Die neuen Stipendiaten der Villa Concordia

Fünfzehn Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und Litauen erhalten in diesem Jahr ein Stipendium des Freistaats Bayern für einen Arbeitsaufenthalt von fünf oder elf Monaten im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia Bamberg. Bei der Bekanntgabe der Stipendiaten betonte Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle: „Das Stipendium für das Internationale Künstlerhaus leistet einen wichtigen Beitrag, den kreativen Austausch zwischen Künstlerinnen und Künstlern zu fördern und sie in ihrem künstlerischen Wirken zu unterstützen. Es ist Anerkennung für ihr bisheriges Schaffen und gleichermaßen Motivation, unsere Kunstlandschaft auch weiterhin mit den vielfältigen Ausdrucksmitteln der Bildenden Kunst, der Literatur und Musik zu bereichern.“

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Die Stipendiatinnen und Stipendiaten können von April 2018 bis März 2019 die Wohn- und Arbeitsräume der Villa Concordia nutzen. Zudem stehen ihnen monatlich 1.500 Euro zur Verfügung. Die Künstlerinnen und Künstler nehmen mit ihren Arbeiten an öffentlichen Veranstaltungen des Internationalen Künstlerhauses teil und prägen damit das kulturelle Leben der Stadt Bamberg in dieser Zeit mit.

Seit der Errichtung des Internationalen Künstlerhauses in Bamberg im Oktober 1997 werden in den Sparten Bildende Kunst, Literatur und Musik jedes Jahr Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und aus einem anderen Land als Stipendiaten des Freistaats eingeladen. Die ausländischen Stipendiaten der vergangenen Jahre kamen u. a. aus Frankreich, Norwegen, Polen, Schottland und zuletzt Griechenland.

Die diesjährigen Stipendiatinnen und Stipendiaten reisen im April oder Oktober 2018 aus Litauen und verschiedenen Teilen Deutschlands nach Bamberg an, um von dort aus für fünf oder elf Monate als bildende Künstler, Komponisten und Autoren zu arbeiten. In einer lockeren Interviewrunde stellt Nora-Eugenie Gomringer die insgesamt 15 „neuen Bamberger-auf-Zeit“ am Dienstag, 15. Mai 2018 um 19:00 Uhr im Saal der Villa Concordia vor; der Eintritt ist frei.

Für das Aufenthaltsstipendium in der Villa Concordia können sich die Künstler nicht selbst bewerben, sondern werden von einem Kuratorium dem bayerischen Staatsminister des Ministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst zur Vergabe vorgeschlagen. Folgende Persönlichkeiten haben ihr Stipendium angenommen:

2018 sind in der Sparte Literatur folgende deutsche und litauische Künstlerinnen und Künstler in die Villa Concordia nach Bamberg eingeladen:

 

Line Hoven (D)

Jahrgang 1977, ist Comiczeichnerin und Illustratorin, sie lebt in Hamburg. Ihre Arbeitsweise ist – so könnte man sagen – die gefährlichste Art zu zeichnen. Sie kratzt ihre Motive mit einem Messer in Schabkartons. So entstehen schwarz-weiße Kunstwerke, deren fein ausgearbeiteten Details Geschichten voller hintergründigem Humor erzählen. Entwickelt hat Line Hoven ihre Technik während der Studienzeit in Kassel und Hamburg. Einige wichtige Stationen: Die Graphic Novel Liebe schaut weg wurde in mehrere Sprachen übersetzt und u. a. mit dem e. o. Plauen Förderpreis ausgezeichnet. In Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Jochen Schmidt erschienen die Serien Dudenbrooks und Schmythologie in der F.A.Z. und als Bücher bei Jacoby & Stuart, sowie C. H. Beck. Außerdem veröffentlicht Line Hoven regelmäßig in Magazinen und Zeitungen, zuletzt die Serie Paargespräche im Magazin Chrismon. 2017 wurde sie zur Max Kade Gast-Professur ans Dartmouth College in den USA berufen und mit dem Hans-Meid-Preis für Buchillustration geehrt.

