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Das berühmte Siebendächerhaus in Memmingen

Memmingen

Bereits die Römer gründen an der Stelle des heutigen Memmingen eine kleine Siedlung als Wachtposten; der Name der Stadt ist allerdings alemannischen Ursprungs. Er geht vermutlich auf einen Königshof des Alemannen Mammo im 4. oder 5. Jahrhundert zurück, dem auch die Orte Hohenmemmingen und Mammendorf ihre Namen verdanken. Erstmals erwähnt wird „Mammingin“ in einer Urkunde aus dem Jahr 1128, worin auch von einem Landtag die Rede ist, der 1099 dort stattgefunden habe. Auch die Tatsache, dass die damals welfische Stadt im Jahr 1130 von dem Staufer Friedrich II. von Schwaben in Schutt und Asche gelegt wird, zeugt von ihrer politischen Bedeutung im frühen Mittelalter.

Nach dem Tod des letzten Staufers wird die Stadt 1286 zur freien Reichsstadt und entwickelt sich in der Folge prächtig. 1435 wird hier die erste Mädchenschule Deutschlands gegründet und wenig später eine Papiermühle und eine Druckerei errichtet, die 1519 zwar nicht als erste, wie manchmal behauptet wird, aber doch als eine der ersten das Wort „America“ auf Papier festhält. Bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts unternimmt die „Große Deutsche Kompagnie“ von Memmingen aus Handelsfahrten nach Portugal, Indien und Südamerika. Literarisches Zeugnis der humanistischen Weltoffenheit ist die Übersetzung der Trionfi von Francesco Pertrarca durch den Memminger Daniel Federmann im Jahr 1578.

Wenig später, ab 1524, finden in Süddeutschland erste Bauernaufstände statt, die in den Deutschen Bauernkrieg münden. Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, treffen Vertreter der Aufständischen in Memmingen zusammen und fassen dort ihre Forderungen in zwölf Artikel. Die Versammlung gilt heute als früheste verfassungsgebende Versammlung auf deutschem Boden und die Liste der zwölf Artikel als erste Niederschrift der Menschenrechte in Europa. Als Autoren daran beteiligt sind der Reformator Christoph Schappeler und der Kürschnermeister Sebastian Lotzer. Letzterer verfasst auch in der Folge mehrere Flugschriften, die dem neuen Glauben zum Durchbruch verhelfen sollen.

Am 2. Dezember 1618 wird in Memmingen Christoph Schorer geboren, der sich als Wahrer der deutschen Sprache einen Namen machen wird. Als Schorer zur Welt kommt, herrscht seit einigen Monaten ein Krieg, der als Dreißigjähriger Krieg in die Geschichte eingeht und im Jahr 1630 den katholischen Feldherrn Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein in die Stadt führt, der immerhin für eine kurze Verschnaufpause sorgt. „Dieweilen der Herzog in der Stadt gelegen, ist Glückh und Heill gewest“, notiert ein Stadtschreiber später. Und von Waldstein avanciert zur literarischen Figur. Nicht nur unmittelbar nach seiner Ermordung im Jahr 1634 entsteht eine Reihe von Theaterstücken und Epen, sondern auch in allen späteren Jahrhunderten: Friedrich Schiller vollendet 1799 eine Dramentrilogie namens Wallenstein, Alfred Döblin publiziert 1920 seinen Roman Wallenstein. Seit 1980 finden in Memmingen alle vier Jahre die Wallenstein-Festspiele statt, die als größtes Historienfestspiel Europas gelten.

Ebenfalls im 17. Jahrhundert, am 5. Februar 1639, wird in Memmingen Sibylla Schuster als erstes von elf Kindern geboren, die ein ungewöhnliches Leben führt: Sie heiratet spät, noch dazu einen jüngeren Mann und offensichtlich aus Liebe, und widmet sich soweit als möglich der barocken Dichtkunst. Von ihr stammt das einzige umfangreiche Trauerspiel einer Autorin des 17. Jahrhunderts, das Drama Verkehrter Bekehrter und wider bethörter Ophiletes das jedoch erst 1865 und damit postum veröffentlicht wird. Als Autoren des 18. Jahrhunderts sind Johann Georg Schelhorn und Christoph Städele zu nennen: Ersterer ein gelehrter und äußerst produktiver Schriftsteller, der Letztere dagegen ein mehr als nur talentierter Dilettant.

Heute macht Memmingen vor allem durch zwei Autoren von sich reden: durch Volker Klüpfel und Michael Kobr. Zwar sind beide Erfinder des schwäbischen Erfolgsexports Kommissars Kluftinger in Kempten geboren, doch die Verbindungen zu Memmingen sind eng: Klüpfel ist bis 2008, da er zur Augsburger Allgemeinen Zeitung wechselt, Feuilleton-Redakteur der Memminger Zeitung. Kobr wiederum lebt und arbeitet mittlerweile in Memmingen. Zudem werden viele Szenen der Verfilmung des Kluftinger-Romans Erntedank in Memmingen gedreht. Im September 2008 werden die beiden Autoren dafür mit dem Memminger Kulturpreis geehrt.

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