Als Schriftstellerin in Berg am Laim
Links die Kirche St. Michael in Berg am Laim. Rechts Innenaufnahme mit Gunna Wendt und dem Hl. Rochus (Foto: Rohrbach)
Als ich vor fast zwanzig Jahren von Laim nach Berg am Laim zog, ging es auch mit dem Schreiben aufwärts: Fast alle meine Bücher sind hier entstanden. Vielleicht war es der Straßenname, der mich anspornte: Jella Lepman.
Wo sich früher Erdbeerfelder erstreckten, wurde nun eine Literaturliebhaberin gewürdigt, die in München literarische Spuren hinterlassen hat: 1949 gründete sie hier die Internationale Jugendbibliothek, die sie bis Ende der 1950er Jahre leitete. Die Journalistin, Autorin und Übersetzerin Jella Lepman (1891-1970) war 1936 nach England emigriert und 1945 nach Deutschland zurückgekehrt. Ihre besondere Aufmerksamkeit und ihr fantasievolles Engagement galten der Kinder- und Jugendliteratur. Vor allem auch ihre Hoffnung: Jella Lepman glaubte unerschütterlich daran, dass die Literatur den Blick weitet, Empathie und Verständnis schafft und daher einen entscheidenden Beitrag bei der Erziehung zur Toleranz leistet. Ihre eigene Aufgabe sah sie vor allem als Vermittlerin und Initiatorin. Sie verfasste Kinderbücher, fungierte als Herausgeberin und lieferte den Anstoß für Erich Kästners berühmte Konferenz der Tiere.
Es ist wohltuend und inspirierend, jeden Tag ihren Namen auf dem Straßenschild zu lesen, wenn man eine Schreibpause macht – im Sommer etwa zum Ostpark spaziert, am See in der Sonne sitzt, die Lebendigkeit und Vielfalt – jung und alt, bayerisch und international – um sich herum genießt. Am Abend ein Spezi oder Radler mit Sonnenuntergang möglichst direkt am Wasser, wo die Enten manchmal lästig werden, am Nachmittag Kaffee und Ausgezogene unter weißblauem Himmel.
Wenn die Schreibpause nicht in erster Linie der Erholung dient, sondern der Klärung, sind andere Spazierwege angesagt – zum Beispiel zur Kirche St. Michael, die große Namen der Kunst und Baukunst vereint: erbaut von Johann Michael Fischer mit Deckenfresken von Johann Baptist Zimmermann, Skulpturen von Johann Baptist Straub und einem kleinen Schaukasten, in dem eine Kapelle mit einem Glockenturm zu sehen ist. Drückt man den Knopf an der Seite, wird die Szenerie erleuchtet. Die Glocken beginnen zu läuten, die Tür der Kapelle öffnet sich, ein Engel tritt heraus und spendet seinen Segen.
Ein weiterer Spazierweg, der zu empfehlen ist, wenn man Ordnung in seine Gedanken bringen will, führt durch den Parkstreifen an der Waldstraße, immer geradeaus bis zum Groschenweg und wieder zurück. Ein klarer Weg, der die Gedanken klärt. Manchmal ein Bedauern an der Abzweigung zur Sonnwendjochstraße: Dort gab es ein griechisches Lokal mit einem schönen Garten und moderner griechischer Musik. Es ist verschwunden. Jetzt ist dort alles still.
Um noch südlicheres Flair als das Münchnerische zu genießen, geht man am besten in die andere Richtung zur Baumkirchner Straße ins Pastello. Es dauert nicht lange, bis man sich wie in Italien fühlt: draußen im Gastgarten an der Autostrada bei Eis und Espresso genauso wie drinnen beim Pasta und Grappa.
Von dort aus sieht man einen der neuen Münchner Tower, das 100 Meter hohe Hochhaus, in das vor einigen Jahren die Süddeutsche Zeitung eingezogen ist. Und um die Ecke befindet sich der Sitz der Verlagsgruppe Random House, zu der fast 50 Verlage gehören. Literatur also allgegenwärtig in Berg am Laim? Eine der größten deutschen Zeitungen und eine der weltgrößten Verlagsgruppen in nächster Nachbarschaft. Was fehlt, ist eine Buchhandlung. Irgendwann vor zehn Jahren gab es mal eine in diesem Eck – schräg gegenüber vom Pastello, doch sie existierte nur wenige Monate. Also müssen wir Bücherliebhaber in die schönste Trambahnlinie der Stadt – die 19 – steigen und Berg am Laim verlassen, um uns unserer Bücherleidenschaft hinzugeben, im Ohr Jella Lepmans Worte: „Gebt uns Bücher, gebt uns Flügel.“
Textauszug aus der Jubiläumsschrift 100 Jahre Berg am Laim München, mit Beiträgen von Ulrike Budde, Erich Kasberger, Christl Knauer-Notha, Carl-Ludwig Reichert, Bettina Seeger-Ullmann und Gunna Wendt. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Volk Verlags.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Eingemeindung von Berg am Laim nach München hat der Bezirksausschuss Berg am Laim gemeinsam mit dem Volk Verlag eine Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum herausgegeben: Interessierte erhalten diese Festschrift kostenlos in vielen Geschäften und Einrichtungen in Berg am Laim sowie hier als pdf-Datei zum Download.
