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08.08.2019, 11:34 Uhr
Klaus Hübner
Text & Debatte
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Johannes Wilkes: Das kleine Isar-Buch. Geschichte, Orte und Menschen von der Quelle bis zur Mündung. Friedrich Pustet Verlag, Regensburg, 2018, 208 S., € 19,95

„Das kleine Isar-Buch" von Johannes Wilkes

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Isar-Wasser (1908), Gemälde von Otto Strützel

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern. In der 136. Ausgabe stellt der Publizist Klaus Hübner „Das kleine Isar-Buch" von Johannes Wilkes vor.

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Ist die Donau ein bayerischer Fluss? Ja. Aber auch ein serbischer. Oder ein rumänischer. Ist der Main bayerischer als die Donau, weil sein unterster Unterlauf nur ganz kurz ins Hessische abirrt? Eigentlich schon. Welcher Fluss ist am allerbayerischsten? Inn, Lech, Altmühl, Regnitz, Naab, Wörnitz, Rodach? Oder gar die Ilz?

Schwierige Fragen! Und außerdem gibt’s da noch eine 295 Kilometer lange Konkurrenz. Der Mediziner und Reiseschriftsteller Johannes Wilkes beginnt sein Buch mit dem Satz: »Die Isar ist vielleicht der bayerischste aller Flüsse«. Man beachte das »vielleicht«! Wilkes ist von Scharnitz bis Deggendorf geradelt und hat ein humorvolles, amüsantes, witziges Büchlein geschrieben, mit trefflichen Fotos, hilfreichen Info-Kästen und einem nützlichen Anhang.

So what? Noch ein Isar-Buch? Ja, unbedingt! Man schmunzelt über seine Sicht auf den berühmten »Problembär Bruno«, bewundert seine Würdigung des fast vergessenen Ernst Wiechert und lacht sich scheckig über seine Kurzversion des Nibelungenlieds. Man erfährt, weshalb die »Lüftlmalerei« so heißt, wie sie heißt. Die Hohenburg in Lenggries anschauen? »Das Schloss mit schönem Barockgarten ist intakt, aber nicht zu besichtigen, die Burg ist zu besichtigen, aber nicht mehr intakt.« In der Pupplinger Au brütet die Flussseeschwalbe, an der dem Autor besonders auffällt: »Welcher andere Vogel kann schon ein dreifaches S aufweisen?«

Höchst erfreulich und auch durch die Kapiteleinteilung hervorgehoben ist, dass Johannes Wilkes, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Isar-Schriftstellern, wirklich begriffen hat, dass die Isar nicht bei Freimann oder Garching endet. Freising, Moosburg, Landshut, Dingolfing, Landau und Plattling sind ebenso Isarstädte wie Bad Tölz oder Wolfratshausen, und hier kommen sie zu ihrem Recht. Nicht nur die Städte. Kennen Sie das Kaffeekannenmuseum in Oberaichbach? Den wachsenden Felsen von Usterling? Das Velodrom von Niederpöring? Waren Sie schon in den weitgehend im natürlichen Zustand belassenen Auwäldern an der Isarmündung? Mit diesem Büchlein, das jede Menge Anregungen zum genüsslichen Nachradeln enthält, kommen Sie problemlos hin.

Viele historische Gestalten haben ihren Auftritt, Arbeo von Freising zum Beispiel, der Geigenbauer Matthias Klotz, Ludwig Ganghofers Jäger von Fall, Thomas Mann und Familie, die Heiligen Emmeram und Kastulus, der letzte Stauferspross Konradin oder der Landauer Pfarrer Johann Baptist Huber, der im Dritten Reich mutig gegen das Unrecht kämpfte und von den Nazis in den Tod getrieben wurde. »Zu jedem Kriegerdenkmal sollte man ein Denkmal der Aufrechten stellen«, meint Johannes Wilkes. »Ihre Namen erscheinen doch mindestens so wichtig.«

Wen Kulturgeschichte interessiert, der liegt hier richtig – wobei die allerjüngste Vergangenheit nicht ausgeklammert wird. Auch das Wolfratshauser Frühstück vom 11. Januar 2002 kommt vor – Karin, Edmund und Angie, Sie erinnern sich? –, die Bavaria Filmstadt, die in der Waldwirtschaft Pullach begonnene Biergartenrevolution von 1995, das Atomkraftwerk Isar II oder das legendäre Goggomobil. Und natürlich Uschi Glas, geboren 1944 in Landau an der Isar.

Alles drin! Wunderbar! Wo bleibt die Kritik? Na ja, auf den Franz Beckenbauer aus Giesing könnte ein kleines Isar-Buch nach meinem Geschmack locker verzichten, und das schöne Landshut hätte erheblich mehr zu bieten als Martinskirche und Burg Trausnitz – das Kloster Seligenthal zum Beispiel, keine 200 Meter vom Isarufer entfernt, wird nicht mal erwähnt. Der Sendlinger Mordweihnacht von 1705 wird angemessen gedacht – dass die gegen die Kaiserlichen aufbegehrenden Bauern und Jäger aus dem Oberland »immer die Isar aufwärts« gezogen sein sollen, ist nichts weiter als eine peinliche Unaufmerksamkeit, eigentlich nicht der Rede wert.

Dieses grundsympathische kleine Isar-Buch ist äußerst lesenswert – und außerdem ein geradezu ideales Geschenk, für Zuagroaste und für Hiesige.