Info
Geb.: 23. 6.1906 in Greifswald
Gest.: 15.3.1996 in München
Fotografie (Farbdia) Januar 1987 (Bayerische Staatsbibliothek München/Timpe)
Titel: Dr. h.c.
Namensvarianten: Wolfgang Arthur Reinhold Köppen; Jakob Littner

Wolfgang Koeppen

Als unehelicher Sohn einer Näherin und eines Dozenten der Augenheilkunde wird Wolfgang Arthur Reinhold Köppen alias Wolfgang Koeppen in Greifswald geboren. Er wächst bei seinem Onkel, dem preußischen Regierungsrat Theodor Wille, in Ortelsburg in Masuren auf, besucht dort das Realgymnasium und kehrt 1919 mit seiner Mutter wieder nach Greifswald zurück. Aus finanziellen Gründen muss er auf die Mittelschule wechseln. Er verlässt sie und arbeitet als Laufjunge in einer Buchhandlung. Danach begibt er sich auf Reisen, heuert als Schiffskoch an, wird Fabrikarbeiter, Platzanweiser im Kino, ehe er – nicht immatrikuliert – in Hamburg, Greifswald, Berlin und Würzburg zu studieren beginnt. Da seine Mutter als Souffleuse am Greifswalder Stadttheater tätig ist, bietet sich Koeppen die Chance als „Schauspieler-Volontär“. Er erhält eine Stelle als Inspizient und Charge am dortigen Theater, bis er 1924 am Theater in Wismar ein Engagement bekommt.

Der Traum, Regisseur zu werden, erfüllt sich jedoch nicht, so dass Koeppen nach Berlin geht, wo er sporadisch für die Presse schreibt und im Glühlampensaal bei Osram jobbt. Nach dem Tod seiner Mutter ist Koeppen 1926/27 Dramaturgie- und Regieassistenz am Stadttheater Würzburg – er kann sich aber nicht durchsetzen und geht nach Berlin, wo er Anschluss an Piscators Dramaturgisches Kollektiv und zahlreiche Prominente des Künstlerlebens findet, u.a. Bert Brecht, Johannes R. Becher und Gottfried Benn. Ab 1932 gehört er als festes Redaktionsmitglied dem Berliner Börsen-Courier an. 1933 ist er auf Kurzbesuch in München und schreibt ein Lied für das Kabarett Die Pfeffermühle.

Während einer Italien-Fahrt begonnen, erscheint 1934 sein Erstlingsroman Eine unglückliche Liebe bei Bruno Cassirer. Der Roman enthält bereits die für das Gesamtwerk charakteristischen Themen: den Gegensatz zwischen Künstler und Bürger, Identitätsprobleme, den Konflikt zwischen Sinnlichkeit und Vernunft sowie Reisen als grenzüberschreitende Selbsterfahrung. Nach dem Röhm-Putsch geht Koeppen nach Holland, schreibt dort seinen zweiten Roman Die Mauer schwankt (1935), hält Kontakte zu Erika und Klaus Mann und kehrt, da er keine Existenzgrundlage findet, 1938 nach Deutschland zurück. In Berlin verfasst er Drehbücher für die UFA und ab 1941 für die Bavaria Filmkunst. Als man ihn denunziert und seine Berliner Wohnung im Krieg zerstört wird, taucht Koeppen unter. Um der Einberufung zu entgehen, lebt er von 1944 an in Feldafing, wo er mit seiner späteren Frau Marion Ulrich, Tochter eines Münchener Rechtsanwalts, zusammenlebt. Seit Kriegsende wohnt er in München, von längeren Reisen durch Europa und die USA unterbrochen.

Während sein für die eigene Biografie angeeigneter Bericht eines jüdischen Überlebenden zunächst ohne Resonanz bleibt (Aufzeichnungen aus einem Erdloch von Jakob Littner, 1948; Neuaufl. 1992 unter Koeppens Namen), gelingt Koeppen mit der Nachkriegstrilogie Tauben im Gras (1951), Das Treibhaus (1953) und Der Tod in Rom (1954) der literarische Durchbruch: Entworfen als vielschichtiges Tableau der restaurativen bundesdeutschen Nachkriegsjahre, zusammengefügt durch Montage, inneren Monolog und filmische Simultanität an einem einzigen Tag des Jahres 1951 in München, zeigt Tauben im Gras die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Widersprüche der Zeit. Dagegen handelt Das Treibhaus vom politischen Alltag im Bonner Parlament, über einen aus dem Londoner Exil zurückgekehrten Intellektuellen, Dichter und sozialdemokratischen Abgeordneten, der an der restaurativen politischen Kultur zerbricht. Inhaltlich radikaler demonstriert Der Tod in Rom die früheste, literarisch-kritische Verarbeitung des Faschismus-Themas in Deutschland in der Figur eines untergetauchten SS-Massenmörders und Waffenhändlers.

Vermittelt durch Alfred Andersch bekommt Koeppen 1955 Aufträge zu Reisebeschreibungen für den Süddeutschen Rundfunk. Es erscheinen die Reiseberichte Nach Rußland und anderswohin (1958), Amerika-Fahrt (1959) und Reisen nach Frankreich (1961). Elf Jahre danach kommt sein Prosaband Romanisches Café (1972) heraus, ein aus schon veröffentlichten Erzähltexten zusammengestelltes Panorama von Momentaufnahmen und Alltagsbildern, bis Koeppen 1976 sein autobiographisches Alterswerk Jugend publiziert, mosaikartig zusammengefügte Erinnerungen und Fragmente seiner Jugend zwischen 1908 und 1924, die schnell zum Bestseller werden.

Für sein literarisches Werk wird Wolfgang Koeppen u.a. mit dem Förderpreis Literatur der Stadt München (1961), dem Georg-Büchner-Preis (1962), dem Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1965), dem Immermann-Preis (1967), dem Hauptstipendium des Europa-Forums für Literatur der Deutschen Schiller-Stiftung (1977), dem Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München (1982) sowie dem Arno-Schmidt-Preis (1983) ausgezeichnet.

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Nordfriedhof in München.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Koeppen, Wolfgang. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000008477, (20.11.2011).

Meid, Volker (20062): Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Stuttgart, S. 542f.

Meissner, Toni (2004): Wolfgang Koeppen (23.6.1906 – 15.3.1996). Epischer Analytiker der Ära Adenauer. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 198-200.

Kraft, Thomas (Hg.) (2003): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 2. Nymphenburger Verlag, München.


Externe Links:

Literatur von Wolfgang Koeppen im BVB

Literatur über Wolfgang Koeppen im BVB

Interview

Aufsatz zu Wolfgang Koeppen

Artikel bei Spiegel Online

Schlagwort Wolfgang Koeppen in Zeit Online

Sprache, Stil, und Thematik in Wolfgang Koeppens Tauben im Gras

Wolfgang Koeppen in der Diskussion

Wolfgang-Koeppen-Figurenlexikon

Wolfgang-Koeppen-Archiv Greifswald

Koeppenhaus

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