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17.05.2023, 14:31 Uhr
Verena Beaucamp
Text & Debatte
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Fotografie im Januar 1992 (c) BSB/Bildarchiv

Zum 30. Todestag von Gustl Bayrhammer (1922-1993)

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Gustl Bayrhammer 1992, Krailling (c) Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv

Vor 30 Jahren, am 24. April 1993, starb Gustl Bayrhammer, einer der bedeutendsten bayerischen Volksschauspieler. Als Meister Eder in der TV-Serie Meister Eder und sein Pumuckl ist er vielen von uns in Erinnerung geblieben, doch Bayrhammers Rollenrepertoire erstreckte sich weit darüber hinaus. Eine Hommage von Verena Beaucamp, Museum Fürstenfeldbruck. 

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Auch wenn Gustl Bayrhammer kurz vor seinem Tod klarstellte: „Ich mag kein Wapperl am Arsch“, steht er bis heute wie kaum ein anderer Schauspieler für den „g'standenen Bayern“, den er mit warmer, sonorer Stimme in verschiedenen Paraderollen so beeindruckend verkörperte. Man kann ihn getrost als die Inkarnation des Bayerischen Volksschauspielers im besten Sinn bezeichnen.

Unzählige Charakterrollen spielte Adolf Gustav Rupprecht Maximilian Bayrhammer, genannt Gustl, so überzeugend und über einen so langen Zeitraum, dass er nicht selten mit den Dargestellten gleichgesetzt wurde, darunter Ludwig Thomas Wittiber, den Oberinspektor Veigl, den Himmelspförtner Petrus oder den Meister Eder.

Er beherrschte die Kunst, sich jede einzelne Figur förmlich einzuverleiben und so an seine eigene Persönlichkeit anzupassen, dass es am Ende immer eine „Bayrhammer-Figur“ war (Gerd Anthoff). Dabei war er immer authentisch bayerisch, aber nie krachert oder dem Klischee des Lederhosenbayern entsprechend – außer es war als besonderes Stilmittel eigens gefordert.

Bayrhammers Schauspiel-Karriere begann relativ spät. Zwar stand für den Sohn des Schauspielerpaares Max und Elfriede Bayrhammer früh fest, dass er ebenfalls einmal auf den Bühnenbrettern stehen wollte. Wohl mehr den Bedenken des Vaters geschuldet, absolvierte er jedoch zunächst eine kaufmännische Ausbildung. Neben seinem Einsatz als Nachrichtenfunker im 2. Weltkrieg nahm Bayrhammer ersten Schauspielunterricht am berühmten Schillertheater in Berlin. Seine Prüfung legte er 1944 bei Heinrich George ab.

Der erste Schritt in Richtung Schauspielerei begann kurz nach Kriegsende in Sigmaringen mit dem Goethe-Lustspiel Die Mitschuldigen an der Seite von Toni Berger, mit dem ihn fortan eine lebenslange Freundschaft verband. Dort lernte Bayrhammer auch seine Frau Irmgard Henning kennen, mit der er später immer wieder gemeinsam vor der Kamera stand.

Gustl Bayrhammer mit seiner Frau Irmgard, 1992 (c) BSB/Bildarchiv

Zunächst tourte der junge Schauspieler rund 20 Jahre über die Bühnen diverser Provinztheater. Neben vielen kleineren Engagements, u.a. in Augsburg, Tübingen, Karlsruhe und Salzburg, war er seit den 1950er-Jahren auch beim Bayerischen Rundfunk als freier Mitarbeiter beschäftigt. Seinen Durchbruch im Fernsehen hatte Bayrhammer, der sich vehement gegen den von ihm titulierten „volksdümmlichen Bayern-Kitsch“ wehrte, 1966 als Dorfdoktor Gerstl in der Filmsatire Das Bohrloch oder Bayern ist nicht Texas, einer bissig treffenden Persiflage auf den Bäderbetrieb im Kurort Füssing.

Bei einem Gastspiel am Münchner Volkstheater begeisterte der damals 44-jährige Schauspieler die legendäre Therese Giehse so sehr, dass sie ihn gleich an die Kammerspiele brachte mit der Bemerkung: „Sagen Sie mal, wo haben sie sich denn so lange versteckt?“ Es folgten Engagements an fast allen Münchner Bühnen, allein am Residenztheater mimte der Volksschauspieler über 700-mal den Pförtner Petrus im Brandner Kaspar. Endlich konnte er Rollen in bayerischer Mundart spielen.

Nicht nur in traditionellen Klassikern, auch in ganz modernen und sozialkritischen Stücken der Jung-Regisseure Martin Sperr und Franz Xaver Kroetz war Bayrhammer zu sehen.

Große Fernseh-Berühmtheit erlangte er 1972 mit der Rolle des ersten bayerischen Tatort-Kommissars Melchior Veigl, einen unaufgeregten und nachdenklichen Kriminalbeamten mit Hut, Lodenmantel und Dackel Oswald als ständigen Begleiter an seiner Seite. Dieser Oberinspektor verkörperte einen sympathisch bodenständigen, gemütlichen Typ, ganz anders als die durchtrainierten Action-Kommissare nach ihm. In vielen weiteren Rollen war er zu sehen, im Königlich Bayerischen Amtsgericht, in den Münchner Geschichten, der Polizeiinspektion 1 oder in den Weißblauen Geschichten.

