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Kultur trotz Corona: „Kommen Tiere“. Von Karin Fellner

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© Heike Bogenberger

Karin Fellner (*1970 in München) lebt und arbeitet in ihrer Heimatstadt als freie Autorin, Lektorin und Leiterin von Schreibworkshops für Jugendliche (u.a. Literaturhaus MünchenLyrik Kabinett). Für ihre bislang fünf Gedichtbände wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit einem Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern (2018) und der Christian-Ferber-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung (2021).

Mit dem folgenden unveröffentlichten Gedichtzyklus beteiligt sich Karin Fellner an der Fortsetzung von Kultur trotz Corona“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung bayerischer Literaturschaffender. Alle bisherigen Beiträge der Reihe finden Sie HIER.

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Kommen Tiere

 

Die Spinne flippert, sie sitzt mitten im leergefegten
Himmel, der Wind gibt ihr Kickbacks mit.
Schon in der Dunkelheit, lang vorm Blinken der Matrix,
tat sie die ersten acht Schritte
ins Ungewisse und drückte
links hinten die Hebel der Luft, um
etwas ins Nichts zu schicken ...
„Die Logik ist im Körper des Gehäuses“, sagt sie,
verschränkt die Arme und wartet, als wäre Warten
ihr zweiter Vorname.

 

Aus Anti-Tauben-Stacheln bastelt die Taube sich
den Wappenspruch Nicht auf Zack.
„Ich balle mich“, sagt sie, sagt: „Niederschlag ist halt da.
Auch vordem gabs Wankelmut, schräge Tragflächen, wag-
halsige Winkel, jetzt wieder springt‘s und zischelt.“
So nickt sie ein, überlässt den Rest der Nickhaut, die
schließt das Lädierte zusammen zu
struppigen Nestern, in denen
Gedanken schlüpfen, verlöschen.

 

Tapeten will der Tapir nicht mehr kleben,
bringt nix aufs Tapet, schlupft drunter.
Der Aufsichtsrat ist verschnupft:
Was soll der zerschlissene Teppich?
Der ist doch niemals tibetisch!
Der Tapir indes guckt die Faserung der Strahlen
und fadenscheinige Flecken und nickt: „Die mag ich gut.“

 

„Obgleich der Wind alles schreibt, schiebt, auseinanderbiegt,
bin ich sowohl umschlossen als auch gefestigt“, sagt die Meise,
„mein Kleid ist ein Rift und hisst drollige Bögen
ins Präteritum“ – flugs winterte sie sich aus
am Weißmeierschen Kanal:
„Bin nicht von Belang, darum
kann mich niemand belangen.“

 

Reh, du Tier der Straße, zier dich nicht, tritt zurück
ins Reduzierte, knick die Maschinerie
und blendende Sprüche wie zu Ehren deiner Hufe.
Dreh dich dunkel und rufe paarzehnmal:
„Geht ohne mich -üssieren,
ich -signiere nüscht.“

 

Krähe fliegt Triumph, landet auf der Antenne,
hält ihr scharfes Köpfchen in den Wind.
Antenne schickt shake ya bones Grüße
in Krähenfüße, unten
gehn Info-Formationen in menschliche Augen ein
und flunkern in den Dunen.
Schunkelt Krähe? Sie tippt
ihren Schnabel in Mulden
der Funkwellen: „Euch überlass
ich das Hüpfen, Züpfen“,
sagt sie und nutzt
antenna als Absegelstange.

 

Woher nehmen Fledermäuse die Kraft, ihr Leder
vom Fels zu lösen, ihr Fleisch leicht zu machen, wo
ließen sie Leichen zurück, wann
bogen sie ab in den Flieder?
„Ihr redet von Überträgern und morbiden Tabellen,
wir aber schenken euren versiegelten Flächen
ein Echo-Lächeln und allen, die -lögen,
ein fffff-“

 

Knietief im See standen wir, unbefiedert und bibbernd,
fake Baptists, warteten darauf, getunkt zu werden,
unübersehbar vor uns die Schwäne, eine der größten
Choreografien in Hälsen, hieß es, bereit zu richten,
„Perwoll“ sagte jemand, da warn wir besiegelt: „die Hälfte
eurer Hände“, hieß es, das Wasser spiegelte leer
und irgendwo fiel etwas, klirrte.

 

Wenn ich mich verzweigte, so rätselt die Elster, du weißt,
nicht zu viel, nicht zu wenig, im Zwielicht der Baugruben mich
als Zwiesel einspeiste in den vernarbten Grund,
drei Handfedern spreizte, mein Weiß
der Schmerzpappel schenkte, mein Schwarz
den Drillbohrern, einen Bund
schlösse mit dem Lärm –
ob Lastwagen und Ast-
adern sich zusammen-
täten zu einer
anderen Agalaster?

 

„Mu-Tiere“, sagt der Fisch, „zu Mu-Tieren will ich gehen“
und hebt seinen Fuß, die Solargeschwüre betrachtend.