„Bayern ist nicht (nur) München...“ (3). Von Petra Bartoli y Eckert und Gerda Stauner

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Schreiben zusammen einen Blog über die bairische Sprache in Form einer Email-Korrespondenz: Petra Bartoli y Eckert (l.) und Gerda Stauner.

Die in Niederbayern aufgewachsene Autorin Petra Bartoli y Eckert arbeitet in Form einer literarischen Email-Korrespondenz mit der Oberpfälzer Autorin Gerda Stauner auf, was die wunderbare und klangvolle Sprache in ihren jeweiligen Heimatbezirken ausmacht. Dabei zeigen sie besonders schöne Beispiele von Begriffen oder Redewendungen auf, die die Liebe der Menschen zu ihrer Heimat begreifbar machen. In ihren Texten driften die Autorinnen jedoch nicht in sprachwissenschaftliche Gewässer ab, sondern formulieren ihre Beiträge stets so, dass auch ein Zugezogener dem Geschriebenen gut folgen kann.

Mit der folgenden achtteiligen Blogreihe über die bairische Sprache beteiligen sich Petra Bartoli y Eckert und Gerda Stauner an „Neustart Freie Szene – Literatur“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung der Freien Szene in Bayern. Alle bisherigen Beiträge des Projekts finden Sie HIER.

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Über echte Menschen und die regional-bayerische Schickeria (3)

 

Von: Gerda Stauner
An: Petra Bartoli y Eckert
Betreff: Re: Re: Bayern ist nicht (nur) München. Und in München wird nicht (mehr) bayerisch gesprochen.

Liebe Petra,

ob ich dich mit meiner heutigen Nachricht heute zum Staunen bringen kann, ist fraglich. Wahrscheinlich wirst du eher schmunzeln, denn ich möchte dir heute nicht von Hausnamen, sondern von echten Menschen aus der Oberpfalz berichten. Die eine oder den anderen kennst du vermutlich.

Willibald Gluck wurde 1714 in der Nähe von Berching geboren und ist für seine Musik bekannt. Hast du schon einmal eine Oper von ihm gehört? Ich hatte vor einigen Jahren das Vergnügen, das Stück Ezio im stillgelegten Parkhaus der Nürnberger Oper erleben zu dürfen. Das Stück wurde damals neu interpretiert und jedem/r Sänger*in stand ein/e Schauspieler*in zur Seite, was die Musik auf eine ganz besondere Weise erlebbar machte. Es war eine Wucht, wie die Protagonist*innen durch die mit Planen abgehängten Parkdecks fegten. Die mittlerweile über 220 Jahre alte Oper wurde dabei in eine dystopische Welt verlagert. Ich selbst war tief beeindruckt und fragte mich damals, was Herr Gluck wohl zu dieser Inszenierung sagen würde. Vermutlich würde er sich wundern, dass es immer noch Kriege und Feldherren gibt und die Menschen in all den Jahren nicht gelernt haben, miteinander auszukommen.

Natürlich gibt es auch jede Menge Schiftsteller*innen, die hier in der Oberpfalz geboren wurden. Aber ich möchte dich hier nur auf zwei Namen hinweisen: die Dichterin Margret Hölle und den Schriftsteller Georg Britting, die sich beide nach München abgesetzt haben, was ich ihnen aber nicht übelnehme. Frau Hölle veröffentlichte ihre Gedichte in Oberpfälzer Mundart und wurde 2004 zu den Münchner Turmschreibern berufen. Georg Britting soll einmal über seine Geburtsstadt und meine Wahlheimat Regensburg gesagt haben, dass das Schönste hier die Zugverbindung nach München sei. So ganz ernst scheint er es nicht gemeint zu haben, denn er hat wunderbare Gedichte über die Donau geschrieben und das zeigt ja, dass es in Regensburg auch schöne Flecken gab und immer noch gibt.

Gleich zwei namhafte Kabarettistinnen wurden hier geboren: Sissy Perlinger und Lizzy Aumeier. Es freut mich sehr, dass unter den Persönlichkeiten, die aus der Oberpfalz kommen, so viele Frauen sind, die sich den Mund nicht verbieten lassen. Dieser Liste würde ich gerne noch Anna Maria Sturm hinzufügen, die als Schauspielerin wohl deutschlandweit bekannt ist. 2018 spielte sie im Film Wackersdorf mit und lieh dafür dem Widerstand gegen die von Franz-Josef Strauß geplante Wiederaufbereitungsanlage ihr Gesicht.

