Info

Ein Öko-Krimi – Rezension von Hannes S. Macher

Die 143. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmet sich dem Schwerpunkt Avantgarde. Darin rezensiert Hannes S. Macher Max Schönmüllers Krimi Nicht mehr lange.

Jeden Donnerstag treffen sie sich bei ihrem Lieblingsgriechen. Bei Souvlaki und anderen Schmankerln samt Bier und Ouzo diskutieren Amira, Sara, Alex, Ben und Matthias höchst engagiert über die Politik im Allgemeinen und die unfähigen Politiker im Besonderen, vor allem jedoch über die drohende Klimakatastrophe und die weltweite Umweltzerstörung. Beim Räsonieren wollen es die »intellektuellen Vollchecker« (wie sie der Autor ironisch charakterisiert) freilich nicht belassen. Es muss gehandelt werden. Aber wie? Matthias schreitet als erster zur Tat, er will ein Fanal setzen: Bei Nacht und Nebel lässt er einen von ihm umgesägten Baum auf die Autobahn bei Nürnberg krachen, um die Autofahrer im dadurch entstandenen Stau zum Nachdenken über die Folgen des von ihnen verursachten CO2-Ausstoßes zu zwingen. Erfolg freilich – wie zu erwarten – gleich null. Trotzdem da capo am lrschenberg, auf der Autobahn von München nach Salzburg. Doch dabei bleibt es nicht: Nach den Bäumen fallen Schüsse. Zum Entsetzen der anderen Mitglieder der Clique radikalisiert sich Alex. Auf verschiedenen Bundesstraßen und Autobahnabschnitten in Oberbayern schießt er mit dem Gewehr auf die Reifen der vorbeifahrenden Motorräder, Pkws und Lkws. Nicht nur kilometerlange Staus sind die Folge all der Unfälle, auch Tote und Verletzte sind zu beklagen. Und die Eskalation nimmt kein Ende. Die Polizei rotiert, sucht krampfhaft nach den Tätern und Verfassern der Bekennerschreiben Unsere Welt schützen – jetzt, die von Mal zu Mal immer kämpferischer ausfallen.

Wie einen Film mit raffiniert ineinander verflochtenen Szenen, mit fiktiven Radiomeldungen und passenden Zitaten von Laotse über Goethe bis zu Jimi Hendrix lässt Schönmüller, geboren und aufgewachsen in einem fränkischen Dorf, diesen Öko-Krimi über eine zunächst eingeschworene Clique von Studenten und jungen Akademikern als Umweltaktivisten ablaufen, deren Wege sich jedoch trennen, als Gewaltanwendung zum Ziel führen soll und dabei der Tod von Menschen in Kauf genommen wird. Ungemein spannend beschreibt der Autor, im Brotberuf Gymnasiallehrer für Deutsch und Religion, die Eskalation der Taten und Untaten und taucht psychologisch tief auslotend in die unterschiedlichen Charaktere der fünf Protagonisten ein, wobei Amira und Sara als frustrierte Grünen-Anhängerinnen und rational Urteilende seine volle Sympathie genießen. Dazu schildert er mit herrlich ironischem Unterton und Reminiszenzen an das unvergleichliche Kriminaler-Duo Karl Obermayr und Helmut Fischer in Helmut Dietls Monaco Franze die Anstrengungen der Polizei, der von der Boulevardpresse reißerisch als »Öko-Terroristen« Vorverurteilten habhaft zu werden. Eingekesselt vom SEK, versteckt sich Alex nach seiner letzten Auto-Abknall-Aktion im Windrad gegenüber der Münchner Allianz Arena, während Matthias in der U-Haft landet. Amira, Sara und Ben wollen ein neues Leben beginnen. Ob es ihnen gelingt? Open End.

Kurzum: Ein fiktiver und doch realitätsnaher, ein ungemein spannender Roman, der aufwühlt.

 

Max Schönmüller: Nicht mehr lange, Allitera Verlag, München 2020.