wolfratshausen auf. 1857 verkauft der Vater Schloss Eurasburg, und die Familie zieht nach München, nicht zuletzt um den vier Söhnen eine höhere Schulbildung zu ermöglichen. Hermann besucht zunächst das Maximilians-Gymnasium, später das Ludwigs-Gymnasium, an dem er das Abitur ablegt. Zu Beginn des Wintersemesters 1863/84 immatrikuliert er sich für das Studium der Rechtswissenschaften. Unter seinen Freunden wird er bald der „tolle Barth“ genannt. Mit 18 Jahren legt er das erste Staatsexamen ab und beginnt als Praktikant am königlichen Stadtgericht in Regensburg. Im Mai 1868 wechselt er nach Berchtesgaden, wo ein Onkel Gerichtsvorstand ist.

Hier beginnt seine Laufbahn als Bergsteiger. Seine Touren, zunächst in Begleitung von Hirten, werden immer anspruchsvoller, und bald gelingen ihm insgesamt zehn Erstbesteigungen. Am Ende des Jahres hat er nicht nur 69 Gipfel des Berchtesgadener Landes erstiegen, sondern die Berge kartographisch durchforscht und seine Touren in ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen dokumentiert. 1869 führt ihn sein Vorbereitungsdienst an das königliche Bezirksgericht in Sonthofen. In einem kurzen Sommer besteigt und erforscht er 44 Gipfel. Im selben Jahr wird der Deutsche Alpenverein in München gegründet, und der Augsburger Buchhändler Lampart lädt Barth zum Beitritt ein. Er schließt sich der Sektion München an und tritt mit Vorträgen in München und Augsburg an die Öffentlichkeit.

Trotz dieser zeitraubenden fachfremden Aktivitäten legt Barth im Mai 1870 die zweite juristische Staatsprüfung mit Note 1 ab. Dieses Jahr stellt mit 90 Gipfelbesteigungen im weitgehend unerschlossenen Karwendelgebirge, darunter wieder zahlreichen Erstbesteigungen, den Höhepunkt seiner Bergsteigerlaufbahn dar. 1871 folgt das Wettersteingebirge, in dem er ebenfalls alle namhaften Gipfel erreicht, darunter als Erster den Hochblassen, die Leutascher Dreitorspitze und den Öfelekopf. Ein Auszug aus seiner Schilderung des Abstiegs von diesem ausgesetzten Gipfel, den er nach einem Malheur ohne die bewährte Alpenstange erklettern muss, kann einen Eindruck von der Kaltblütigkeit dieses Pioniers in der Erschließung der nördlichen Kalkalpen geben:

Wie hinauf — so hinab, lautete das Gebot der Nothwendigkeit. Ich kehrte das Gesicht gegen die Wand, stemmte mich wieder gegen die rechtsseitige Mauer und rutschte hinab. Die Füße hingen bereits in der Luft, als ich endlich den Steinzacken zu fassen bekam und, diesen Halt einmal in Händen, behutsam mich weiter hinunterliess. Aber ich fand keinen Boden. Den Tritt drüben, von welchem aus ich mich schräg in die Kluft gelegt, konnte ich nicht mehr erreichen, und einen andern ertastete ich nicht. — Schliesslich hing ich mit ausgestrecktem linken Arme am Zacken, die Füsse tappten in der Leere herum. Die Muskelkraft begann nachzulassen, die nächste Viertelsminute musste mir die Notwendigkeit aufdrängen, freiwillig: meinen Halt preiszugeben — der peinliche Entschluss wurde mir erspart Ein leises Kricken — der Stein reisst aus der Wand, — und dahin geht der Sturz. Zweimal schlage ich auf Stufen der Kluft auf, noch aufrecht, Gesicht gegen die Mauer, das drittemal werde ich gedreht, der Breite nach auf den Trümmergürtel hinuntergeschmettert, überschlage mich dort ein oder zweimal, komme aber wieder auf den Rücken zu liegen, und Hände und Füsse alsbald spreizend, noch rechtzeitig zum Aufhalt. Zwei Schritte weiter — und ein neuer Steilwandsturz hätte mich unfehlbar in‘s Berglen Plattach hinunterbefördert.

