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05.03.2018, 18:53 Uhr
Redaktion
Gespräche

Interview mit der Übersetzerin und Villa Concordia-Stipendiatin Lila Konomara

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Foto: Lila Konomara

Die griechische Schriftstellerin und Übersetzerin Lila Konomara ist eine der StipendiatInnen der Villa Concordia in Bamberg, die seit April 2017 für elf Monate dort wohnen und arbeiten dürfen. In der Sparte LITERATUR haben 2017 sieben Autorinnen und Autoren aus Griechenland und Deutschland das Stipendium angetreten. Der Aufenthalt in der Villa Concordia soll bereits etablierten Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, ohne zeitlichen oder finanziellen Druck, inspiriert durch die Begegnung mit anderen internationalen KünstlerInnen, an neuen Projekten zu arbeiten.

Die gebürtige Athenerin veröffentlichte 2002 mit dem Novellen-Diptychon Makao ihr erstes literarisches Werk, das ihr direkt einen Platz in der Shortlist des Griechischen Staatspreises für Erzählung einbrachte. Zwei Jahre darauf erschienen ihr Roman Tésseris Epochés – Leptomereia („Vier Jahreszeiten – Detail“) sowie der Kinderroman Stis 11 kai 11 akrivós („Genau um 11 Uhr 11“). Danach erschienen I Anaparastassi (Die Rekonstruction, 2009) und To Dipno (The Dinner, 2012). Ihr vorläufig letzter Roman, I Anisihies tou Geometri ("The worries of the geometer"), erschien 2014. Das Literaturportal Bayern hat mit Lila Konomara bereits letztes Jahr über ihre Arbeit gesprochen. Nun, nach fast einem Jahr ihres Aufenthalts, haben wir erneut bei ihr nachgefragt

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Literaturportal Bayern: Wie würden Sie Ihre Erlebnisse in diesem Jahr in der Villa Concordia beschreiben? Haben Sie Unterschiede im Vergleich zum Vorjahr festgestellt?

Lila Konomara: Die sechs Monate während meines Aufenthaltes in der Villa Concordia waren für mich eine einzigartige Erfahrung. Es war das erste Mal nach vielen Jahren, dass ich so viel Zeit außerhalb meiner Heimat und meines Landes verbracht habe, und ich war begeistert, aber gleichzeitig auch ein wenig besorgt darüber. Ich hatte die Gelegenheit, nicht nur viel und ungestört zu arbeiten, sondern auch interessante Menschen kennenzulernen und viele schöne Orte in ganz Deutschland zu besuchen. Bamberg wurde ein Teil meines Lebens und nahm einen Platz in meinem Herzen ein. Als ich für ein paar Tage Berlin besuchte, hatte ich auf dem Rückweg nach Bamberg das Gefühl, dass ich nach Hause zurückkehrte. Ich ging auf der Straße spazieren und die Leute winkten mir zu, als wäre ich ein Teil der Stadt geworden.

Aber das Interessanteste daran, so lange an einem Ort zu bleiben, ist, denke ich, sich selbst zu beobachten: wie man auf neue Dinge und Herausforderungen reagiert, wie sich das neue Leben in die Arbeit einmischt, wie sich die Gefühle im Laufe der Zeit entwickeln, die Gedanken, die man über das Leben zu Hause hat, die Entscheidungen, die man für die Zukunft trifft. Mit anderen Worten, Deine Arbeit und Dein Leben aus der Perspektive zu sehen.

 

Sind Sie mit den Ergebnissen Ihrer Arbeit in der Villa zufrieden oder möchten Sie etwas ändern?

Alle Autoren sind sehr sensibel, was die Umgebung in Bezug auf ihre Arbeit angeht. Sie haben ihre Gewohnheiten, ihre Routine, und Dinge wie die Aussicht, das Licht oder der Lärm können sie stark beeinflussen. Die Villa als Kulisse und die Verantwortlichen boten mir beste Arbeitsbedingungen. Ich bin mit den Ergebnissen meiner Arbeit sehr zufrieden, da ich meinen Roman fertiggestellt habe, der im April unter dem Titel Möge diese Welt bleiben nach einem Gedicht von Yves Bonnefoy („Que ce monde demeure“) erscheinen wird. Da es sich um ein Buch über Übergänge handelt – auf persönlicher, aber auch auf sozialer und politischer Ebene – war es für mich interessant, einen solchen Übergang selbst zu erleben, während ich ihn schrieb.

 

Sie leben mit 15 weiteren deutschen und griechischen KünstlerInnen zusammen. Wie wichtig ist die Arbeit einer harmonisierenden Künstlergruppe für Ihre eigene Arbeit?

