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Ursula Krechel erhält Jean-Paul-Preis 2019 für ihr Lebenswerk

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Kunstminister Bernd Sibler überreicht die Urkunde beim Festakt. Foto: Andreas Gebert

„Aufarbeitung von Traumata, Schuld und Verdrängung durch akribisch recherchierte und literarisch gestaltete Erinnerung“

MÜNCHEN. Den Jean-Paul-Preis für ihr Lebenswerk erhielt diesen Montag die Schriftstellerin Ursula Krechel aus den Händen von Kunstminister Bernd Sibler. Bei einem Festakt in Schloss Nymphenburg überreichte der Minister die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung des Freistaats an die Autorin. Diese wird alle zwei Jahre, in diesem Jahr zum 19. Mal, verliehen. Der Freistaat würdigt damit das literarische Gesamtwerk einer deutschsprachigen Schriftstellerin bzw. eines deutschsprachigen Schriftstellers. „Ursula Krechel ergreift das Wort für diejenigen, die in der deutschen Nachkriegsgeschichte kaum eine Stimme haben. Sie spricht an, was bewusst verschwiegen wurde“, betonte Sibler. Ursula Krechel recherchiere akribisch und arbeite durch literarisch gestaltete Erinnerung die Versehrungen durch Traumata, Schuld und Verdrängung auf, die in unserer Gesellschaft bis heute wirksam seien. „Mit ihrem Lebenswerk hat sie die deutschsprachige Literatur bereichert, geprägt und verändert“, so der Minister.

Zur Preisträgerin:

Ursula Krechel wurde 1947 in Trier geboren. Die studierte Germanistin, Theaterwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin trat Ende der 1970er mit ersten Lyrikveröffentlichungen hervor. Die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Sie lebt in Berlin, wo sie die Werkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums leitet.

Fotos: Andreas Gebert

Ursula Krechels Lebenswerk, so die Jury, „begleitet und kommentiert die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit den frühen siebziger Jahren.“ Ganz gleich, ob Krechel Gedichte oder Theaterstücke schreibe, ob Essays oder Romane, ihr Werk sei immer der sprachlichen Genauigkeit verpflichtet, ebenso einer im besten Sinne aufgeklärten kritischen Zeitgenossenschaft. Ihr umfangreiches lyrisches Werk sei Ausdruck einer ganzen Generation und findet seine Resonanzen weit über diese Generation hinaus. Ursula Krechel sei nie bestimmten und kurzweiligen literarischen Moden nachgegangen. Am Anfang ihrer Karriere habe sie zu den ersten feministischen Autorinnen in der Bundesrepublik gehört und habe auf diese Weise wichtiges literarisches Neuland eröffnet. Mit ihren jüngsten drei großen Romanen wiederum habe sie eine großartige Trilogie vorgelegt, die die Jahre während und auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur nachzeichne und die nachwirkende Ideologie des „Dritten Reiches“ in der jungen bundesdeutschen Gesellschaft erkunde. In der Bewertung der Jury heißt es: „Ursula Krechel schildert die Anfangsjahre der Bundesrepublik mit großer Empathie für die Verleumdeten, die Geflohenen und die Entrechteten. Ihre Literatur leistet unverzichtbare Erinnerungsarbeit. Sie gibt denen – in der Kunst – eine Stimme, die anderweitig kein Gehör fanden und finden. In einer Zeit, in der die besondere Erinnerungskultur in diesem Land wiederholt öffentlich in Frage gestellt wird, sind Ursula Krechels Romane von großer Relevanz.“

Vor Ursula Krechel wurden bisher u.a. Friedrich Dürrenmatt, Botho Strauß, Horst Bienek, Hermann Lenz, Günter de Bruyn, Brigitte Kronauer, Petra Morsbach, Gerhard Roth und Alexander Kluge ausgezeichnet. Der Jury gehören derzeit an: Dr. Katrin Lange, Niels Beintker, Thomas Geiger, Dr. Holger Pils und Prof. Dr. Stephanie Waldow.

 

Laudator Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Stolleis. Foto: Andreas Gebert