Mit der Bürgerbewegung gegen die WAA wurde Wackersdorf übrigens Mitte der 1980er-Jahre schlagartig berühmt und war über einen langen Zeitraum fast wöchentlich in der Tagesschau vertreten. Nicht zuletzt die riesigen Openairs mit Künstlern wie Udo Lindenberg, Rio Reiser oder den Toten Hosen brachten Hunderttausende zum Feiern und Demonstrieren in die Oberpfalz.

Ach, und natürlich darf ich die Konnersreuther Resl nicht vergessen. Therese Neumann, wie sie mit bürgerlichem Namen hieß, erlangte durch ihre Stigmata eine gewisse Bekanntheit. Die Wundmale begannen regelmäßig an Ostern zu bluten und dies löste im 20. Jahrhundert regelrechte Wallfahrten nach Konnersreuth aus.

Wenn du dich jetzt fragst, wo der Glamour-Faktor in der Oberpfalz bleibt, muss ich dich leider enttäuschen. Die große, weite Welt brachte zuletzt Elvis Presley hierher, als er 1958 sieben Wochen lang für ein Manöver in Grafenwöhr stationiert war. Aber bekanntlich ist der ja auch kein Oberpfälzer …

Ich freue mich schon sehr auf die Exoten aus Niederbayern!

Bis bald und liebe Grüße

Gerda

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Gerda Stauner
Freie Autorin

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website: www.gerda-stauner.de

 

 

Von: Petra Bartoli y Eckert
An: Gerda Stauner
Betreff: Re: Re: Bayern ist nicht (nur) München. Und in München wird nicht (mehr) bayerisch gesprochen.

Liebe Gerda,

ich muss schon sagen: Wirklich beeindruckend, welche Persönlichkeiten die Oberpfalz hervorgebracht hat! Jetzt lade ich dich ein, einen Blick über die Grenzen deines Regierungsbezirks nach Niederbayern zu werfen. Auch wenn man sich natürlich oft erst einmal da umsieht, wo man herkommt: „Das Blatt auf dem die Raupe lebt, ist für sie eine Welt, ein unendlicher Raum.“ Nein, ich wollte dir nicht zu nahe treten, sondern elegant überleiten. Denn dieses Zitat stammt von einem wahrlich berühmten Niederbayern, nämlich vom Philosophen Ludwig Feuerbach, der 1804 in Landshut geboren wurde. Doch nicht nur Philosophen, auch Weissager gab es in Niederbayern. Der Mühlhiasl, vermutlich Sohn von Mühlenpächtern aus Niederbayern, gilt als sagenumwobene Gestalt. Er lebte Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts im Bayerischen Wald. Ihm wurden seherische Fähigkeiten zugeschrieben. Seine Prophezeiungen sollen ziemlich genau den Beginn der beiden Weltkriege vorhergesagt haben. Das zeigt also schon: Was berühmte, bekannte oder auch exotische Persönlichkeiten betrifft, steht Niederbayern der Oberpfalz in nichts nach!

Natürlich beheimatet(e) Niederbayern auch Menschen der schreibenden Zunft. Allen voran Emerenz Meier. 1874 im Bayerischen Wald geboren, zählt sie zu den wohl bedeutendsten Schriftstellerinnen Bayerns. Auch wenn sie in ihrer bäuerlich geprägten Heimat zu Lebzeiten als „narrische Verslmacherin“ verschrien war. Ja, die Niederbayern sind da manchmal nicht sehr zimperlich! Dagegen war der Ruf die Wahlniederbayerin und Kinder- und Jugendbuchautorin Mirjam Pressler tadellos. Über vierzig Jugendbücher stammen aus ihrer Feder. Die gebürtige Hessin lebte die letzten Jahre ihres Lebens in Landshut. Ich hatte die Ehre, sie auf einer ihrer Lesungen kennenzulernen. Sie hat mir nach der Veranstaltung sogar ein paar Ratschläge – von berühmter zu sich damals noch in den Anfängen befindender Autorin – gegeben. Drei von ihr signierte Bücher darf ich mein Eigen nennen – worüber ich mich sehr freue, weil ihre Romane mich durch meine Jugend begleitet haben.

