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Zu einer aktuellen Publikation über Julia Mann und ihre Kinder

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Julia Mann-da Silva Bruhns, Mutter von Thomas Mann, ca. 1870. Foto: ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt / TMA_1287

Die 138. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmet sich dem Schwerpunktthema Ankommen. Michael Stephan rezensiert darin eine lesenswerte Neuerscheinung über die Familie Mann.

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Viktor Mann, 1890 noch in Lübeck geboren, war das jüngste der fünf Mann-Geschwister. Die Familie lebte seit Herbst 1898 in München-Schwabing in der Herzogstraße 3. Mit seinem 1949 – posthum in seinem Todesjahr – erschienenen und der Mutter Julia gewidmeten Erinnerungsbuch Wir waren fünf hat er nicht nur dem Schwabing seiner Jugend ein schönes literarisches Denkmal gesetzt, sondern auch ein facettenreiches „Bildnis der Familie Mann“ (so der Untertitel) gezeichnet.

Der Sammelband Julia Mann und ihre Kinder greift die Geschichte dieser fünf Mann-Kinder auf, erweitert um ein schönes Porträt der Mutter Julia, geborene da Silva-Bruhns. Die Herausgeberin Ulrike Leutheusser, eine frühere BR-Journalistin, die schon mehrfach mit solchen Sammelbänden im gleichen Verlag erfolgreich in Erscheinung getreten ist, so über berühmte Forscher und Gelehrte (München leuchtet für die Wissenschaft), über bayerische Könige und die Prinzregentenzeit sowie zuletzt über Frauen im Schatten von Schloss Elmau (2016), hat wieder kompetente Bearbeiter für die einzelnen biografischen Beiträge gefunden.

Dieter Strauss, der sich durch seine viel beachtete Wanderausstellung in den 1990er-Jahren über Julia Mann (1851-1923) einen Namen gemacht hat, zeichnet das abwechslungsreiche Leben der in Paraty in Brasilien geborenen und 1869 in die Lübecker Kaufmannsfamilie Mann einheiratende Mutter der fünf Mann-Kinder nach, mit denen sie 1893 nach dem Tod ihres Ehemannes nach München gezogen ist (zunächst in die Rambergstraße 2).

Manfred Eickhölter, Vorsitzender des Fördervereins Buddenbrookhaus Lübeck, geht dem ambivalenten Verhältnis des ältesten Sohnes Heinrich (1871-1950) zu seiner Mutter nach (zu denen auch erotische Fantasien gehörten), indem er spätere, im Exil entstandene Zeichnungen des Autors auswertet.
Thomas Mann (1875-1955) findet eine etwas eng geführte Darstellung, wenn der brasilianische Germanist Paulo Astor Soethe nur den Einfluss vom „brasilianischen Mutterland“ auf das Werk analysiert.

Das tragische und unglückliche Leben der beiden Schwestern Julia (1877-1927), verheiratete Löhr, und Carla (1881-1910), die sich beide das Leben nahmen, werden von Dirk Heißerer, dem Vorsitzenden des Münchner Thomas-Mann-Forums, und dem Publizisten und Kulturwissenschaftler Willi Jasper anregend und kenntnisreich skizziert.

Des jüngsten Bruders Viktor, der einen ganz anderen Weg als die älteren Brüder gegangen ist („Landwirt und Agrarexperte im Bankfach“), hat sich die Herausgeberin selbst angenommen.

Den Abschluss des Bandes bildet ein Beitrag des Literaturwissenschaftlers Heinrich Detering über den 1940 geborenen „lebenslangen Enkel“ von Thomas Mann, den Schriftsteller und Psychologen Frido Mann (Sohn von Michael Mann und Urenkel der Julia Mann), dem sich – quasi als Zugabe – ein am 28. August 2018 aufgezeichnetes Gespräch zwischen Frido Mann und Dieter Strauss anschließt.

Mit der unterschiedlichen Herangehensweise der Autoren und der Autorin an die verschiedenen Biografien der Mann-Kinder bildet dieser Sammelband auch für Kenner dieser bedeutenden Literaturfamilie viele neue und lesenswerte Erkenntnisse.

 
Ulrike Leutheusser (Hg.): Julia Mann und ihre Kinder. Heinrich – Thomas – Julia – Carla – Viktor. Allitera Verlag, München 2019, 206 S., 19,90 Euro.