Schreibende Frauen und der Erste Weltkrieg

Die Begeisterungswelle, die Deutschland am Beginn des Ersten Weltkriegs erfasste, machte auch vor Künstlern nicht halt. Gerade diejenigen, die sich der Erneuerung verschrieben hatten, stürzten sich nun mit demselben Furor, mit dem sie das Alte dereinst hinwegfegen wollten, in den Krieg. Dabei trieb sie nicht Nationalismus, sondern der Gedanke der „Reinigung durch den großen Kladderadatsch“. Vergleicht man dies jedoch mit den Texten vieler Schriftstellerinnen jener Zeit, so kommt man zu der bitteren Erkenntnis, dass am Beginn des Krieges in ihren Werken zwar nicht Begeisterung, aber purer Nationalismus die Feder führte. Nur sehr wenige verweigerten sich der allgemeinen Zustimmung zum Krieg und wurden dafür mit Zensur bestraft oder ins Exil getrieben. Die meisten Schriftstellerinnen, auch in Bayern, trugen die Schlachten an der Heimatfront aus, übertrafen ihre männlichen Kollegen an Chauvinismus und Fremdenhass.

Bayerische Schriftstellerinnen bilden dabei keine Ausnahmen. Gerade die Bestsellerautorinnen ihrer Zeit unterstützten mit ihren Werken den Krieg, wobei während des Krieges diejenigen am meisten gelesen wurden, die wie Hedwig Courths-Mahler den Krieg außen vor ließen. Jegliche Art von Literatur eignete sich zur Propagandaliteratur: Frauenliteratur, Lyrik, Heimatdichtung, Kinder- und Mädchenbücher. Erst 1916 änderte sich der Tenor. Zu groß war das Leid, die Protestbereitschaft gerade unter den Frauen wuchs. Doch wieder waren es nur einige wenige, die dies offen formulierten. Die meisten verstummten und stellten ihr Schreiben ein, als alles, woran sie glaubten, ins Wanken geriet. Das Versagen gerade der bürgerlich intellektuellen schreibenden Frau angesichts dieser Urkatastrophe hat Kurt Tucholsky 1927 in seiner Polemik „Der Krieg und die deutsche Frau“ drastisch geschildert:

Maikäfer flieg: Illustration von Paul Thumann (1834-1908)

Neben den evangelischen Pastören hat es im Kriege noch eine Menschengattung gegeben, die gar nicht genug Blut saufen konnte: das war eine bestimmte Schicht, ein bestimmter Typus der deutschen Frau. [...] Wir dürfen uns aussuchen, wer unangenehmer und gefährlicher ist: die mit der Erotik der Uniform leicht durchsetzte Gutsfrau [...] oder die feingebildete Demokratenfrau, die Fichte zitiert und Arndt; die das Schlachtfeld von Verdun besucht und darüber leitartikelt – und die, kommts zum klappen, Söhne und Brüder und Gatten „aus Disziplin“ für das Volksganze in den Dreck hetzt, so dass sie nachher mit Armstümpfen und zerschossenen Unterkiefern und leeren Augenhöhlen nach Hause kommen. Das macht nichts. Wenn nur das Volksganze heilbleibt.

(Kurt Tucholsky: Der Krieg und die deutsche Frau. In: Gesammelte Werke. Bd. 5. 1927. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 267f.)

(Piper, Ernst [2013]: Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs. Propyläen, Berlin.)

Verfasst von: Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

Sekundärliteratur:

Literaturliste



https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/startpage/frauenkrieg_0_start.jpg
"Luftkampf". Gemälde von Michael Zeno Diemer (1867-1939), Bayerisches Armeemuseum Ingolstadt, Inv. Nr. E 4977
Verwandte Inhalte