Das Ganze war das Werk von ein paar Sekunden; ge­fühlt hatte ich von der ganzen Sache wenig und stimme in dieser Hinsicht vollkommen mit Herrn Whympers Bemerkungen überein; ich glaube nicht, dass ein tödtlicher Sturz viel mehr Empfindung hervorrufe. Die Besinnung hatte ich keinen Augenblick verloren, wusste genau wo ich mich befand, und woran meine letzte, durch ein glückliches Geschick auch realisirte Hoffnung hänge. Die Sturzhöhe schätze ich auf etwa 30 Fuss.

Porträt Hermann von Barth am Berg. Aus: Gesammelte Schriften (zwischen 1870 und 1876).

1872 wird er als Assessor an die königliche Regierung von Schwaben in Augsburg berufen. Doch Barth weiß längst, dass er nicht für eine biedere Beamtenlaufbahn geschaffen ist. Er treibt intensive geologische Studien und besucht in München wieder die Hochschule. Mittlerweile hat er einige Aufsätze in der Zeitschrift des Alpenvereins publiziert, und der Verleger der Zeitschrift, Eduard Amthor, fordert ihn schließlich auf, die Ergebnisse seiner systematischen Forschungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck durchstreift Barth erneut Karwendel und Wetterstein, die Mieminger Berge und das Hagengebirge. 1874 erscheint schließlich sein bahnbrechendes Werk der Alpinliteratur: Aus den Nördlichen Kalkalpen. Ersteigungen und Erlebnisse in den Gebirgen Berchtesgadens, des Algäu, des Innthales, des Isar-Quellengebietes und des Wetterstein. ­ Mit erläuternden Beiträgen zur Orographie und Hypsometrie der nördlichen Kalkalpen. Mit lithographischen Gebirgsprofilen und Horizontalprojectionen nach Originalskizzen des Verfassers.

Seine Interessen haben sich mittlerweile der Afrikaforschung zugewandt, und so wird er gebeten, eine Neuauflage von Livingtons Werk zu erarbeiten. Als es 1875 erscheint, ist David Livingstone, der Afrikareisende: Ostafrika vom Limpopo bis zum Somalilande keine Neuausgabe von Livingtons Werk mehr, sondern eine originäre Leistung Barths, die in Fachkreisen Aufsehen erregt. Wie nebenbei promoviert er summa cum laude in Naturwissenschaften. Nachdem sich eine geplante Westafrika-Expedition zerschlagen hat, bietet ihm im Herbst 1875 die portugiesische Regierung die Stelle eines Geographen in ihrer dortigen Kolonie Angola an. Am 9. Januar 1876 verlässt Barth München, nicht ohne vorher die Manuskripte und Skizzenbücher seiner Forschungen in den nördlichen Kalkalpen einem Freund zu übergeben. Am 5. Juni geht er in San Paolo de Loanda an Land. Schon 14 Tage später bricht er mit einer Eingeborenenkarawane ins Landesinnere auf. Wieder macht er intensive Aufzeichnungen, zahlreiche Besteigungen und sammelt geologisches Material. Doch infolge der mangelnden Akklimatisierung erleidet er Anfang August den ersten Fieberanfall. Obwohl ihm, bereits tief im Urwald, Träger die Arbeit verweigern und Diebstähle begehen, dringt er seinem Motto „Nie zurück!“ folgend weiter ins Landesinnere vor. Zuletzt aber zwingt ihn die schwere Erkrankung doch zur Umkehr. Vom Unterlauf des Ucallo bringt ein Schiff den Todkranken zurück nach San Paolo de Loanda, wo sich Hermann von Barth am Ende seiner Kräfte und verzweifelt während eines heftigen Fieberanfalls mit seiner Pistole das Leben nimmt.

Was er in den letzten acht Jahren dieses nur einunddreißigjährigen Lebens geleistet hat, bleibt aber in jeder Hinsicht bewundernswert. Die packenden, detaillierten Beschreibungen seiner Erlebnisse bei der Erkundung der Bergwelt und der vortouristischen Lebenswelt ihrer Bewohner sind ein unersetzliches Zeitdokument.

Verfasst von: Harald Beck / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

http://www.alpenverein.de/chameleon/public/10791/panorama_0006_por_10791.pdf, (12.01.2018).

Gegenfurtner, August (1947): Der Einsame vom Berg. München.


Externe Links:

Literatur von Hermann von Barth im BVB

Literatur über Hermann von Barth im BVB

Hermann von Barth in der BLO

Hermann von Barth in der Wikipedia