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Geb.: 7. 8.1938 in Bad Reichenhall
Foto: Christian Angerer

Angerer der Ältere

Ludwig Valentin Angerer alias Angerer der Ältere wird 1938 in Bad Reichenhall geboren. Seinen Vater lernt er nie kennen, dieser fällt bereits 1939 als Sanitäter im Polenfeldzug. Angerers Kindheit ist von Krankheit geprägt: Die ständig entzündeten Bronchen lassen, geschwächt von Fieberschüben und Lungenentzündungen, keine geregelte Schulausbildung zu. Während seine beiden Brüder herumtollen, muss Ludwig Ruhe halten. So beginnt er, seiner Krankheit geschuldet, bereits als Kind zu zeichnen und zu malen.

Ein etwa einjähriger Sanatoriumsaufenthalt auf der Insel Norderney lässt Angerer so gesunden, dass er zu den besten jugendlichen Mittelstreckenläufern seiner Heimat zählt. Neben der körperlichen Ertüchtigung stellt sich auch die geistige Leistungsfähigkeit ein, und so holt er bald seine schulischen Versäumnisse auf.

Während der ersten Semesterferien seines Ingenieursstudiums beschäftigt er sich, wie schon als Kind, fast zwanghaft mit Malerei. Diese Liebe zur bildenden Kunst, vor allem zur Malerei und Architektur, lässt ihn letztlich doch ein Architekturstudium aufnehmen. Nach diesem Abschluss besucht er die Akademie der Bildenden Künste in München bei Professor Sep Ruf. Noch während des Studiums, Angerer ist bereits in die Architektenliste eingetragen, gewinnt er diverse Architektur-Wettbewerbspreise. Seine Anstellung beim Assistenten des Professors und der Studienförderung Honnef ermöglichen ihm und seiner Familie die finanzielle Unabhängigkeit.

Angerers Malereiambitionen erleiden während des Akademieaufenthalts einen Rückschlag, denn seine auf Schönheit ausgerichtete Kunst der Gegenständlichkeit gilt dort als rückständig. Eines seiner Vorbilder, Caspar David Friedrich, wird seinerzeit als Kitsch abgetan. Einzig die Möglichkeit des Aktzeichnens bringt dem Künstler Genugtuung.

Angerers frühe architektonische Erfolge bringen ihm die Anstellung als Entwurfsarchitekt beim renovierten Architekten Alexander von Branca ein (Wettbewerb und Auftrag Neue Pinakothek München). Bei ihm erwirbt er sich den Sinn für Denkmalpflege, historisches Bewusstsein und damit seine zukünftige künstlerische Schaffensbreite. Nach mehreren äußerst lehrreichen Jahren wendet er sich dann doch wieder – besonders durch die Beschäftigung mit Bosch, Dali und Fuchs – der Malerei zu, unter Mithilfe von Branca als freier Mitarbeiter und durch Auftragsvermittlungen wie z.B. vom Haus Thurn und Taxis (Gemälde Exchange).

Eine weitere Persönlichkeit, der Kunsthistoriker Gustav René Hocke, gewinnt für Angerer nun größte Bedeutung. Dessen Buch Die Welt als Labyrinth bringt Angerer die Welt des „Manierismus“ nahe. Angerer kann im Zuge dessen Hocke als Autor für den Kunstband Phantastik der Sehnsucht, erschienen im Bruckmann-Verlag München, gewinnen.

Hockes unmittelbar in Genzano di Roma befreundeter Nachbar ist der Autor Michael Ende. Als Ende die Bilder von Angerers Bildwerken sieht, ist er äußerst angetan von dessen Kunst. Angerer erhält daraufhin den Auftrag zur künstlerischen Gestaltung für den Film Die Unendliche Geschichte II. Ausgezeichnet wird er dafür mit dem Bayerischen Filmpreis. Die Wertschätzung und Freundschaft Endes machen ihn zum Mitbegründer des Zentrums für Phantastische und Visionäre Künste e.V. (1994), dem z.B. auch Herbert Rosendorfer angehört. Endes vorzeitiger Tod verhindert jedoch, dass alle seine Ideen der Künstlerverbindungen und Verschmelzungen vollendet werden können. Sein Grab im Alten Waldfriedhof in München darf Angerer dafür gestalten. Unter anderen Elementen findet sich dort ein aufgeschlagenes bronzenes Buch mit einer Schildkröte und der Aufschrift „Habe keine Angst“ aus Endes Buch MOMO.