 

Undiné Radzevičiūtė (LT)

geboren 1967 in Vilnius, studierte an der Kunstakademie Vilnius Kunstgeschichte, -theorie und -kritik. Kurz vor Ende ihrer Dissertation begann sie in einer internationalen Werbeagentur zu arbeiten, wurde Kreativdirektor bei Saatchi & Saatchi (Vilnius), bei Leo Burnett Vilnius und arbeitete über zehn Jahre für weitere Werbeagenturen. 2003 erschien ihr erster Roman Strekaza. 2011, 2013 und 2017 kamen ihre Werke u. a. auf die litauische Shortlist der besten Bücher des Jahres. Ihr viertes Buch Fische und Drachen gewann 2015 den Literaturpreis der Europäischen Union und wurde vom PEN Zentrum Litauen unter die besten Bücher des Jahrzehnts gewählt. 2017 erschien die deutsche Übersetzung im Residenz Verlag.

 

Najem Wali (D)

1956 im irakischen Basra geboren, wurde als anders Denkender inhaftiert und gefoltert. Er flüchtete 1980 nach Ausbruch des Iran-Irak-Kriegs nach Deutschland. 1988 schloss er das Germanistik Studium in Hamburg ab und begann ein Studium der spanischen Literatur an der Universität Complutense Madrid. Er war lange Zeit Kulturkorrespondent der bedeutendsten arabischen Tageszeitung Al-Hayat und schreibt regelmäßig u. a. für die Süddeutsche Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung, die TAZ und den Spiegel. Er veröffentliche zahlreiche Romane und Erzählungen. Im Carl Hanser Verlag erschien zuletzt sein Roman Bagdad Marlboro, für den er den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch 2014 erhielt, sowie Bagdad. Erinnerungen an eine Weltstadt (2015). Seine Bücher sind in mehrere Sprachen übersetzt. Im Februar 2018 erschien sein neuer Roman Saras Stunde im Carl Hanser Verlag. Heute lebt Wali als freier Schriftsteller und Journalist in Berlin.

 

Marius Ivaškevičius (LT)

wurde 1973 in Molétai geboren und arbeitet als Journalist, Prosa- und Drehbuchautor, Dramatiker und Regisseur. Bis zum Magisterabschluss studierte er Lituanistik an der Universität in Vilnius, war Zeitungsredakteur, dann für die Kultursparte des Litauischen Fernsehens tätig. 1996 erschien seine erste Sammlung von Kurzgeschichten, 1998 folgte der Roman Istorija nuo debesies (Geschichten aus der Wolke) über die Entwicklung Litauens anhand der niemals endenden Wiederholung, wie die des Wasserkreislaufs. Mit dem Stück Kaimynas (The Neighbour) debütierte er 1998 als Dramatiker und gewann den nationalen Drama-Wettbewerb. Sein Roman Žali (Die Grünen) von 2002 handelt von der Absurdität des bis Anfang der 1950er Jahre tobenden litauischen Partisanenkriegs und erschien 2013 in deutscher Übersetzung. Bis 2012 folgten fünf weitere Dramen. Beim Kinofilm Santa 2014 schrieb er das Drehbuch und führte zusätzlich Regie. 2017 wird er als ›Person of Tolerance‹ der Sugihara Foundation ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Vilnius.

 

Senthuran Varatharajah (D)

geboren 1984 in Jaffna/Sri Lanka, wuchs mit seiner Familie, die vor dem Bürgerkrieg auf Sri Lanka nach Deutschland floh, in Oberfranken auf und studierte Philosophie, evangelische Theologie und Kulturwissenschaft in Marburg, Berlin und London. Ein Auszug seines späteren Debütromans Vor der Zunahme der Zeichen (S. Fischer, 2016) wurde bereits 2014 mit dem 3Sat-Preis während der 38. Tage der deutschsprachigen Literatur ausgezeichnet. Der Roman erhielt u. a. 2017 den Bremer Literaturförderpreis, den Adalbert-von-Chamisso-Förderpreis und den Rauriser Literaturpreis. Neben weiteren Auszeichnungen und Stipendien nahm Varatharajah Ende 2017 ein dreimonatiges Aufenthaltsstipendium der Villa Aurora in Los Angeles wahr.

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