Links: Dreharbeiten zum Fernsehkrimi Tatort (zus. mit Helmut Fischer), 1975. Rechts: Aufführungsprobe von Franz von KobellDer Brandner Kaspar nach Kurt Wilhelm 1975. (c) BSB/Bildarchiv

Nach dem Tod des langjährigen Meister-Eder-Sprechers Alfred Pongratz 1977 gab es keinen Zweifel: Bayrhammer, der bereits einige Nebenrollen gesprochen hatte, war die ideale Besetzung für den Schreinermeister in der BR-Hörfunkserie ist. Als 1979 für den Probelauf der BR-Serie Meister Eder und sein Pumuckl kurze TV-Spots gedreht wurden, stand er von nun auch leibhaftig in der Werkstatt. Die Rolle des liebevoll grantelnden, trotz seiner gelegentlichen Strenge immer gutmütigen, großväterlichen Freundes war Bayrhammer förmlich auf den Leib geschrieben. Regisseur Ulrich König bestand bei der Verfilmung allerdings auf kleinen Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild – ihm schwebte eher der Typ Albert Schweizer vor, mit buschigem Schnurrbart und weißen Koteletten. Im Laufe der Jahre ergrauten die Haare von ganz allein.

Von da an blieb der Meister Eder an ihm kleben wie der Pumuckl am Leimtopf. Der kleine, freche Kobold mit den roten Haaren und der unverwechselbaren Stimme von Hans Clarin und der oft herzhaft lachende Schreinermeister kochten in 52 Folgen nicht nur „Puddeling“, sondern hatten allerhand Spaß – immer nach Meister Eders Maxime: „Jeder Spaß hört da auf, wo ein anderer Schaden davon hat.“

Mit Ulrich König, für den der erfahrene Schauspieler so etwas wie ein väterlicher Freund wurde, drehte Bayrhammer zahlreiche weitere Filme. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass sie gemeinsam „unheimlich viel Quatsch gemacht“ haben (Ulrich König). Auf den Pilotfilm Meister Eder und sein Pumuckl (Ulrich König, 1982) folgten 1993 die Dreharbeiten zu Pumuckl und der blaue Klabauter (Alfred Deutsch und Horst Schier), dessen Ausstrahlung Bayrhammer jedoch nicht mehr erlebte. Seine Stimme wurde nachträglich von Wolf Euba synchronisiert. Bis heute ist Gustl Bayrhammer im kollektiven Gedächtnis mehrerer Generationen fest verankert als Meister Eder, wozu erfreulicherweise fortwährende Wiederholungen von Hörspielen, Fernsehserien und Filmen beitragen. „Die Figuren hat er immer an seine Persönlichkeit angepasst, jede Figur war eine Bayrhammer-Figur“ (Gerd Anthoff). Und über all seine Theaterrollen, Fernseh- oder Filmaufträge führte er – ganz kaufmännisch – akribisch Buch.

 

Links: mit Hut und Pfeife, 1948. Rechts: mit Hund „Oswald“, 1973. (c) BSB/Bildarchiv

Gustl Bayrhammer war bei aller Gelassenheit ein durchaus streitbarer Mensch – einer, der den Mund aufmachte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging und der Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Menschen durchaus wahrnahm und sich einmischte. Im Personalrat der Kammerspiele brachte er sich ebenso engagiert ein wie in Bürgerinitiativen, sei es gegen Mülldeponien oder gegen Fremdenfeindlichkeit. Da konnte er richtig grantig werden. Nie aber ließ er sich von einzelnen politischen Parteien vereinnahmen: „Seit dem Ende des Dritten Reiches lebe und arbeite ich für die Ideale der Humanität und Toleranz und kann es nicht fassen, dass ein paar rechtsgerichtete Narren mit einem Schlag wieder Zulauf finden.“

Als äußerst geselliger Genussmensch war Bayrhammer langjähriges Mitglied bei der Münchner Schlaraffia, einem Männerbund zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor – die regelmäßigen Schlaraffia-Abende waren ihm heilig. Unter dem Namen „Skipps ben Kneissl“ wirkte er 40 Jahre im „Reych Monachia“ mit, zunächst als Hofnarr und schließlich als Oberschlaraffe.

Am 24. April 1993 starb der „Hammerbayer“ an einem Herzinfarkt in seinem Haus in Krailling. Anlässlich seines 30. Todestags wurde im April 2023 an dem Gebäude in der Widenmayerstraße 2 in München, in dessen Hinterhof sich Meister Eders ehemalige Schreinerwerkstatt befand, eine Gedenktafel zu Ehren des großen bayerischen Volksschauspielers angebracht. Gustl Bayrhammers Enkel Florian, Fabian und Sebastian pflegen mit Begeisterung und Ausdauer dessen Erbe. Sie wünschen sich die Aufstellung einer Bronzefigur zum Andenken an den unsterblichen Meister Eder, denn: „Kommissare gibt's inzwischen zum Saufuadn, aber Meister gibt's nur einen“ (Gustl Bayrhammer).

Am Schreibtisch in Krailling, 1973 (c) BSB/Bildarchiv

Sekundärliteratur:

Glück, Manfred (1993) (Hg.): Gustl Bayrhammer: Das Herz gehört dazu. München.

Krafft, Sibylle (2013): Bayerische Volksschauspieler. 12 persönliche Porträts. München.

Selbherr, Christian (2021/22): Zum 100. Geburtstag von Gustl Bayrhammer. In: MUH 43, S. 44-52.

Externe Links:

Zur aktuellen Ausstellung Pumuckl und mehr – Ellis Kaut zum 102. im Museum Fürstenfeldbruck