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Tukan-Preis der Stadt München 2020 geht an Markus Ostermair

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"Der Sandler", Osburg Verlag

Der diesjährige Tukan-Preis wird an Markus Ostermair für seinen Roman Der Sandler (Osburg Verlag) vergeben. Auf eindrucksvolle und einprägsame Weise versteht es der Münchner Autor dabei, obdachlosen Menschen in einer Wohlstandsgesellschaft wie München Stimme und Würde zu verleihen. Die Vergabe hat der Kulturausschuss des Stadtrats jetzt auf Empfehlung einer Jury beschlossen. Der mit 6.000 Euro dotierte Tukan-Preis zeichnet jährlich eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung aus. In die Auswahl kommen alle belletristischen Veröffentlichungen von Münchner Autorinnen und Autoren. Zur Diskussion standen in diesem Jahr insgesamt 49 Bücher, die von der Jury in fünf Sitzungen besprochen und bewertet wurden.

Die Begründung der Jury
„Wie moderne Gespenster streifen sie durch Brückengewölbe, Notschlafstellen und Kleiderkammern, unbeachtetes Treibgut der Wohlstandsgesellschaft. Obwohl mitten unter uns, blicken wir meist durch sie hindurch. Die Obdachlosen auf dem teuren Münchner Pflaster haben keine Stimme, um von ihrem täglichen Überlebenskampf zu berichten, davon, wie ihnen das Leben entglitten ist oder von ihrer Scham darüber, und wie sie einen verstummen, letztlich ganz verschwinden lässt. Für ihre Sprachlosigkeit und die der Stadt, die sie umgibt, findet Markus Ostermair in seinem Roman Der Sandler eine so angemessene wie anspruchsvolle Form. Er spannt das Panorama einer Gegenwelt auf, die von Abgründen durchzogen ist, aber auch von Hoffnung und unerwartetem Zusammenhalt. Da ist Kurt, der aus dem Gefängnis kommt und sich ändern will, wie einst Franz Biberkopf auf dem Berliner Alexanderplatz. Da ist Lenz, der nicht mehr kann, doch unbedingt noch seinen Freund Karl finden muss, um ihm einen Schlüssel zu hinterlassen – und vielleicht eine letzte Chance. Karl war früher Mathe-Lehrer, Familienvater, bis er eine schwere Schuld auf sich geladen hat, die er seither durch die Straßen schleppt, halb flüchtend, halb suchend. So sehr er auch gegen sein altes Leben antrinkt, er wird die Sehnsucht nach einem Zuhause nicht los. Doch zwischen ihm und dem hell leuchtenden Schlüsselloch lauern noch seine Dämonen. Statt die harte Realität in wohlfeilem Realismus auszustellen, evoziert Markus Ostermair sie in einer präzise gestalteten, an Döblin geschulten Sprache, die seinen Figuren Würde gibt, ohne ihnen falsche Nähe aufzuzwingen, ohne zu urteilen oder zu verklären. Aus wechselnden Blickwinkeln, genauer Beobachtung und mäandernden Gedankenströmen, mal poetisch, mal rau verdichtet, schafft er die eindrucksvolle Innenschau einer gesellschaftlichen Außenperspektive. Ein wichtiger, kraftvoller Roman über Ausgrenzung und Selbstbehauptung – auf dem dünnen Firnis unserer so sicher geglaubten Welt.“

Markus Ostermair, geboren 1981, arbeitet seit seinem Studium der Literaturwissenschaft als Übersetzer, Texter und Lehrer für Englisch sowie Deutsch als Fremdsprache. Seine Auseinandersetzung mit dem Thema Obdachlosigkeit begann in der Bahnhofsmission München als Zivildienstleistender. Er nahm an der Bayerischen Akademie des Schreibens teil und erhielt für sein literarisches Debüt Der Sandler diverse Stipendien und Förderpreise, darunter das Literaturstipendium der Stadt München und ein Residenzstipendium auf Schloss Wiepersdorf.

Der Jury des Tukan-Preises gehörten in diesem Jahr an: Sabine Abel (Buch in der Au), Knut Cordsen (Bayerischer Rundfunk), Petra Hallmayer (Süddeutsche Zeitung), Tina Rausch (Lektorin), Martina Scherf (Süddeutsche Zeitung) und Fridolin Schley (Autor) sowie die Stadträtinnen und Stadträte Kathrin Abele (SPD/Volt − Fraktion), Beatrix Burkhardt (CSU-Fraktion), Marion Lüttig und Thomas Niederbühl (beide Fraktion Die Grünen − Rosa Liste) und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW).

Die Jury sprach weitere Buchempfehlungen aus; genannt wurden die folgenden Titel:

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