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09.06.2017, 09:00 Uhr
Redaktion
Gespräche

Interview mit dem Villa-Concordia-Stipendiaten Mirko Bonné

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© Andreas Bonné

Der Schriftsteller und Übersetzer Mirko Bonné ist einer der diesjährigen StipendiatInnen der Villa Concordia in Bamberg, die seit April 2017 dort wohnen und arbeiten dürfen. In der Sparte LITERATUR treten 2017 sieben Autorinnen und Autoren aus Griechenland und Deutschland das Stipendium an. Der Aufenthalt in der Villa Concordia soll bereits etablierten Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, ohne zeitlichen oder finanziellen Druck, inspiriert durch die Begegnung mit anderen internationalen KünstlerInnen, an neuen Projekten zu arbeiten. Mirko Bonné wurde 1965 in Tegernsee geboren, lebt aber seit 1975 in Hamburg. Seit Anfang der 90er-Jahre ist er als Autor und Übersetzer tätig, seit 2013 arbeitet er als freier Schriftsteller. In seiner Prosa beschäftigt er sich immer wieder mit Mechanismen des Verdrängens. 2014 und 2015 war er für anderthalb Jahre Writer-in-residence des Projekts Weather Stations und prüfte gemeinsam mit anderen AutorInnen literarische Darstellungs- und Vermittlungsformen der Folgen des Klimawandels. Das Literaturportal Bayern hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.

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LITERATURPORTAL BAYERN: Herr Bonné, Landschaft ist ein Thema Ihrer Lyrik. Welchen Einfluss haben Ihre Kindheitserlebnisse am Tegernsee auf Ihr poetisches Schaffen? Was verbindet Sie noch mit Bayern?

MIRKO BONNÉ: Die literarische Landschaftsdarstellung ist ein zentraler Impuls meines gesamten Schreibens, der Gedichte ebenso wie der Romane und Erzählungen, aber auch meiner Aufsätze, die auch deshalb keine Essays sind. Die meisten meiner Notate, die ich im Blog „Das Gras“ publiziere, widmen sich der Darstellung von Phänomenen der in den Städten noch auffindbaren Reste von Landschaft und Natur. Landschaft betrachte ich als natürliches Antlitz, als Gegenüber ... Jede Landschaft ist unverwechselbar wie ein Gesicht. Und zu den Landschaften, die mich am stärksten geprägt haben, von frühester Kindheit an, gehört das Tegernseer Tal, die Gegend um den Achensee, aber auch die Farben von Isar und Inn. Sie sind mir völlig unvergesslich. Mich verbindet mit Bayern eine tiefe Liebe zum Bayerischen, zur bayerischen Wesensart, Kultur und Geschichte – gerade deshalb stehe ich dem christlich-sozialen Konservatismus kritisch gegenüber. In Bayern weiß ich jedoch meine Wurzeln. Ich komme stets gern zurück und fühle mich immer willkommen.

LITERATURPORTAL BAYERN: Sie waren 2014/15 Writer-in-residence des Projekts Weather Stations, das literarische Darstellungs- und Vermittlungsmöglichkeiten des Klimawandels sucht. Ist Ihnen das mit der Klimapoesie gelungen?

MIRKO BONNÉ: Nein. Aber um ein Gelingen ging es bei diesem anderthalb Jahre währenden Projekt auch gar nicht, eher um ein Aufbrechen von Verkrustungen. Es galt, in einen Dialog einzusteigen mit den Sprachen der Wissenschaft, sich der Frage zu stellen, inwiefern nicht die verschiedenen Fachsprachen unvereinbare Diskurse fördern und somit beitragen zum Dilemma des Klimawandels. Ich habe stets betont, dass Literatur und besonders Poesie sich nicht instrumentalisieren lassen dürfen, weder von Politik noch von irgendeiner anderen vermeintlich notwendigen Pragmatik. Dennoch war es fruchtbar, sich als Dichter einzulassen auf eine Art Runden Tisch, an dem die mit dem Klimawandel einhergehenden Fragen diskutiert wurden. Meine Gespräche mit Schülern in Irland, Australien und Berlin waren hier von unschätzbarem Wert.

LITERATURPORTAL BAYERN: Wie werden Sie ihre Zeit in der Villa Concordia nutzen? Gibt es ein konkretes Projekt, an dem Sie arbeiten?

MIRKO BONNÉ: Ja, gleich zwei, beide sind Übersetzungsprojekte und lassen sich daher gut verknüpfen. Ich übersetze vier Erzählungen von Henry James, die von Überfahrten zwischen Amerika und Europa handeln und somit auch von den Gegensätzen der gesellschaftlichen Moral seinerzeit. Daneben übertrage ich eine Auswahl an Gedichten der US-amerikanischen Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Grace Paley. Sie ist eine hierzulande kaum bekannte, in den USA jedoch höchst angesehene Stimme der kritischen Auseinandersetzung mit Gewaltverherrlichung, Frauenunterdrückung und Fremdenhass. Paleys Lyrik ist jedoch gerade in ihrem Spätwerk frei von jeder apodiktischen Plakathaftigkeit. Paley starb 2007, sie war eine so bestimmte wie nachdenkliche Mahnerin, die gerade heute schmerzlich fehlt.

LITERATURPORTAL BAYERN: Sie sind bereits in die Villa Concordia eingezogen. Mit ihnen u.a. drei Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Literatur. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie Grenzen überschreiten – seien es Sprachgrenzen als Übersetzer, seien es Grenzen zwischen Kunstbereichen. Gibt es noch andere Gemeinsamkeiten? Was hoffen Sie, voneinander zu lernen?

MIRKO BONNÉ: Der Austausch mit den griechischen Kolleginnen und Kollegen ist nach vier Wochen ein eher menschlicher, ein sehr warmer. Es gibt gemeinsame Interessen, interessante Ansätze von übersetzerischer Team-Arbeit, es gibt Pläne, gemeinsam nach München zu fahren, um etwa im Museum Brandhorst Cy Twomblys Gemäldezyklus „Lepanto“ zu besichtigen. Ich bin mir sicher, dass es noch viele Gelegenheiten zu innigem Austausch geben wird.

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