Praktisch gesehen, war es sehr beruhigend zu wissen, dass um mich herum andere Künstler arbeiteten, motiviert durch das gleiche innere Bedürfnis, Gefühlen oder Gedanken eine Form zu geben. Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mehr oder weniger mit den gleichen Fragen und Themen, obwohl sich das Medium und die Herangehensweise ändern, vor allem wenn es sich um Personen unterschiedlicher Generationen und Kulturen handelt. Ich habe viel von den Jüngeren gelernt, ihre Vertrautheit mit den neuen Technologien, die eine Welt für sich schaffen, ihre Praxisbezogenheit, ihr besseres Wissen und ihre Kontakte zum Markt. Wir hatten sehr fruchtbare Gespräche über die Kunst von heute und fanden Zusammenhänge nicht nur in unseren Recherchen, sondern auch in der Öffentlichkeit oder in den Anforderungen des Marktes und den Auswirkungen der Globalisierung. Wir Autoren fanden es manchmal schwierig, zeitgenössische Musik oder Konzeptkunst zu verstehen, aber gleichzeitig erkannten wir, wie schwierig ein Buch von Beckett oder David Foster Wallace für ein nicht eingeweihtes Publikum sein kann. Wir fanden auch Ähnlichkeiten in den verschiedenen Formen, die der Realismus sowohl in der Kunst als auch in der Literatur annimmt. Die verschiedenen Ereignisse, die in der Villa stattfanden, ließen mich ganz andere Werke entdecken und bestimmte Dinge überdenken. Die Sprachbarriere war manchmal ein Problem, und es tat mir leid, dass ich nicht in der Lage war, mehr von den Arbeiten der anderen deutschen Schriftsteller zu verstehen und zu lesen. Übersetzungen sind so wichtig, und ich wünsche mir, dass in Zukunft noch mehr griechische AutorInnen übersetzt werden, damit die deutsche Öffentlichkeit ein vollständigeres Bild der zeitgenössischen griechischen Literatur bekommt und sich nicht an Stereotypen wie Alexis Sorbas, der Antike oder den idyllischen und malerischen Szenen heißer Sommer am Meer klammern muss.

 

Wie wirkt sich Ihre Umgebung generell auf Ihre Arbeit und Ihre fiktiven Charaktere aus? Können Sie Einflüsse während des Schreibprozesses feststellen?

Das Schreiben eines Romans bedeutet ein Universum aufzubauen, und das ist etwas, was nach und nach geschieht. Eine lange Zeit vorher, aber auch während des Schreibens, formt man nach und nach die Charaktere, das Setting, den Stil, den Rhythmus, die Struktur bzw. die Handlung. Selbst wenn man scheinbar nicht daran arbeitet, gibt es immer einen Teil von einem selbst, der dem Buch verpflichtet ist und sich auf dieses bezieht. Eine besondere Geste, das Design eines Kleides, eine seltsame Geschichte, die man von jemandem gehört hat – man kann alles sammeln, was zweckdienlich ist. Das ist der Grund, warum Schriftsteller im Allgemeinen sehr aufmerksam sind und es lieben, Gespräche zu belauschen. Alles kann für sie zur Geschichte werden. Was für mich sehr oft funktioniert, ist die Musik. Zweimal, während eines Konzerts der Bamberger Symphoniker (Musik ist eines der Dinge, die ich in Deutschland am meisten genossen habe), löste ich ein Problem mit meinem Buch. Plötzlich fand ich den genauen Ton und das Hauptthema eines meiner Charaktere sowie die Form eines schwierigen Kapitels.

 

Sie haben auch Kinderbücher veröffentlicht. Wo sehen Sie Herausforderungen in dieser Form des Schreibens? Und was gefällt Ihnen daran?

Ich habe ein Buch für Kinder geschrieben, als mein Sohn 9 Jahre alt war. Tatsächlich war es sein Lehrer, der mich gebeten hat, ein Stück für seine Klasse zu schreiben. Ich fand das Ganze sehr spannend, denn ich kannte die Kinder und musste für jedes von ihnen Rollen kreieren. Ich habe auch an den Proben und der Regie des Stückes teilgenommen. Das Wichtigste für mich war, dass die Kinder viel Spaß hatten. Das Vergnügen steht immer im Vordergrund, nicht wahr? Gleichzeitig war das Stück ein Teil meiner Verbundenheit zu meinem Sohn.

Ein Jahr später machte ich aus dem Stück einen Roman. Ich besuchte viele Schulen und diskutierte mit den Kindern. Ich hörte erstaunliche Dinge, ich war erstaunt über ihre Phantasie. Einige von ihnen erinnerten mich in ihrem Alter an mich selbst. Da ich Schwierigkeiten hatte, mit der Realität umzugehen, erfand ich Geschichten. Und das ist auch einer der Gründe, warum es Bücher gibt, oder? Um uns zu helfen, die Welt zu verstehen und mit ihr umzugehen.

 

Übersetzung des Interviews aus dem Englischen von Literaturportal Bayern

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