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21.10.2022, 15:30 Uhr
Kunstministerium
Text & Debatte
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© Christel Steigenberger

Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern 2022 an Armin Steigenberger

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Armin Steigenberger mit Kunstminister Markus Blume. © Wolfgang Maria Weber/StMWK

Lyrik, Comics und Romane: Am 28. September 2022 wurden in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 22 Schriftstellerinnen und Schriftsteller von Kunstminister Markus Blume mit den Förder- und Arbeitsstipendien des Freistaates Bayern ausgezeichnet. Unter den geförderten Publikationsvorhaben finden sich Lyrik-, Erzähl- und Comicbände ebenso wie die Geschichte einer potenziellen Amour fou sowie eine im 19. Jahrhundert angesiedelte gesellschaftskritische „biofiction“. Das Literaturportal Bayern stellt in den kommenden 11 Wochen jeweils zwei der Preisträgerinnen und Preisträger mit einem Porträt, der Laudatio und einem Textauszug vor.

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Armin Steigenberger, 1965 in Nürnberg geboren, schreibt vorwiegend Lyrik, veröffentlichte einen Roman und verfasst Theaterstücke. Er ist Mitherausgeber der Literaturzeitschrift außer.dem und Mitglied der Autorengruppe Reimfrei. Er schreibt Rezensionen, organisiert Lesungen sowie Schreibseminare und gestaltet die Sendung poesie[magazin] bei Radio Lora München 92,4. Neben Publikationen in Zeitschriften und Anthologien erschienen zahlreiche Einzelveröffentlichungen, als letztes sprich: malhorndekor und barbotine, Lyrikkooperation mit Frank Milautzcki, Black Ink Verlag, München 2021. Armin Steigenberger wurde u.a. mit dem 1. Preis des Irseer Pegasus ausgezeichnet. Er ist verheiratet und lebt in München.

Laudatio von Prof. Dr. Jürgen Daiber:

Armin Steigenbergers Lyrik umkreist ein weites thematisches Feld: von der teils klassisch anmutenden Naturbetrachtung zur politisch harschen Medienkritik, von den Kulturgütern der griechischen Antike bis hin zur pandemischen Gegenwart der mRNA-Impfstoffe und G+-Regelungen. Lyrik hat laut Steigenberger zu reagieren auf „eine Weltlage, die komplexer, undurchsichtiger und bedrohlicher denn je“ uns erscheint. Und das tut rohherz und antikkörper mit hoher Intensität, in souveräner Fusion von Natur- und Kulturpol. Im Gedicht charaki protokolle heißt es dazu in selbstbezüglicher Ironie: „äußerst knapp überflogen worden von einem schwarzweißen großen vogel! Ich werde ihn googeln, aus wissbegieriger rache. [...] standlauf oder strandlauf?“ Die Jury würdigt Steigenbergers Lyrik Fähigkeit zum „Crossover“ von umweltpolitischer, medialer und anthropologischer Motivik. Lesbares Ergebnis ist die überzeugende Gesamtkomposition einer Zivilisationskritik, die im berühmt berüchtigten Zeitalter der Postfaktizität notwendiger denn je erscheint. 

© Wolfgang Maria Weber/StMWK

Auszug aus rohherz und antikkörper, mein Beitrag zur Zerschönerung der Welt (Lyrikvorhaben)

marsop 1

man nehme etwas zeit, fallendes augustlaub & himmelfarbenes in sprenkeligem
spiegel. und blaue libellen schillern mit kurzen schwarzen flügeln, die waren
schon hier, würmabwärts, lange bevor es stählern krähte im hub. blauschwarze
paarungsflüge über urbanen brennnesseln. zitronenfalter tänzeln, flüchtig flugs
kleiner fuchs. es muss fisch geben, künden die blasen. rabenschreie, zotteliger
schoßhund quert und markiert die bank, wo ich schreibe. gartenmaschine pickt,
pickert. es farnt und faunt durchs freizeitland! sonne zurrt schatten beiseite. fisch
blubbert. s-bahn bullert nördlich. schiene klappert, peckt, würmkanal bis nach
nymphenburg. spaziergänger, damenparfum. rhythmisch das gefallene laub, wie
es treibt und strebt nach nordnordost. andere haben kupferne längere körper und
durchsichtige flügel. jetzt wird es still. wind fährt in die gräser.

 

Weltenbrand 3a

(...)

Neues Kurzarbeitergold wurde bereitgestellt. Jedes abkömmliche Abkommen
kam geradewegs hinein in die Abmoderation unseres Wirtschaftswachstums.
Die Lieferketten brachen zusammen.
Die Bauernfängerinnen gehen spazieren.
Die Wirtschaftswunder hinterließen
ökologische Fußabdrücke.

Manche sprechen auch vom Nichthimmel. Vom fadenscheinigen Papier.
Von Rabattsystemen. Immer was dabei für Tante und Hund. Und jeden Freigeist!
Und die outrierten Typewriterinnen von Diebesgedichten; die Hungerkünstler
mit Tütentulpen; die historisch Verunglückten mit Götterbeschau; die wortschöpfenden Sexarbeiter in ihren klammen Bruchbuden; die verklappten Schaumschwestern
in aller Damen Länder, mit dem Finger auf der nachgeschärften Wahrheit.

(...)