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14.07.2017, 12:49 Uhr
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Interview mit dem Übersetzer und Stipendiaten des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia Theo Votsos - Teil II

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Bild: Theo Votsos (c)

Theo Votsos, 1966 in Stuttgart als Sohn griechischer Arbeitsmigranten geboren, arbeitet als freiberuflicher Übersetzer griechischer sowie deutschsprachiger Literatur und ist dieses Jahr Stipendiat der Villa Concordia in Bamberg. Daneben ist er für verschiedene Print- und Online-Medien als Film- und Literaturredakteur tätig. Votsos studierte in Konstanz und Tübingen Politikwissenschaften, Philosophie und Soziologie. Erste Übersetzungen entstanden bereits im Studium für das Tübinger Zeitschriftenprojekt Kassandra sowie im Rahmen eines Praktikums bei dem ehemaligen Kölner-Verlag Romiosini. Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2001, bei der Griechenland als Gastland auftrat, übersetzte Votsos mit Alexis Panselinos’ Zaide oder das Kamel im Schnee erstmals einen größeren Roman. Seit 2001 befindet sich sein Hauptwohnsitz in Köln, wo er seitdem für verschiedene Projekte in der freien Kulturszene, u. a. als Programmreferent für das Kölner Mittelmeer-Filmfestival und als Geschäftsführer des interkulturellen Theater- und Kulturzentrums „Bühne der Kulturen“, gearbeitet hat. Seit 2008 ist er ausschließlich als freiberuflicher Literaturübersetzer und Kulturredakteur tätig und übersetzt gemeinsam mit der griechischen Autorin und Übersetzerin Agoritsa Bakodimou auch deutsche Texte ins Griechische, darunter Adolf Muschg, Robert Walser, Jeremias Gotthelf und Eugen Ruge. 2016 erschien als bisher umfangreichstes Übersetzungsprojekt Das gelbe Dossier von M. Karagatsis.

Den ersten Teil des Interviews lesen Sie hier.

Literaturportal Bayern: Ihr letztes umfangreiches Übersetzungsprojekt war Das gelbe Dossier von M. Karagatsis. Dieses Projekt ist Ihnen besonders wichtig. Können Sie uns sagen, warum?

Theo Votsos: Ja, weil es im Prinzip, bis auf diese eine Ausnahme am Anfang meiner sogenannten literarischen Übersetzerkarriere, Alexis Panselinos’ Zaide, das erste größere Projekt war, das ich betreuen durfte. Die deutsche Literaturszene, die deutsche Verlagswelt, tut sich, bis auf wenige schillernde Ausnahmen, schwer mit zeitgenössischer oder klassischer griechischer Literatur. Das hat auch die Krise nicht entscheidend verändert, obwohl sie zum Beispiel dem griechischen Film zu internationaler Aufmerksamkeit verholfen hat. Bis auf wenigen Ausnahmen war das Interesse nicht so stark und es ist eigentlich diesem, als Literaturverlag noch nicht besonders aufgefallenem Verlag zu verdanken, dass Karagatsis – einer meiner Lieblingsautoren, den ich seit Kindheit aufgesogen habe – übersetzt werden konnte.

Das war irgendwie eine tolle Herausforderung und es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht. Ein Autor der europäischen Spitzenklasse, wie ich finde. Es laufen viele geistige Strömungen, die relevant waren im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, parallel. Vordergründig handelt es sich um einen Kriminalfall, der aber zugleich eine Auseinandersetzung mit der Literaturgeschichte selbst ist, ein Roman in einem Roman. Es geht darum, die Ursachen des Todes eines Autors zu ermitteln. Die Polizei stellt die Ermittlungen irgendwann ein, weil man von einem Suizid ausgeht. Der ermittelnde Polizeibeamte erzählt das einem Freund des verstorbenen Autors. Dieser Freund, zugleich Autor des Buches, fängt dann an zu erzählen. Er lernt eine mysteriöse Frau kennen, die ein gelbes Dossier mit Aufzeichnungen des Verstorbenen besitzt und nimmt dieses in seine Obhut.

