Monacensia-Wiedereröffnung: Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann
Am Ende seines Lebens bekundet Thomas Mann (1875-1955) seine innige Verbundenheit mit der langjährigen Wahlheimat München. Der in Lübeck geborene Schriftsteller und Nobelpreisträger gilt als einer der Weltautoren des 20. Jahrhunderts. Fast 40 Jahre lang – von seinen literarischen Anfängen bis zur Vertreibung ins Exil – ist München für ihn ein wichtiger Schreib- und Lebensort. Hier heiratet er die Münchnerin Katia Pringsheim, Tochter einer großbürgerlichen jüdischen Familie, hier baut er sein Haus, hier werden seine sechs Kinder geboren, hier kommt er in den 1920er-Jahren zu Ruhm und Ehren.
Thomas Manns Münchner Jahre von 1894 bis 1933 bilden den zeitlichen Rahmen für die Dauerausstellung in der Monacensia, die selbst am 9. Dezember 2016 nach der baulichen Sanierung wieder öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die Ausstellung zum Thema „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“ erweitert das inhaltliche Spektrum und erschließt das Haus und seine Bestände neu. Thematisiert werden die Brüche und Umbrüche während des Ersten Weltkriegs ebenso wie die spannungsreiche Wechselwirkung von bürgerlicher Hochkultur und urwüchsigem Volksvergnügen in der Weimarer Republik, wobei wichtige Wegbegleiter und Zeitgenossen Manns gleichfalls zu Wort kommen. Zur Ausstellung ist im Regensburger Pustet Verlag ein Buch erschienen, das das literarische Leben der Stadt in Bildern, Zitaten und Kommentaren beleuchtet. Im Literaturportal Bayern werden die wichtigsten Stationen des Buches, dessen Präsentation am 11. Dezember in der Monacensia stattfand, vorgestellt und mit Hörbeispielen anschaulich gemacht.
Die Boheme in München
Künstler, Literaten, Philosophen und Weltverbesserer kommen um 1900 aus ganz Europa in Scharen in München zusammen, auf der Suche nach einem Leben ohne Alltag. Verkrustete bürgerliche Lebensformen lehnen sie ebenso ab wie äußere Zwänge. Sie orientieren sich an der Welt der Schausteller, Gaukler und Zirkusleute, träumen von moralischer Freizügigkeit, künstlerischer Freiheit und einem Leben ohne feste Arbeitszeit. Kunst und Leben sind in diesen Kreisen aufs engste miteinander verwoben. München wird durch sie bis zum Ersten Weltkrieg zur internationalsten Stadt in Deutschland, zur maßgeblichsten Kunstmetropole Europas, zu einer Stadt der Avantgarde. Die meist zugereisten Künstler, Literaten, Intellektuellen und Lebenskünstler bilden innerhalb der Stadt allerdings eine Minderheit, die Einheimischen nehmen sie nicht so ganz ernst und nennen diese Neubürger „Schlawiner“.
Dr. Elisabeth Tworek und Schauspieler Thomas Birnstiel lesen ausgewählte Texte. (c) Literaturportal Bayern
Brüche und Umbrüche
Am 1. August 1914 ordnet Kaiser Wilhelm II. die allgemeine Mobilmachung an. Das Deutsche Reich erklärt Russland und Frankreich den Krieg. Mit Kriegsbeginn ist Münchens Zeit als Schauplatz der internationalen Avantgarde schlagartig zu Ende. Die Zeit des Aufbruchs und des Experimentierens ist vorbei. Ausländische Künstler und Schriftsteller, die den Feindnationen angehören, müssen augenblicklich Deutschland verlassen. Die Münchner Künstlerschar ist in Kriegsbefürworter und Kriegsgegner gespalten. Anfang Mai 1919 beenden Reichswehrtruppen und Freikorps die Münchner Räterepublik mit größter Brutalität. Die antisemitischen Feindbilder richten sich nun gezielt gegen die prominenten Wortführer von Revolution und Räterepublik, die jüdischen Schriftsteller Kurt Eisner, Erich Mühsam, Ernst Toller und Gustav Landauer. Ein Rechtsrutsch setzt ein, der Bayern zur Ordnungszelle und München zum Hort der Reaktion macht.