Du erzählst, dass einige Kabarettist*innen aus der Oberpfalz kommen. Da wage ich mal zu entgegnen: Humor auf deutschsprachigen Bühne wäre viel weniger facettenreich ohne die Niederbayern! Denn von dort kommen etliche hochkarätige Kabarettisten und Kabarettistinnen: Bruno Jonas aus Passau, Django Asyl aus Hengersberg bei Deggendorf, Luise Kinseher aus Geiselhöring, Martin Frank aus Hutthurm bei Passau, Ottfried Fischer aus Ornatsöd bei Passau, Sigi Zimmerschied aus Passau – ach, ich könnte noch ewig so weitermachen. Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollzählig. Niederbayern haben eben Humor!

Zum Schluss nun noch ein wenige Glamour aus Niederbayern: Rex Gildo, der Schlagersänger mit dem bürgerlichen Namen Ludwig Franz Hirtreiter, stammte aus Straubing. Auch wenn ich andere Musik bevorzuge, so habe ich doch gerade sein „Fiesta Mexicana“ im Ohr. Und natürlich darf hier auch der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, ein gebürtiger Landshuter, nicht unerwähnt bleiben. Du siehst also: Niederbayern sorgen doch hin und wieder für ein bisschen Glitzer.

Nun hoffe ich, dass ich dich auch etwas beeindrucken konnte.

Es grüßt dich herzlich

Petra

email Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
website www.petra-bartoli.de 

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Die Autorin Petra Bartoli y Eckert ist Wahloberpfälzerin, im Herzen aber Niederbayern immer treu geblieben. Sie ist 1974 in der Nähe von Regensburg geboren und im Landkreis Straubing-Bogen aufgewachsen. 1994 zog sie für ihr Studium nach Regensburg. Mittlerweile hat sie in Peripherie der Stadt an der Donau Wurzeln geschlagen und lebt dort mit ihrem Mann und ihrer Tochter. Etliche Jahre arbeitete sie als Sozialpädagogin mit verhaltensoriginellen Kindern und Jugendlichen. Dann entschied sie sich für eine Ausbildung zur Drehbuchautorin und mischte ihre beruflichen Karten neu. Seit 2008 ist Petra Bartoli y Eckert als freie Autorin tätig, schreibt Kinder- und Jugendliteratur, erzählende Sachbücher und Fachliteratur. Daneben arbeitet sie an Stoffen für Rundfunk und Fernsehen. 2022 ist ihr neuestes Buch Zum Glück zu Fuß – Begegnungen auf der Suche nach dem guten Leben (Ueberreuter) erschienen. Dafür war die Autorin mit dem Rucksack und zu Fuß in Bayern, Baden-Württemberg und Österreich unterwegs und hat Menschen interviewt, die besonders zufrieden sind. Petra Bartoli y Eckert wurde 2012 mit dem SOS-Kinderliteraturpreis ausgezeichnet.

Die 1973 in der Oberpfalz geborene Gerda Stauner lebt seit 1999 in Regensburg, ist verheiratet und hat einen Sohn. Nach dem Abitur studierte sie in Rosenheim Betriebswirtschaft. Zeitgleich mit ihrem Umzug nach Regensburg eröffnete sie das Themenhotel „Künstlerhaus“. Ihr erster Roman Grasmond erscheint 2016 im SüdOst Verlag. Darin setzt sich die Autorin mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die Menschen in der Oberpfalz auseinander. Ihre Texte beschäftigen sich mit den Themen Heimat, Identität und Vertreibung und lassen die jüngere Vergangenheit der Oberpfalz bildhaft wieder aufleben. Die Figuren für ihren zweiten Roman Sauforst – Vom Suchen und Finden der Heimat entstanden in Anlehnung an ihren eigenen Familienstammbaum. Wolfsgrund – Eine Spurensuche erscheint im März 2019 und bildet den Abschluss der Trilogie um die Familie Beerbauer. Gerda Stauner ist erfolgreich mit unterschiedlichen Leseformaten an Schulen, Bibliotheken und bei Kulturveranstaltungen unterwegs. Sie gibt ihr Wissen in Schreibkursen weiter und engagiert sich in der Lese- und Schreibförderung für Jugendliche. 2018 vergibt die Stadt Regensburg den Kulturförderpreis an Gerda Stauner für ihr literarisches Schaffen und ihr kulturelles Engagement. Weitere Förderungen folgten.

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