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11.01.2023, 10:05 Uhr
Katrin Diehl
Text & Debatte

Rebecca Faber holt Elizabeth Stuart nach vorne

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Rebecca Faber © Heike Fröhlich

Es ist ihr erstes Romanprojekt. Sie befindet sich auf Seite 60. Und obwohl es ihr erstes ist, hat sie einen stabilen Stand, wirkt sicher und gut orientiert innerhalb des Schreibprozesses. Das Ganze ist erst einmal open end getaktet, das bedeutet: schreiben ohne Zeitdruck, ohne Verlagsfestlegung. Und doch gibt es, und da spürt man auch die promovierte Literaturwissenschaftlerin, recht genaue Vorstellungen, Einordnungen, Ansprüche, vor allem das richtige Gefühl für literaturtauglichen Stoff, die Ortung ihres Schreiber*innenzustands, den strukturierten Plot-Plan (und das heißt nicht, dass man sich beim Schreiben nicht noch von seinen Protagonist*innen überraschen lassen könnte), denn Rebecca Faber ist ja auch Literaturvermittlerin (u.a. Mitbetreiberin der Lesereihe LIX), interessierte Mitmacherin von Texttreffen in diesen oder jenen Wohnzimmern, Küchen, hat mit anderen zusammen einen feministischen Blog (wepsert.de), ist auch journalistisch unterwegs... Und dass da jetzt vor ein paar Wochen in England die Queen gestorben ist, bringt sie und alle, die der Welt, die ihre werdende Story ausmacht, etwas abgewinnen können, dem Romangeschehen noch einmal ein Stück näher. Denn Rebecca Faber schreibt einen Prinzessinnen-Text. „Das Ganze hat plötzlich eine Aktualität erhalten, die ein bisschen verrückt ist: Wir haben jetzt also einen König Charles III. und ich schreibe über die Tochter von Charles I., deren Bruder Charles II. sein wird. Uns erreichte da also gerade über sämtliche Zeitungen eine Namenslinie aus einer längst vergangenen Zeit und alle Welt interessiert sich dafür.“

Und es klingt auch schon wirklich cool, was sich da textlich anbahnt. Das hat einmal mit dem historischen Stoff eines Englands des 17. Jahrhunderts zu tun, einer Ortszeit, die uns so fremd wie nahe ist, zudem hat Rebecca Faber da eine Person, eine Figur ausfindig gemacht, über die unsereins so gut wie gar nichts weiß („... es gibt nicht sehr viel über sie an Material ..., und was es gibt, habe ich gelesen ...“), deren Leben, gezeichnet durch krasse Schicksalsschläge, so viel an Gesellschafts- wie Sozialabläufen widerspiegelt wie es sich an erstaunlicher Individualität erkämpfte. Die Rede ist von der kleingewachsenen („auf den wenigen Gemälden, die es von ihr gibt, wird sie immer ‚geschönt‘“) Elizabeth Stuart, geboren 1635, Tochter Charles des I., die gerade einmal 15 Jahre alt geworden ist. „Bessie“ war in ihrem kurzen Leben – „aber es gibt ein gutes, ein wahnsinnig schönes Ende für sie“ – selbstverständlich den in diesen Kreisen für Mädchen wie Frauen auferlegten Zwängen ausgesetzt. Die Möglichkeit, sich Freiräume zu schaffen wie zu nutzen, bietet Rebecca Faber „ihrer“ Elizabeth sozusagen noch einmal im Nachhinein. So gewinnt sie ihr Gesicht zurück, ihre Individualität, eine Anerkennung eines bemerkenswerten, weiblichen Lebens. Elizabeth wird von ihrer Familie getrennt und wächst „unter der ‚Obhut‘ des Parlaments auf“ (der Arbeitstitel des Romans lautet Im Protektorat). Sie erfährt Privilegien und erhält Bildung und ist am Ende doch ein Spielball der politischen Umstände. Es kommen ungemütliche, umstürzlerische, blutige Tage, die aus Leser*innensicht natürlich erst einmal etwas sehr Fesselndes haben. Rebecca Faber komplettiert die ganze Geschichte durch den angesagten wie notwendigen feministischen Blick auf eine von Männern beherrschte Welt, der das Starke in einer Frau zu entdecken weiß (und deshalb kriegt auch Elizabeths bemerkenswerte Hauslehrerin Bathsua Makin, eine wichtige „Proto-Feministin“, ihren Auftritt).

Elizabeths Vater kommt 1649 unters Fallbeil, womit die Monarchie erst einmal – parlamentarischen, bürgerkämpferischen, cromwellschen Kräften sei Dank – zeitweilig unterbrochen war. Elizabeth ist tief erschüttert. Wobei Enthauptungen zu den gesellschaftlichen Ereignissen dieser Tage gehörten und die auch ins Kinderleben von Elizabeth hineinspielten. Rebecca Faber lässt sie sagen: „Mein Lieblingsspiel war Hinrichtung. Das war eins der Draußen-Spiele. Ich durfte der Scharfrichter sein. Das war gut, weil ich eine wichtige Rolle hatte. Charlie war König. Er stand auf einem Baumstumpf, ein Tischtuch als Mantel und eines von Mutters Diademen als Krone stibitzt. Der Apfel war ein Apfel und das Schwert ein Schwert. James kniete vor ihm. Hände auf den Rücken gefesselt mit einer Vorhangkordel. Die baumelnde Quaste sah lustig aus.“ Seit ein paar Monaten arbeitet Rebecca Faber als Frau für die Presse, das Programm und Veranstaltungen in der Monacensia, was ihr ganz wunderbar gefällt. Das Schreiben muss seine Zeit finden und wird sie finden.

 

In der Serie „Jung und schreibend“ stellen die LiteraturSeiten München junge Münchner Autor*innen vor. Der voranstehende Beitrag erschien dort zuerst in der Oktober-Ausgabe 2022.

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