Info
11.10.2017, 12:24 Uhr
Gerd Holzheimer
Oskar Maria Graf-Reihe
images/lpbblogs/autorblog/2017/gross/holzheimer_164.jpg
© Volker Derlath / A1 Verlag

Zum 50. Todesjahr von Oskar Maria Graf (7): Ein Hoch auf die Grafs von Berg!

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbblogs/autorblog/2017/klein/omg_grafhaus500.jpg
Das Geburtshaus von Oskar Maria Graf in Berg ist heute das Graf-Stüberl. © Franz Piontek

Die 128. Ausgabe der Literatur in Bayern (Allitera Verlag, München) widmet ihren Schwerpunkt dem selbsternannten „Provinzschriftsteller“, geschichtenerzählenden Revolutionär und international erfolgreichen Autor Oskar Maria Graf aus Berg am Starnberger See. Die Autorinnen und Autoren beleuchten unterschiedliche Facetten des widersprüchlichen Dichters, dessen Tod im Exil in New York sich 2017 zum 50. Mal jährt. Schriftsteller Gerd Holzheimer erzählt dazu von einer skurilen Begegnung in Berg.

*

Gegenüber der ehemaligen Bäckerei Graf, Geburtshaus des Oskar Maria Graf, heute das Graf-Stüberl, stand und steht noch immer das ehemalige »Cafe Maurus«. Noch immer kann man in seiner Fassade eine Aussparung erkennen, in der einmal der Schriftzug des Kaffeehauses zu lesen war, noch 1994, dem Jahr eines anderen Graf-Jubiläums, seines hundertjährigen Geburtstages. Als ich es seinerzeit fotografieren wollte, trat eine Frau vor das Haus und fragt mich in bewährt grafsch-mürrischer Weise, was ich denn wolle. »Ah so, wegen dem Oskar?!« Offensichtlich eine Dame aus der Verwandtschaft des Maurus, Bruder von Oskar Maria Graf, Maurus Graf. Viel talentierter wäre der gewesen, weitaus, gar kein Vergleich mit dem Oskar! »Der Oskar, mein Gott, einesteils schon, aber der Maurus: viel talentierter!« »Im Bäckern?«, hab ich dummerweise gefragt. »Nein, ach was, im Bäckern! Nein, in der Literatur! Das weiß bloß keiner!« Der wahre Dichter, der große Dichter, das ist nicht der OMG, sondern das ist ein Dichter gewesen namens Maurus, Maurus Graf. Oskar Maria Graf selber schreibt über den Maurus, dass er ihn um seine Ersparnisse geprellt hat, mit der Begründung: »Ich bin ganz einfach ein Genie! Ich bin ein Dichter, fertig!« Alles klar?

Annemarie Koch, OMG’s Tochter, sagt über das Verhältnis der beiden, dass der Maurus, also »der war sogar meim Vadda z’geschert, und des wui wos hoassn!« Von poetischen Ambitionen des Maurus hingegen weiß sie nichts: »Von wegen! Nix, naa, woher!«

Aber einer wusste sich schon noch zu erinnern, dass der Maurus geschrieben hat, und das war der seinerzeit sehr bekannte bayerische Schriftsteller August Kühn. Im Maurus seinem Cafehausgarten sind sie beisammen gesessen, der Lothar Günther Buchheim zum Beispiel oder der Ferry Stützinger, der Drucker, der den linken Kürbiskern gedruckt hat; denen hat der Maurus vorgelesen, und sie haben ihm zugehört, weil er sie freigehalten hat, der alte Geizkragen. Und der Ferry Stützinger hat ihm seine Gedichte gedruckt. Aber der Ferry Stützinger ist gestorben, an den Folgen eines Skiunfalls, bei dem ihm ein Stecken durch das Schienbein ist, und wir können ihn nicht mehr fragen. Und niemand sonst weiß von den Gedichten.

Nur von dem Lenz, noch ein Graf, Bruder des OMG und des Maurus, haben wir Texte, z.B. den: »Das Mädchen lacht lieblich, hat dicken Arsch, aber Tolstoj läßt auch zu wünschen übrig. Nietzsche ist ein gottloser Depp, ich muß auf die Bank, hab’ kein money mehr; es regnet sehr; Bier ist gesund; der Mond fällt auf‘s Meer, auf einen riesigen Walfisch –«

Das ist Wahnsinn. Bayerischer Surrealismus. Feiern wir den Lenz Graf, feiern wir den Maurus, den OMG sowieso, ein Hoch auf die Grafs aus Berg!

Verwandte Inhalte
Institutionen
Institutionen
Städteporträts
Städteporträts
Journal
Mehr