Info
Geb.: 19. 2.1920 in Berlin
Gest.: 3. 6.1983 in Erlangen
Foto: Ehrentraud Dimpfl
Titel: Dr. phil.

Franz Joachim Behnisch

Franz Joachim Behnisch wird am 19. Februar 1920 in Berlin-Schöneberg, nahe dem alten Matthäifriedhof geboren, der ihm als Schauplatz wechselnder Szenerien frühzeitig den Blick für Historie öffnet. Seine väterlichen Vorfahren stammen aus Oberschlesien. 1938 legt er sein Abitur ab und leistet seinen „Arbeitsdienst“ (RAD) in Schlesien und in der Saarpfalz ab. Nach Beginn seines Germanistik-Studiums an der Universität Berlin nimmt er ab 1940 als Infanterist der großdeutschen Wehrmacht am Zweiten Weltkrieg teil. 1945 gerät er in russische Gefangenschaft, die er u.a. in einem Lager bei Tscherepowez im Norden Russlands verbringt und aus der er im Winter 1948 entlassen wird. Ab 1950 setzt er sein Studium an der Universität München fort. 1951 legt er dort sein Staatsexamen ab. Von 1952 bis 1979 ist Behnisch Lehrer für Deutsch und Geschichte am Kepler-Gymnasium in Weiden in der Oberpfalz. 1962 promoviert Behnisch an der Universität Würzburg bei Josef Dünninger, dem „Vater der fränkischen Volkskunde“,  mit einer volkskundlichen Arbeit zum Doktor der Philosophie.

Franz Joachim Behnisch verfasst in seiner ihm vom Schicksal zugedachten Oberpfälzer Wahlheimat Romane, Grotesken, zahlreiche Hörbilder (sämtlich von Radio Bremen gesendet) und immer wieder Gedichte. Erste gedruckte Gedichte („Ostländische Sommerzeit“, „Dunkle Stunde“) finden sich in Aber das Herz hängt daran. Ein Gemeinschaftswerk der Heimatvertriebenen (1955). Franz Joachim Behnisch wählt besonders gern und meisterlich die kleine Erzählform. In den Mikrokosmen der zahlreichen Kurzgeschichten in namhaften Anthologien und literarischen Zeitschriften verbindet er spannungsreich, heiter und auch ironisch oft scheinbar Unvereinbares miteinander, Historie und Alltagsgeschichte, Raum und Zeit übergreifend. Die einzelnen Ebenen werden verschoben, und es entstehen neue Wirklichkeiten außerhalb der Wirklichkeit. Und immer wieder Skurrilitäten. Behnisch, dem als Lehrer und Partner, als dem literarischen Anreger und Förderer, liberal und dennoch mit natürlicher Autorität, wahre sokratische Begegnungen mit den Jugendlichen gelingen, hat immer wieder seine vielfältigen Erfahrungen mit dem Bereich Schule literarisch und vergnüglich skizziert und gestaltet. In seinen Geschichten erreicht er eine phantastische Genauigkeit ganz im Musil'schen Sinne.

Franz Joachim Behnisch ist ein Meister des psychologisch motivierten Stils, in dem das Bewusste und Unbewusste, die Wirklichkeit und die Illusion ineinander fließen. Davon zeugen nicht zuletzt seine ausgezeichneten Berlin-Romane, deren Hintergrund das Zerbrechliche der Zeitgeschichte erahnen lässt. Viele lokalbezogenen Gedichte („Bürgerbräu“, „Kroatenstein“, „Grauer Tag in Waldpreppach“ oder „Eisenbahnstadt“) sowie die satirische Akzente-Kurzprosa des „Studienrates Otto Stettin“ in den vorzüglichen Wald-Preppach-Geschichten erinnern wiederum an seine langjährige Wahlheimat Weiden in der Oberpfalz. Letztlich bringt Behnisch Weiden in die Belletristik ein. Eine langjährige Künstlerfreundschaft verbindet ihn mit dem in Nürnberg im Exil lebenden tschechischen Schriftsteller und Lyriker Walter Zahorka.

Am 3. Juni 1983 stirbt Franz Joachim Behnisch in Erlangen. Es ist das große Verdienst seiner Muse „Libussa“ (Ehrentraud Dimpfl, 3. September 1923-17. Juli 2014), die sich insbesondere nach seinem Tod engagiert und einfühlsam um die Publizierung der unveröffentlichten Prosastücke kümmert. So können der Berlin-Roman Im Gleisdreieck 2006 im niveauvollen Rimbaud-Verlag veröffentlicht werden, der 1966 erstmals unter dem Namen Rummelmusik  erscheint. Im Rückblick ist er der erste in einer Berlin-Trilogie, die durch Blumenkorso oder das Jahr 37 (posthum 2004 im Rimbaud-Verlag) und Eislauf (posthum 1994 im Berliner Verlag Das Arsenal) vollendet wird. Ergänzend gehört sogar der Roman Nicht mehr in Friedenau (1982) noch dazu. Behnisch' panoramatische Erzähltechnik in seinen konzentrierten Episoden-Texten kommt dem Schwung, dem Takt und Tempo Berlins im Wandel jener Zeit sehr entgegen. Als Zeitzeuge und genauer Beobachter erzählt Behnisch im historischen Rückspiegel analytisch präzise und mit poetischer Empfindsamkeit anschaulich-packend das Persönliche und Private.

