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Traunstein

Der Name der Stadt Traunstein ist eigentlich ganz einfach zu erklären, denn er benennt die Existenz einer Burg („Stein“) am Ufer der Traun. Eine städtische Sage erzählt allerdings eine ganz andere Geschichte, nämlich die des Fuhrmanns, der keine Furt zur Durchquerung des Flusses fand und also wünschte, „dass doch alles gleich zu Stein werde! Da – man läutete in Haslach gerade zum Gebet – ward mit einem Mal Mann und Roß und Wagen in einen großen Stein verwandelt, dessen Überreste noch heute als Traunstein an jener Stelle zu sehen sind.“ Ebenfalls mehr Legende denn Wahrheit ist wohl der fest im historischen Bewusstsein der Bewohner Traunsteins verankerte Stadtbrand von 1371: Bis heute kann dieses Ereignis nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Auch um den dritten großen Brand, der Traunstein 1851 in Schutt und Asche legt – schon 1704 zerstörte ein von Panduren gelegtes Feuer die mittelalterliche Stadt fast völlig –, ranken sich die Gerüchte, da seine Ursache nie geklärt wird.

1526 wird der Lindlbrunnen errichtet, heute eines der Wahrzeichen der Stadt, damals der Schlusspunkt beim Ausbau der städtischen Wasserversorgung. Anfang des 17. Jahrhunderts werden in Traunstein zwei Staatsbetriebe angesiedelt: 1611 eröffnet das Weißbierbrauhaus, das den Altbayern recht bald und überaus nachhaltig das Weintrinken austreibt. Und 1619 geht die Saline Au in Betrieb; der Salzhandel bleibt lange Zeit der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt. Als Sohn eines Salinenarbeiters wird 1728 Franz Joseph Seraph Kohlbrenner geboren, der als Wegbereiter der Aufklärung wie der Presselandschaft gilt und sich als Kirchenlieddichter einen Namen macht. Ludwig Thoma logiert in seiner Traunsteiner Zeit als Rechtsrefendar von 1890 bis 1893 im Hollbräu, worauf noch heute eine Gedenktafel am Gebäude hinweist. Brauereiduft ist Thoma also gewohnt in dieser Stadt, deren Wohlstand, wie er vermerkt, durch die Saline gediehen und die zum „Mittelpunkt einer volkreichen Gegend“ geworden ist. Nach seinen eigenen Worten fühlt sich Thoma „sauwohl“ in „diesem biergewürzten, urgemütlichen Städtchen“.

Die letzte „Sud“ in der Saline findet im Juni 1912 statt, nur wenig später, im Ersten Weltkrieg, dient sie als Kriegsgefangenenlager. Zu den Wachmannschaften gehört auch der Gefreite Adolf Hitler. Im Jahr des „Anschlusses“ Österreichs an Deutschland, zieht der junge Thomas Bernhard mit der Mutter und dem Vormund in die Traunsteiner Schaumburgerstraße. Ohne den geliebten Großvater im nahen Ettendorf, den Schriftsteller und Freigeist Johannes Freumbichler, der Traunstein in einem seiner Gedichte als „schönstes Städtchen dieser Welt“ preist, wäre Thomas Bernhards unglückliche Kindheit wohl noch unglücklicher verlaufen. Der Enkel legt seinem Großvater später wenig schmeichelhafte Worte in den Mund, wenn er ihn in typisch bernhardscher Manier schimpfen lässt: „Nichts sei ekelerregender als die Kleinstadt, und genau die Sorte wie Traunstein sei die abscheulichste.“ In seinem autobiographisch gefärbten Bericht Ein Kind verarbeitet Thomas Bernhard seine Traunsteiner Jahre und liefert mit seinen für sein Gesamtwerk charakteristischen Übertreibungen, die sich bis zur Groteske steigern, viel Gesprächsstoff für die heimische Bevölkerung.

Kaum bessere Erfahrungen macht die Schriftstellerin Luise Rinser in Traunstein. Das jedoch hat weniger mit Traunstein als mit der politischen Situation zu tun: Im Herbst 1944 wird Rinser von der Gestapo verhaftet und wegen des Vorwurfs des Hochverrats und der Wehrkraftzersetzung ins Traunsteiner Frauengefängnis gesperrt. 1946 erscheint das Gefängnistagebuch, in dem sie von dieser Haft erzählt.

In dieser Zeit wächst unweit der Stadt, in Chieming am Chiemsee, der junge Sten Nadolny auf, der später in Traunstein Abitur macht und sich lange Zeit bemüht, nicht in die Fußstapfen seiner Schriftsteller-Eltern zu treten, aber 1980, im Alter von 38 Jahren, endlich doch noch debütiert. 1964 wird in Traunstein die spätere Dramatikerin und Prosaautorin Dea Loher geboren, 1977 der heute als Schriftsteller in Augsburg lebende Thomas von Steinaecker.

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