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Zum 80. Todestag: Hans Beimler – der Kommissar aus der Oberpfalz. Eine literarische Erinnerung

Als Hans Beimler[1] als „politischer Kommissar aller deutschen Bataillone“ und „Brigadista International“ am 1. Dezember 1936 seine am Westrand von Madrid liegenden Truppen aufsuchte, ereilte ihn durch eine feindliche Kugel sein Schicksal. Und Ernst Busch, der „Barrikaden-Tauber“, sang in seinem Chanson Vor Madrid im Schützengraben:[2]

Seine Heimat musst er lassen
Weil er Freiheitskämpfer war
Auf Spaniens blut‘gen Strassen
Für das Recht der armen Klassen
/: Starb Hans, der Kommissar. :/

Das republikanische Spanien war erschüttert. Über zwei Millionen Menschen nahmen vom Tag der Aufbahrung in Madrid bis zu seiner Beisetzung auf dem Bergfriedhof Montjuie in Katalonien Abschied von Hans Beimler. 300 000 Menschen gaben ihm das Geleit. Kein spanischer König ist jemals zuvor mit so großer Anteilnahme zu Grabe getragen worden.

Während besonders nach 1945 in der DDR vielleicht die Erinnerung an den Linksintellektuellen Hans Beimler etwas überzogen („Hans-Beimler-Medaille“) und legendär verklärt war,[3] setzte eine objektive Berichterstattung und Aufarbeitung des gebürtigen Münchners und in der Oberpfalz Aufgewachsenen erst nach 1989 ein.[4]

        

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Geboren wurde ich auch einmal, und zwar am 2. Juli 1895 in München. Da meine Mutter eine ledige Köchin[5] war, wurde ich mit drei Wochen meinen Großeltern, einer Schlossermeister-Familie in Waldthurn, einem kleinen Marktflecken in der Oberpfalz, übergeben. In diesem Winkel, wo die Bevölkerung so gut katholisch wie die Not groß war, lebte ich bis zu meinem 16. Lebensjahr. Selbstverständlich durfte ich kein Konditor werden, wenn alle meine „männlichen“ Verwandten bis zum Urgroßvater Schlosser waren. Ich wurde also auch Schlosser.[6]

Aufgrund seiner Armut schlief das Baby in einer Holzkiste, so dass Hans Beimler im oberpfälzischen Waldthurn (Lkr. Neustadt a.d. Waldnaab) zeitlebens der Spitzname „Kistenboibl“ blieb.[7] Als nichteheliches Kind der Köchin Rosina Beimler wird er in eine Zeit geboren, die brutal mit ihm umgeht. Aber er lässt sich nicht unterkriegen. Nach der Gesellenprüfung bei seinem Onkel, dem Beimler-Schlosser, lernt der damals Sechzehnjährige auf der Wanderschaft Land und Leute kennen und lässt sich schließlich in München nieder. Dort tritt er dem Deutschen Metallarbeiterverband bei.

Natürlich wird Hans Beimler 1914 eingezogen und als Minensucher (zuletzt „Maat“, d.h. Unteroffizier) eingesetzt. In der deutschen Revolution von 1918 ist er schon involviert. Als Matrose der Roten Armee unterstellt er sich der bayerischen Räterepublik. Sein Weg ist damit vorgezeichnet.

1928 übernimmt Beimler in Augsburg die Leitung des KP-Unterbezirks und wird 1929 auch KP-Stadtrat. 1930 wird er KP-MdL und 1932 KP-MdR. Nach dem Reichstagsbrand kommt Hans Beimler am 25. April 1933 ins neugegründete „KL Dachau“. Seine mit den triumphierenden Worten „Den Beimler ham ma“ begleitete Festnahme verbreitet sich in München wie ein Lauffeuer. Über das Martyrium, dem die KZ-Häftlinge ausgesetzt sind, berichtet er in seiner Broschüre Im Mörderlager Dachau. Vier Wochen in den Händen der braunen Banditen.[8] Es ist der erste authentische Bericht über die Zustände in einem faschistischen Konzentrationslager. Und das Unglaubliche passiert: Hans Beimler gelingt am 9. Mai 1933 eine tollkühne, abenteuerliche Flucht. Seine Mittel: die handwerkliche Geschicklichkeit des Schlossers, seine Kaltblütigkeit und mutige Entschlossenheit, das Unwahrscheinliche zu vollbringen.

Nach gefahrvollen Wochen des Unterschlupfs kann Hans Beimler die tschechoslowakische Grenze überschreiten. Geiseln in Deutschland bleiben jedoch seine Frau Centa und deren Schwester Maria. Über die Sowjetunion, Paris und Zürich meldet sich nach Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 Hans Beimler im August in Barcelona. Dort organisiert er die erste Formation deutscher antifaschistischer Freiwilliger, die unter dem Namen „Centuria Thälmann“ an der Seite der spanischen Republikaner kämpft. Im November 1936 wird Hans Beimler zum politischen Kommissar aller deutschen Bataillone der Internationalen Brigade ernannt. Dort soll ihn jedoch am 1. Dezember 1936 der Tod durch eine aus dem Hinterhalt abgeschossene Kugel ereilen. Bald jedoch kommen berechtigte Gerüchte auf, die Kugel sei von einem russischen GPU-Agenten abgefeuert worden.