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Links die Kirche St. Michael in Berg am Laim. Rechts Innenaufnahme mit Gunna Wendt und dem Hl. Rochus (Foto: Rohrbach)
Als ich vor fast zwanzig Jahren von Laim nach Berg am Laim zog, ging es auch mit dem Schreiben aufwärts: Fast alle meine Bücher sind hier entstanden. Vielleicht war es der Straßenname, der mich anspornte: Jella Lepman.
Wo sich früher Erdbeerfelder erstreckten, wurde nun eine Literaturliebhaberin gewürdigt, die in München literarische Spuren hinterlassen hat: 1949 gründete sie hier die Internationale Jugendbibliothek, die sie bis Ende der 1950er Jahre leitete. Die Journalistin, Autorin und Übersetzerin Jella Lepman (1891-1970) war 1936 nach England emigriert und 1945 nach Deutschland zurückgekehrt. Ihre besondere Aufmerksamkeit und ihr fantasievolles Engagement galten der Kinder- und Jugendliteratur. Vor allem auch ihre Hoffnung: Jella Lepman glaubte unerschütterlich daran, dass die Literatur den Blick weitet, Empathie und Verständnis schafft und daher einen entscheidenden Beitrag bei der Erziehung zur Toleranz leistet. Ihre eigene Aufgabe sah sie vor allem als Vermittlerin und Initiatorin. Sie verfasste Kinderbücher, fungierte als Herausgeberin und lieferte den Anstoß für Erich Kästners berühmte Konferenz der Tiere.
Es ist wohltuend und inspirierend, jeden Tag ihren Namen auf dem Straßenschild zu lesen, wenn man eine Schreibpause macht – im Sommer etwa zum Ostpark spaziert, am See in der Sonne sitzt, die Lebendigkeit und Vielfalt – jung und alt, bayerisch und international – um sich herum genießt. Am Abend ein Spezi oder Radler mit Sonnenuntergang möglichst direkt am Wasser, wo die Enten manchmal lästig werden, am Nachmittag Kaffee und Ausgezogene unter weißblauem Himmel.
Wenn die Schreibpause nicht in erster Linie der Erholung dient, sondern der Klärung, sind andere Spazierwege angesagt – zum Beispiel zur Kirche St. Michael, die große Namen der Kunst und Baukunst vereint: erbaut von Johann Michael Fischer mit Deckenfresken von Johann Baptist Zimmermann, Skulpturen von Johann Baptist Straub und einem kleinen Schaukasten, in dem eine Kapelle mit einem Glockenturm zu sehen ist. Drückt man den Knopf an der Seite, wird die Szenerie erleuchtet. Die Glocken beginnen zu läuten, die Tür der Kapelle öffnet sich, ein Engel tritt heraus und spendet seinen Segen.
Ein weiterer Spazierweg, der zu empfehlen ist, wenn man Ordnung in seine Gedanken bringen will, führt durch den Parkstreifen an der Waldstraße, immer geradeaus bis zum Groschenweg und wieder zurück. Ein klarer Weg, der die Gedanken klärt. Manchmal ein Bedauern an der Abzweigung zur Sonnwendjochstraße: Dort gab es ein griechisches Lokal mit einem schönen Garten und moderner griechischer Musik. Es ist verschwunden. Jetzt ist dort alles still.
Um noch südlicheres Flair als das Münchnerische zu genießen, geht man am besten in die andere Richtung zur Baumkirchner Straße ins Pastello. Es dauert nicht lange, bis man sich wie in Italien fühlt: draußen im Gastgarten an der Autostrada bei Eis und Espresso genauso wie drinnen beim Pasta und Grappa.
Von dort aus sieht man einen der neuen Münchner Tower, das 100 Meter hohe Hochhaus, in das vor einigen Jahren die Süddeutsche Zeitung eingezogen ist. Und um die Ecke befindet sich der Sitz der Verlagsgruppe Random House, zu der fast 50 Verlage gehören. Literatur also allgegenwärtig in Berg am Laim? Eine der größten deutschen Zeitungen und eine der weltgrößten Verlagsgruppen in nächster Nachbarschaft. Was fehlt, ist eine Buchhandlung. Irgendwann vor zehn Jahren gab es mal eine in diesem Eck – schräg gegenüber vom Pastello, doch sie existierte nur wenige Monate. Also müssen wir Bücherliebhaber in die schönste Trambahnlinie der Stadt – die 19 – steigen und Berg am Laim verlassen, um uns unserer Bücherleidenschaft hinzugeben, im Ohr Jella Lepmans Worte: „Gebt uns Bücher, gebt uns Flügel.“
Textauszug aus der Jubiläumsschrift 100 Jahre Berg am Laim München, mit Beiträgen von Ulrike Budde, Erich Kasberger, Christl Knauer-Notha, Carl-Ludwig Reichert, Bettina Seeger-Ullmann und Gunna Wendt. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Volk Verlags.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Eingemeindung von Berg am Laim nach München hat der Bezirksausschuss Berg am Laim gemeinsam mit dem Volk Verlag eine Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum herausgegeben: Interessierte erhalten diese Festschrift kostenlos in vielen Geschäften und Einrichtungen in Berg am Laim sowie hier als pdf-Datei zum Download.