Besucherandrang zur Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“. (c) Literaturportal Bayern
Die Manns in München
Die Moderne hält in den Zwanziger Jahren allmählich Einzug – Berlin, Frankfurt, Dessau und Weimar entwickeln sich zu bedeutenden Zentren der Moderne. In München hingegen, vor dem Krieg Geburtsstadt und geistiger Mittelpunkt der Frauenbewegung, des Blauen Reiter und der Schwabinger Boheme, wehren sich konservative und restaurative Kräfte massiv gegen alles Neue. Im Gegensatz dazu stehen Heinrich Mann und nach anfänglicher Ablehnung auch Thomas Mann für das fortschrittliche und demokratische München, für Internationalität, Weltbürgertum, Multikulturalität und Individualität. Das Aushängeschild der jungen Nachkriegsgeneration sind Thomas Manns Sprösslinge Klaus und Erika und Frank Wedekinds älteste Tochter Pamela. Sie brechen mit bürgerlichen Konventionen und lassen sich in kein Korsett zwängen. 1925 wählen die Dichterkinder Berlin, Zentrum des neuen Geistes, zum Lebensmittelpunkt. Berlin ist Tempo, Modernität, Technik und Vergnügen. Für rückwärtsgewandte Kreise in Bayern hingegen gilt die Stadt an der Spree als Sündenbabel – München wird zum politischen und kulturellen Gegenpol.
V.l.n.r.: Titus Waldenfels (Bavarian Swing, Jazz & Volksmusik), Laura Maire (Schauspielerin), Dr. Elisabeth Tworek (Leiterin der Monacensia und Kuratorin der Dauerausstellung) und Thomas Birnstiel (Schauspieler). (c) Literaturportal Bayern
Vergnügungssucht am Rande des Abgrundes
Das „bäuerlich-sinnliche Barock-München“ (Thomas Mann) ist für Volksbelustigungen jeder Art ein besonders gutes Pflaster. Der katholisch-barocke Raum fördert eben die Lust am Bild und an der Inszenierung. In München sind deshalb traditionell Kasperltheater, Vorstadtbühnen, Jahrmarkttrubel auf den Dulten genauso selbstverständlich wie seit über 200 Jahren das Oktoberfest. Mit der Weimarer Republik im August 1919 wird die erste praktizierte Demokratie in Deutschland geschaffen, die Monarchie ist beendet. Jetzt dürfen alle wählen, auch die Frauen. Das hat Auswirkungen auf die Kunst: Mit der Demokratisierung der Gesellschaft entdecken junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller die breite Masse, die mit ihrer Wählerstimme künftig geschichtsbestimmend wird. Die Kultur ist eben nicht mehr dem Bildungs- und Großbürgertum vorbehalten. Allen voran schreiben jetzt Ödön von Horváth, Bert Brecht und Marieluise Fleißer neue Theaterstücke, sie wollen ein Theater schaffen, das gerade einfache Leute in gesellschaftlicher Hinsicht aufklärt und ihre Alltagssorgen, Hoffnungen, Sehnsüchte aufgreift. Populäre Musik und starke Bilder halten Einzug im Sprech-Theater, die Sprache wird bildhafter und orientiert sich an der Sprache des Volkes. Um schichtspezifische Barrieren abzubauen, fördert Ödön von Horváth die Abschaffung von Garderobe und gesellschaftlichem Kleiderzwang.