Literaturportal Bayern: Wie kommen Sie zu Ihren Projekten? Suchen Sie sich Ihre Projekte selbst aus, sind es Herzensprojekte, die Sie übersetzen?

Theo Votsos: Zur Hälfte ja und zur anderen Hälfte sind es Aufträge. Wenn wir aus dem Deutschen ins Griechische übersetzen, dann kann man heute im Zuge der Krise nicht davon ausgehen, dass man einen Verlag findet, der einen auch bezahlen kann. Zwar gibt es noch Verlage. Jedoch leiden diese natürlich auch sehr stark unter den ökonomischen Bedingungen. Man muss also schauen, dass man Projekte vorschlägt, die auch eine Finanzierung mit sich bringen. Und was liegt da näher, als Projekte vorzuschlagen, die einen schweizerischen Bezug haben, weil Pro Helvetia noch relativ generös bei der Übersetzungsförderung mitmischt – auch das wird jetzt ein bisschen weniger.

Wir haben einen Autor vorgeschlagen – Muschg habe ich beispielsweise auch als Student gerne gelesen und das war auch ein Lieblingsprojekt von mir – und haben dann mit Hilfe der Kollegin einen Verlag gefunden und Pro Helvetia hat uns das Honorar bezahlt. Durch die vielen Aufenthalte in der Schweiz habe ich Walser und Gotthelf – und jetzt Keller –nachfolgen lassen.

Andere Verlage, mit denen ich zusammenarbeite, schlagen mir Titel vor, die sie selber herausbringen wollen. Bei griechischen Verlagen ist das Honorar entsprechend niedriger. Bei deutschen Verlagen mache ich selber auch Vorschläge. Durch meine vielen Griechenlandaufenthalte lerne ich Autoren kennen, übersetze auch welche, die mich selber bezahlen, um ein Exposé zu verfassen und einzureichen. Das ist auch konkret der Fall bei einer weiteren Großstipendiatin aus Bamberg, Lila Konomara, von der ich zunächst ein Buch übersetzt habe, dann auch Auszüge aus verschiedenen Büchern für einen Griechenland-Schwerpunkt der Zeitschrift Die Horen und jetzt – auch im Hinblick auf ihre Veranstaltung am 12. Juli in Bamberg – noch drei Erzählungen aus ihrem neuen Erzählband. Natürlich wollen die Autoren dann auch die Aufmerksamkeit deutscher Verlage. Dabei unterstütze ich sie – oft klappt es nicht, aber in seltenen Fällen klappt es.

Literaturportal Bayern: Sie wohnen jetzt seit April in der Villa Concordia in Bamberg. Was ist dort Ihr Projekt, mit dem Sie sich jetzt in erster Linie beschäftigen werden?

Theo Votsos: Einige Projekte sind schon abgeschlossen. Ich habe an einer Neuübersetzung eines Erzählbandes des jüngst verstorbenen griechischen Autors Christoforos Milionis gearbeitet. Es erscheint in Berlin bei der Edition Romiosini. Dieser Verlag war zuvor in Köln beheimatet. Die Verlegerin ist jetzt im Ruhestand und hat den Verlag an die Freie Universität in Berlin verschenkt, konkret an den Lehrstuhl für Neo-Gräzistik, der im Rahmen seiner philologischen Lehr- und Forschungstätigkeit die Reihe „Edition Romiosini“ herausgibt. Es handelt sich um sehr aufwühlende Erzählungen eines Autors, der aus der Region Epirus kommt, die, meist in der Gegenwart angesiedelt, sehr harmlos beginnen, dann aber immer in eine dunkle Epoche der jüngeren griechischen Geschichte münden: in die Epoche der deutschen Besatzung, des Widerstands, des Bürgerkriegs. Solche Traumata haben alle diese Erzählungen zum Thema. Dieses Projekt habe ich jetzt abgeschlossen und daneben die Veranstaltung für Lila Konomara vorbereitet. Daneben arbeite ich am Grünen Heinrich. Das ist ein Projekt, das mich auch über Bamberg hinaus noch eine Zeit lang beschäftigen wird.

Literaturportal Bayern: Dann danken wir Ihnen sehr, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit dem Literaturportal Bayern genommen haben.

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