Bei einer früheren Unterhaltung mit Ende in Schloss Elmau erwähnt Angerer, dass seine Bildwerke oft auch Geschichten seien. Ende ermuntert ihn, sie aufzuschreiben. So entsteht der Märchenroman Janus und Sunaj, den Angerer später bei den Reichelsheimer Märchentagen vorträgt. Auf diese Weise beginnt seine späte Karriere als Schriftsteller.

1995 erscheint im Nymphenburger Verlag München das Buch Kulturpause- Streitschrift wieder den Zeitgeist. Ephraim Kishon, der im selben Verlag seine kulturkritischen Bücher herausbringt, bezeichnet ihn als Mitstreiter und hält seine Bewunderung für Angerers Werke fest: „Mein Auge kann von Ihrem Bild nicht lassen.“

Angerer der Ältere gestaltet Cover für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und weitere Bücher, wie z.B. von Wolfgang Hohlbein.

1989 erfolgt der Umzug von München nach Biburg (Kloster Biburg, romanische Basilika aus dem Jahr 1125). 2000 wird die „Erlöserkapelle“ durch Bischof Manfred Müller und dem Metropoliten von Moldawien und der Bukowina, dem heutigen Patriarch von Rumänien, vor Angerers denkmalgeschützten Haus eingeweiht. Letzterer hat in mehrjähriger Arbeit die Kapelle mit 25 (etwa dreiviertel) lebensgroßen Gussmarmorfiguren kreiert. Papst em. Benedikt XVI. vermerkt dazu handschriftlich: „Ich beglückwünsche Sie zu dem Kunstwerk, das endlich einmal wieder wirkliche sakrale Kunst darstellt im Gegensatz zu so Vielem, das nur den Verfall der Seele im Unglauben sichtbar macht.“ In der Erlöserkapelle sollen die Urnen von Angerer und seiner Frau Margit, ohne deren engagierte Mithilfe sein Werk nicht hätte entstehen können, die letzte Ruhe finden.

Als überzeugte Christen und Europäer sehen Angerer und seine Frau ihre wesentliche Aufgabe darin, als Kuratoren für europäische, insbesondere französische und polnische Kunstfreunde Ausstellungen zu arrangieren (z.B. für das Europäische Parlament Brüssel 2007), unterstützt vom Medienhaus Kastner. Der Verleger Eduard Kastner ist auch der Initiator von Angerers Kunstband Die Rückkehr des Menschen in die Kunst (2016).

Angerer der Ältere sieht seine Aufgabe darin, der Kunst wieder Schönheit, Phantasie, Geheimnis und Mythos zurückzugeben. Eine Aufgabe, die er in der heutigen Zeit fast als verloren ansieht. Das Vorwort in seinem Kunstband Die Rückkehr des Menschen in die Kunst zeugt von dieser Solitärstellung im deutschen Kulturbetrieb:

Der eine oder andere, der sich der Mühe unterziehen wird, diesen Kunstband meiner Bilder-Welt und den Text meines Welt-Bildes aufmerksam anzuschauen und zu lesen, wird sich vielleicht fragen: Warum schreibt er, der Künstler selbst, und warum zitiert er immer wieder Hölderlin? Kunsthistoriker vom Schlage Gustav René Hockes’, die meinem Werk gerecht werden könnten, sind nicht mehr in unserer nivellierten Kulturwelt. Jedes Gespräch mit einem eventuellen Autor scheitert bereits an zeitgeistbedingter moralischer Vorzensur. Ich sehe einen Automatismus kultureller Vereinheitlichung der heutigen Kulturschreiber mit ihrer genormten Kritik als dramatisch geistige Mangelerscheinung, der ich mich nicht beugen kann. Lieber eine etwas holprige Sprache als diese Negativ-Auslese Mentizidgeschädigter! In der zurückgezogenen Turm-Welt hölderlinscher Einsamkeit sehe ich heutzutage hingegen ein eher heiteres Kapital reiner Anschauung und der Wiederverzauberung der Welt. Es sind die Tiefen archaischer Gelüste, aber auch die helle Geistigkeit des griechischen Mythos und des christlichen Glaubens mit seiner orientierungs- stiftenden Kraft, die immer wieder mein Innerstes tief bewegen.