Blick in eine Vitrine der Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“: Exilpässe von Klaus Mann und Bruno Frank, rechts: Affidavit Thomas Mann für seinen Bruder Heinrich, 1941. (c) Eva Jünger / Münchner Stadtbibliothek
Flucht ins Ungewisse – Schriftsteller im Exil
Nach der Machtübernahme von Adolf Hitler am 30. Januar 1933 werden politisch unliebsame Schriftsteller und Intellektuelle verfolgt und mit dem Tod bedroht. Die Gewalt gegen die jüdischen Mitbürger eskaliert. Die weitaus meisten Autoren von literarischem Rang stellen sich aufs Entschiedenste gegen die Diktatur. Ein Massenexodus der Dichter setzt ein. Noch nie zuvor in der Geschichte verliert die deutsche Nation innerhalb weniger Monate so viele ihrer literarischen Repräsentanten. Der erzwungene Verlust der Heimat wird von den geflüchteten Literaten oft als ausweglos empfunden, denn die existentiellen Bedingungen in der Fremde sind hart. Abgeschnitten von der eigenen Muttersprache fällt es besonders Schriftstellern schwer Fuß zu fassen. Umso mehr sehen sie sich als Repräsentanten der deutschen Kultur im Exil. Nur wenigen wie etwa Klaus Mann und Annette Kolb gelingt der Sprachwechsel. Bevorzugtes Ziel der Münchner Autoren sind zunächst europäische Nachbarstaaten wie Österreich, Schweiz, Frankreich, die Tschechoslowakei und die Niederlande. Oskar Maria Graf flieht beispielsweise nach Wien, um der drohenden Verhaftung zu entgehen. Heinrich Mann reist nach Südfrankreich ab, nachdem er Mitte Februar 1933 in Berlin zum Austritt aus der Preußischen Dichterakademie gezwungen wird. Mit der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 machen die Nationalsozialisten deutlich, dass für eine freie Literatur in Deutschland kein Platz mehr ist. Je mehr sich die Nationalsozialisten europäische Gebiete einverleiben, desto enger wird die Lebens- und Wirkungsmöglichkeit der deutschen Exilschriftsteller. Schließlich bleibt nur noch die Flucht nach Übersee.
Dr. Elisabeth Tworek signiert das Buch zur Dauerausstellung. (c) Literaturportal Bayern
Tworek, Elisabeth (2016): Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann. Von der Boheme zum Exil. Bilder, Dokumente, Kommentare. Pustet Verlag, Regensburg.
Externe Links:Video und Fotostrecke zur Wiedereröffnung der Monacensia auf muenchen.de
Monacensia-Wiedereröffnung: Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann>
Am Ende seines Lebens bekundet Thomas Mann (1875-1955) seine innige Verbundenheit mit der langjährigen Wahlheimat München. Der in Lübeck geborene Schriftsteller und Nobelpreisträger gilt als einer der Weltautoren des 20. Jahrhunderts. Fast 40 Jahre lang – von seinen literarischen Anfängen bis zur Vertreibung ins Exil – ist München für ihn ein wichtiger Schreib- und Lebensort. Hier heiratet er die Münchnerin Katia Pringsheim, Tochter einer großbürgerlichen jüdischen Familie, hier baut er sein Haus, hier werden seine sechs Kinder geboren, hier kommt er in den 1920er-Jahren zu Ruhm und Ehren.
Thomas Manns Münchner Jahre von 1894 bis 1933 bilden den zeitlichen Rahmen für die Dauerausstellung in der Monacensia, die selbst am 9. Dezember 2016 nach der baulichen Sanierung wieder öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die Ausstellung zum Thema „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“ erweitert das inhaltliche Spektrum und erschließt das Haus und seine Bestände neu. Thematisiert werden die Brüche und Umbrüche während des Ersten Weltkriegs ebenso wie die spannungsreiche Wechselwirkung von bürgerlicher Hochkultur und urwüchsigem Volksvergnügen in der Weimarer Republik, wobei wichtige Wegbegleiter und Zeitgenossen Manns gleichfalls zu Wort kommen. Zur Ausstellung ist im Regensburger Pustet Verlag ein Buch erschienen, das das literarische Leben der Stadt in Bildern, Zitaten und Kommentaren beleuchtet. Im Literaturportal Bayern werden die wichtigsten Stationen des Buches, dessen Präsentation am 11. Dezember in der Monacensia stattfand, vorgestellt und mit Hörbeispielen anschaulich gemacht.