 

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Gedenken an Hans Beimler. Bild: fvo

In der deutschen Literatur führt Stefan Andres (1906-1970) mit Wir sind Utopia (1943) die Leser in den spanischen Bürgerkrieg von 1936. Der linkskatholische Dichter, der Theologie studiert hatte, stellt hier die Frage, ob gegenüber einem Menschen, der sich in den Dienst eines inhumanen Systems gestellt hat, Verzeihung möglich ist. Aber auch andere Schriftsteller melden sich zu Wort: Zwar hat Bert Brecht nicht selbst – wie seine Kollegen Ludwig Renn, Erich Weinert, Gustav Regler oder Erich Arendt – am spanischen Bürgerkrieg teilgenommen, aber nach einem Kurzbesuch schrieb er 1937 den Einakter Die Gewehre der Frau Carrar. Hermann Kesten legte mit seinem Roman Die Kinder von Gernika (1939) ein Bekenntnis zu Humanität und Freiheit ab. In der jüngeren deutschsprachigen Literatur ist es der Österreicher Erich Hackl (Jg. 1954) mit seinem Roman Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick (1999), der das Schicksal eines österreichischen Spanienkämpfers beleuchtet, dessen Lebenslinien von Spanien (1937) bis ins oberpfälzische Schwandorf (1945) führen.

Der Schriftsteller Alfred Andersch setzte Hans Beimler in seinem autobiographischen Bericht Die Kirschen der Freiheit (1952) ein literarisches Denkmal, das dessen Münchner Zeit berührt. Nicht zu vergessen der Welt-Bestseller Wem die Stunde schlägt (1940) von Ernest Hemingway (1899-1961), in dem der US-amerikanische Guerilla Robert Jordan auch auf den deutschen Revolutionär Hans trifft, der eindeutig Züge von Hans Beimler trägt.

Sowohl in seiner literarischen Lebensgeschichte Das Ohr des Malchus (1958) als auch in seinem Roman einer Internationalen Brigade. Das große Beispiel (1940, engl. The Great Crusade) schildert der Schriftsteller Gustav Regler (1898-1963) die Begegnungen im Spanischen Bürgerkrieg sowohl mit Hans Beimler, Ludwig Renn als auch Ernest Hemingway. Gustav Regler hatte nach dem I. Weltkrieg in München Philosophie und Geschichte studiert und in den 1920ern zeitweise in Nürnberg gelebt. Erwähnt sei hier auch noch der bereits 1933 in USA emigrierte deutsch-jüdische Exilschriftsteller Stefan Heym (1913-2001), später in der DDR lebend, der in einem politischen Gedicht-Zyklus, 1937 erschienen in der Literaturzeitschrift Das Wort, ebenfalls Beimler gedenkt.

Dem Gedächtnis des „Romanzeros“ Hans Beimler gelten die Verse des spanischen Dichters Rafael Albertis (1902-1999), der nach dem spanischen Bürgerkrieg in Argentinien lebte, aber oft auch in Deutschland auftrat:

Rotfront! Rief der Held.
Hans Beimler fiel zur Erde.
Spanier hatten ihn vernommen.
Deutsche hatten ihn vernommen.
[...]
Zu Kastiliens treu beschützter Erde,
der von weit her kam,
hier sein Blut zu säen –
Rotfront!

Einfühlsam und anschaulich schildert der pädagogisch wertvolle DEFA-Kinderfilm Die Sprungdeckeluhr (1990) von Gunter Friedrich (Regie) und Jochen Nestler (Drehbuch) das Verhältnis des verfolgten Abgeordneten Hans Beimler zu seinen zwei Kindern im München des Jahres 1933. Getreu dem Motto des sozialkritischen Max von der Grün in Kindheit und Jugend im Dritten Reich – Wie war das eigentlich? Was bleibt ist der Name eines Mannes, der den persönlichen Mut hatte, der Hitlerdiktatur Widerstand zu leisten und der Welt kundzutun, was in deutschen Konzentrationslagern während der NS-Zeit geschah.

 

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[1] Stern, Antonia (1957): Hans Beimler – Ein Lebensweg. Paris. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Beimler.

[2] Hans Beimler-Lied. Text: Ernst Busch, Musik: Ich hatt' einen Kameraden von Friedrich Silcher (1827). Zit. n. Busch, Ernst (Hg) (1938): Canciones de las Brigadas Internationales, 5. Aufl. Barcelona, S. 31. Neuere Fassung nach Busch, Ernst (1967): Spanien – Venceremos. Aurora 5 80 023.

[3] TV-Mini-Serie (DFF) Hans Beimler: Kamerad, DDR 1969 (Regie: Rudi Kurz), sowie Film Spanien im Herzen – Hans Beimler und andere, DDR 1986, 45 Min. (Regie: Karlheinz Mund).

[4] Mayer, Markus (2000): Lieber unter Kugeln sterben! Der bayerische Kommunist Hans Beimler. In: Bayern, Land und Leute, Bayern 2, Sonntag, 12. März.

[5] Hans Beimlers unehelicher Vater war Landarbeiter.

[6] Vgl. das Lebensbild Hans Beimler in Leber, Annedore (Hg.) (1959): Das Gewissen entscheidet – Berichte des deutschen Widerstandes von 1933-1945 in Lebensbildern. Büchergilde Gutenberg.

[7] Schmidbauer, Georg (2006/07): Hans Beimler aus Waldthurn – ein unerschrockener Kämpfer gegen den Faschismus. In: Oberpfälzer Heimat 51, S. 101-112. Vgl. ergänzend: „jb“ (2011): Mutiger Freiheitskämpfer aus Waldthurn. Georg Schmidbauer befasst sich mit Hans Beimler. In: Der neue Tag (Weiden i.d.OPf.), Lokales, 7. Dezember.

[8] Erschienen im August 1933 in Moskau. Neuauflage kommentiert und um eine biographische Skizze ergänzt von Friedbert Mühldorfer (Köln 2011).