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Aschaffenburger Durchblicke (c) Stadt Aschaffenburg

Aschaffenburg

Es liegt nicht allein an der geografischen Lage der Stadt weit im Westen des Freistaats, dass sie mit ihrer Zugehörigkeit zu Bayern hadert: Aschaffenburg ist ein Kriegsgewinn des einstigen Königreichs, und als sie im Jahr 1814 gleichsam von einem Tag auf den anderen bayerisch wird, blickt sie bereits auf eine eigene, weit über 1000-jährige Geschichte zurück. Archäologische Funde belegen erste Siedlungen im 4. Jahrhundert, die Stiftskirche St. Peter und Alexander wird um 975 errichtet.

Beherrscht wird das Panorama von dem Schloss Johannisburg, dessen Einweihung man im Februar 1614 feiert. Berühmt wird es nicht zuletzt wegen eines Scherzes, den sich ein Handwerker erlaubt und der vielleicht sogar zum kritischen Kommentar taugt. Zwischen Steinen der Schlossmauer, die in üblicher Manier bearbeitet wurden, findet sich einer in Form eines menschlichen Hinterns: der „Ascheberscher Arsch“, längst eine Touristenattraktion.

Blick auf Schloss Johannisburg und das steinerne Hinterteil (c) Stadt Aschaffenburg

Als im Jahr 1792 die Stadt Mainz von französischen Truppen besetzt und im darauffolgenden Jahr von den Koalitionstruppen Preußens und Österreichs belagert wird, flieht der Mainzer Erzbischof, Kurfürst Friedrich Karl Joseph, auf die Aschaffenburger Johannisburg. Mit ihm kommt sein Bibliothekar, der Schriftsteller Wilhelm Heinse, der dessen Privatbibliothek hier in Sicherheit bringt und bis zu seinem Lebensende als Bibliothekar in der Hofbibliothek wirkt. Begraben wird Heinse – wie später auch Clemens Brentano, der im Juli 1842 im Aschaffenburger Haus seines Bruders Christian verstirbt – auf dem Altstadtfriedhof.

Der Spessart trennt Aschaffenburg nicht nur geografisch vom Rest Bayerns, sondern bestimmt durch den reichen Holzbestand auch die wirtschaftlichen Geschicke. Im März 1796 erhält der Buchdrucker und Buchbinder Melchior Kaufmann die Genehmigung zur Errichtung einer Papiermühle. In der Folge wird die Stadt zu einem wichtigen Zentrum der Papierfabrikation. Und noch ein anderes Kunstwerk aus Holz entsteht zu dieser Zeit: der Aschaffenburger Maulaff, eine beinahe lebensgroße Figur, die einen Bauern in Spessarttracht und mit weit aufgerissenem Mund darstellt, zur Belustigung der höheren Gesellschaft im Park Schönbusch aufgestellt wird und heute im Schlossmuseum zu besichtigen ist.

Aschaffenburger Panorama mit Pompejanum und Johannisburg (c) Stadt Aschaffenburg

Nur kurze Zeit hält sich Ende des 19. Jahrhunderts Ludwig Thoma in der unterfränkischen Stadt auf: Das Studium der Forstwissenschaften bricht er nach dem ersten Jahr ab, um nicht nur das Fach, sondern auch die Universität zu wechseln. Den expressionistischen Schriftsteller Julius Maria Becker, der Aschaffenburg nur für seine Lehrerausbildung verlässt und in den 1920er Jahren einer der bekanntesten deutschen Theaterautoren ist, hat die die deutsche Literaturgeschichte dagegen fast vergessen. Was auch daran liegen könnte, dass er der traditionsreichen Kulturzeitschrift Spessart von 1940 bis 1942 als Schriftleiter dient, nachdem sie von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet wurde.

Heute macht die Stadt, wie meist in ihrer Literaturgeschichte, vor allem lyrisch von sich reden. Beheimatet ist hier nicht nur der Verein Main-Reim, der sich der „Förderung der Dichtung am Untermain“ verschrieben hat, sondern auch der dichtende Satiriker Thomas Gsella, der seinen Wohnort in der 99. Folge seiner Reihe „Ihre Stadt“ – mittlerweile auch in Buchform unter dem Titel Reiner Schönheit Glanz und Licht: Ihre Stadt im Schmähgedicht erhältlich – immerhin nicht ganz so hart anfasst wie zum Beispiel die bayerische Landeshauptstadt.

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