Die Boheme in München
Künstler, Literaten, Philosophen und Weltverbesserer kommen um 1900 aus ganz Europa in Scharen in München zusammen, auf der Suche nach einem Leben ohne Alltag. Verkrustete bürgerliche Lebensformen lehnen sie ebenso ab wie äußere Zwänge. Sie orientieren sich an der Welt der Schausteller, Gaukler und Zirkusleute, träumen von moralischer Freizügigkeit, künstlerischer Freiheit und einem Leben ohne feste Arbeitszeit. Kunst und Leben sind in diesen Kreisen aufs engste miteinander verwoben. München wird durch sie bis zum Ersten Weltkrieg zur internationalsten Stadt in Deutschland, zur maßgeblichsten Kunstmetropole Europas, zu einer Stadt der Avantgarde. Die meist zugereisten Künstler, Literaten, Intellektuellen und Lebenskünstler bilden innerhalb der Stadt allerdings eine Minderheit, die Einheimischen nehmen sie nicht so ganz ernst und nennen diese Neubürger „Schlawiner“.
Dr. Elisabeth Tworek und Schauspieler Thomas Birnstiel lesen ausgewählte Texte. (c) Literaturportal Bayern
Brüche und Umbrüche
Am 1. August 1914 ordnet Kaiser Wilhelm II. die allgemeine Mobilmachung an. Das Deutsche Reich erklärt Russland und Frankreich den Krieg. Mit Kriegsbeginn ist Münchens Zeit als Schauplatz der internationalen Avantgarde schlagartig zu Ende. Die Zeit des Aufbruchs und des Experimentierens ist vorbei. Ausländische Künstler und Schriftsteller, die den Feindnationen angehören, müssen augenblicklich Deutschland verlassen. Die Münchner Künstlerschar ist in Kriegsbefürworter und Kriegsgegner gespalten. Anfang Mai 1919 beenden Reichswehrtruppen und Freikorps die Münchner Räterepublik mit größter Brutalität. Die antisemitischen Feindbilder richten sich nun gezielt gegen die prominenten Wortführer von Revolution und Räterepublik, die jüdischen Schriftsteller Kurt Eisner, Erich Mühsam, Ernst Toller und Gustav Landauer. Ein Rechtsrutsch setzt ein, der Bayern zur Ordnungszelle und München zum Hort der Reaktion macht.
Besucherandrang zur Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“. (c) Literaturportal Bayern
Die Manns in München
Die Moderne hält in den Zwanziger Jahren allmählich Einzug – Berlin, Frankfurt, Dessau und Weimar entwickeln sich zu bedeutenden Zentren der Moderne. In München hingegen, vor dem Krieg Geburtsstadt und geistiger Mittelpunkt der Frauenbewegung, des Blauen Reiter und der Schwabinger Boheme, wehren sich konservative und restaurative Kräfte massiv gegen alles Neue. Im Gegensatz dazu stehen Heinrich Mann und nach anfänglicher Ablehnung auch Thomas Mann für das fortschrittliche und demokratische München, für Internationalität, Weltbürgertum, Multikulturalität und Individualität. Das Aushängeschild der jungen Nachkriegsgeneration sind Thomas Manns Sprösslinge Klaus und Erika und Frank Wedekinds älteste Tochter Pamela. Sie brechen mit bürgerlichen Konventionen und lassen sich in kein Korsett zwängen. 1925 wählen die Dichterkinder Berlin, Zentrum des neuen Geistes, zum Lebensmittelpunkt. Berlin ist Tempo, Modernität, Technik und Vergnügen. Für rückwärtsgewandte Kreise in Bayern hingegen gilt die Stadt an der Spree als Sündenbabel – München wird zum politischen und kulturellen Gegenpol.