Grabstein F. J. Behnisch und seiner Muse „Libussa“ im Weidener Waldfriedhof. Foto: Veit Wagner

Besondere Würdigung verdienen die ebenfalls von der Weidener Pädagogin Ehrentraud Dimpfl initiierten bibliophilen Behnisch-Bände in der edition fundamental (Fulda). Alle Texte sind im Handsatz aus der Trajanus-Handpressendruck erstellt worden. So ist mittlerweile für ausgesprochene Behnisch-Liebhaber eine exzellente Lesebuch-Reihe erschienen, die mit den Gedichten Der Kaiser am Dach (1998, mit einem Nachwort von Hans Bender) beginnt, den Gedichten Lektion in Abschied (1999) fortgeführt wird und über die Kurzprosa Es klopft, Barin (2003), die Alte Sommerfrische Agnetendorf (Erinnerungen an Gerhart Hauptmann, 2004) mit dem Gedichtband Soviel Eis, soviel Flamme (2006) und den Geschichten aus dem alten Berlin Medaillon (2008) zu einer beliebten Serie für Behnisch-Fans geworden ist.

Nach dem Tod von Ehrentraud Dimpfl im Juli 2014 geht der Nachlass von Franz Joachim Behnisch an Simone Lutz, die über Behnisch promoviert, und wird im März 2016 dem Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg übergeben. In dem Bestand befinden sich nicht nur Lebenszeugnisse, Fotografien, Werkmanuskripte und Korrespondenzen Behnischs, sondern auch Kuriosa wie eine Zinnfigurensammlung des leidenschaftlichen Sammlers. Ebenfalls befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach ein Teilnachlass von Handschriften- und Zeitschriftensammlungen mit weiteren literarischen Archivmateralien Behnischs.

Dimpfls und Behnischs gemeinsames Grab befindet sich im Waldfriedhof in Weiden. Seit 2015 trägt der Veranstaltungs- und Aktionsraum der Regionalbibliothek Weiden den Namen „Franz-Joachim-Behnisch-Saal“. Die Laudatio auf den literarischen Namensträger hält am 7. Juli 2016 Wolfgang Herzer, 1. Vorsitzender des Kunstvereins Weiden und Träger des Kulturpreises Bayern. Der hinter der Bibliothek befindliche Verbindungsweg zwischen Asylstraße und historischem Flurerturm soll künftig den Namen „Franz-Joachim-Behnisch-Weg“ tragen und an der entlangführenden historischen Stadtmauer von Behnisch-Gedichten gesäumt werden.

Verfasst von: Bernhard M. Baron / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Baron, Bernhard M. (1983): Auf der Spur unserer Vergangenheit. Franz Joachim Behnisch – einer von uns. In: Alkofer, Andreas; Voit, Stefan (Hg.): Weidener Lesebuch. Windrad-Verlag, Weiden i.d. OPf., S. 12-15.

Ders. (2010): Franz Joachim Behnisch zum 90. Geburtstag. Zeit für eine literarische Renaissance. In: Literatur in Bayern 26. Nr. 101, S. 28-31.

Ders. (2013): Franz Joachim Behnisch (1920-1983). Hommage zum 30. Todestag eines humanistischen Schriftstellers. In: Oberpfälzer Heimat 57, S. 5-16.

Büchl, Marion; Moser, Dietz-Rüdiger; Schedl, Susanne (1997): Franz Joachim Behnisch. In: Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 1: A-J. Nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München, S. 92-94.

Gasseleder, Klaus (2011): „Es sollte eine Liebesreise werden“. Im Gedenken an Franz Joachim Behnisch. In: Literatur in Bayern 26, Nr. 102/103, S. 56-61.

Grill, Harald (2003): Jäger auf dem Hoffnungsstrich. Franz Joachim Behnisch – ein Berliner Schriftsteller aus Weiden in der Oberpfalz. Essay in der Reihe „Land und Leute“. BR-Hörfunk, 14. September. (30 Min.)

Kirsten, Wulf (2012): das eigentliche. Franz Joachim Behnisch nachgerufen. In: Wulf Kirsten, fliehende ansicht. Gedichte, S. Fischer Verlag, Frankfurt, S. 32f.

Lutz, Simone Eva (2006): Die Erkenntnis zum Traum. Zur Valenz und Variabilität der Traum-Metapher im literarischen Werk von Franz Joachim Behnisch. S. Roderer-Verlag, Regensburg. (Diss.)

Stemmer, Thomas (2020): Eine literarische Liebesreise. Der Berliner Schriftsteller Franz Joachim Behnisch wurde vor 100 Jahren geboren und war immer ein Geheimtipp. In: Der neue Tag (Weiden i.d. OPf.), 15. Februar, S. 51.

Ders. (2020): Behnischiana. Über den Schriftsteller Franz Joachim Behnisch (1920-1983) und sein Werk. Hg. vom Kulturamt der Stadt Weiden i.d. OPf. [Sonderdruck anlässlich des 100. Geburtstags]

Wagner, Veit (2013): Sprachspieler, Wortspieler, Jongleur mit Metaphern. Zum Gedenken an den Weidener Schriftsteller und Pädagogen Franz Joachim Behnisch, der vor 30 Jahren starb. In: Der neue Tag (Weiden i.d. OPf.), Kultur, Nr. 124, 1./2. Juni 2013, S. 45.


Externe Links:

Literatur von Franz Joachim Behnisch im BVB

Literatur über Franz Joachim Behnisch im BVB

Franz Joachim Behnisch im Rimbaud Verlag

Laudatio zur Einweihung des Franz-Joachim-Behnisch-Saals (Wolfgang Herzer)