V.l.n.r.: Titus Waldenfels (Bavarian Swing, Jazz & Volksmusik), Laura Maire (Schauspielerin), Dr. Elisabeth Tworek (Leiterin der Monacensia und Kuratorin der Dauerausstellung) und Thomas Birnstiel (Schauspieler). (c) Literaturportal Bayern
Vergnügungssucht am Rande des Abgrundes
Das „bäuerlich-sinnliche Barock-München“ (Thomas Mann) ist für Volksbelustigungen jeder Art ein besonders gutes Pflaster. Der katholisch-barocke Raum fördert eben die Lust am Bild und an der Inszenierung. In München sind deshalb traditionell Kasperltheater, Vorstadtbühnen, Jahrmarkttrubel auf den Dulten genauso selbstverständlich wie seit über 200 Jahren das Oktoberfest. Mit der Weimarer Republik im August 1919 wird die erste praktizierte Demokratie in Deutschland geschaffen, die Monarchie ist beendet. Jetzt dürfen alle wählen, auch die Frauen. Das hat Auswirkungen auf die Kunst: Mit der Demokratisierung der Gesellschaft entdecken junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller die breite Masse, die mit ihrer Wählerstimme künftig geschichtsbestimmend wird. Die Kultur ist eben nicht mehr dem Bildungs- und Großbürgertum vorbehalten. Allen voran schreiben jetzt Ödön von Horváth, Bert Brecht und Marieluise Fleißer neue Theaterstücke, sie wollen ein Theater schaffen, das gerade einfache Leute in gesellschaftlicher Hinsicht aufklärt und ihre Alltagssorgen, Hoffnungen, Sehnsüchte aufgreift. Populäre Musik und starke Bilder halten Einzug im Sprech-Theater, die Sprache wird bildhafter und orientiert sich an der Sprache des Volkes. Um schichtspezifische Barrieren abzubauen, fördert Ödön von Horváth die Abschaffung von Garderobe und gesellschaftlichem Kleiderzwang.
Blick in eine Vitrine der Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“: Exilpässe von Klaus Mann und Bruno Frank, rechts: Affidavit Thomas Mann für seinen Bruder Heinrich, 1941. (c) Eva Jünger / Münchner Stadtbibliothek
Flucht ins Ungewisse – Schriftsteller im Exil
Nach der Machtübernahme von Adolf Hitler am 30. Januar 1933 werden politisch unliebsame Schriftsteller und Intellektuelle verfolgt und mit dem Tod bedroht. Die Gewalt gegen die jüdischen Mitbürger eskaliert. Die weitaus meisten Autoren von literarischem Rang stellen sich aufs Entschiedenste gegen die Diktatur. Ein Massenexodus der Dichter setzt ein. Noch nie zuvor in der Geschichte verliert die deutsche Nation innerhalb weniger Monate so viele ihrer literarischen Repräsentanten. Der erzwungene Verlust der Heimat wird von den geflüchteten Literaten oft als ausweglos empfunden, denn die existentiellen Bedingungen in der Fremde sind hart. Abgeschnitten von der eigenen Muttersprache fällt es besonders Schriftstellern schwer Fuß zu fassen. Umso mehr sehen sie sich als Repräsentanten der deutschen Kultur im Exil. Nur wenigen wie etwa Klaus Mann und Annette Kolb gelingt der Sprachwechsel. Bevorzugtes Ziel der Münchner Autoren sind zunächst europäische Nachbarstaaten wie Österreich, Schweiz, Frankreich, die Tschechoslowakei und die Niederlande. Oskar Maria Graf flieht beispielsweise nach Wien, um der drohenden Verhaftung zu entgehen. Heinrich Mann reist nach Südfrankreich ab, nachdem er Mitte Februar 1933 in Berlin zum Austritt aus der Preußischen Dichterakademie gezwungen wird. Mit der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 machen die Nationalsozialisten deutlich, dass für eine freie Literatur in Deutschland kein Platz mehr ist. Je mehr sich die Nationalsozialisten europäische Gebiete einverleiben, desto enger wird die Lebens- und Wirkungsmöglichkeit der deutschen Exilschriftsteller. Schließlich bleibt nur noch die Flucht nach Übersee.
Dr. Elisabeth Tworek signiert das Buch zur Dauerausstellung. (c) Literaturportal Bayern
Tworek, Elisabeth (2016): Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann. Von der Boheme zum Exil. Bilder, Dokumente, Kommentare. Pustet Verlag, Regensburg.