Ein Gedichtzyklus in Zeiten von Corona. Von Andrea Heuser
Andrea Heuser (*1972 in Köln) studierte Germanistik, Politik und Vergleichende Religionswissenschaften an den Universitäten Köln und Bonn. 2008 promovierte sie mit einer Studie zur deutsch-jüdischen Literatur. Im gleichen Jahr erschien ihr Lyrik-Debüt vor dem verschwinden, für das sie u.a. mit dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Es folgten weitere Preise und Stipendien wie das Münchner Literaturstipendium. Im Herbst 2014 erschien ihr Debütroman Augustas Garten. Die Autorin lebt heute mit ihrer Familie in München und arbeitet an dem Roman Das Winkelhaus, für den sie eines der Literaturstipendien des Freistaats Bayern und zuletzt das Münchner Arbeitsstipendium erhielt.
Die aktuelle Corona-Krise hat Andrea Heuser zum Anlass für einen bislang unveröffentlichten Gedichtzyklus genommen, mit dem sie an 
„Kultur trotz Corona“ teilnimmt, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung bayerischer Literaturschaffender. Wir veröffentlichen hier ihren vollständigen Zyklus und eröffnen damit die Präsentation der Reihe.
*
Entsicherte Landschaft
 IN DIESEM FRÜHLING erstarren die Blüten – man sieht es ihnen nicht gleich an,
Auch wer sich nach Wärme, ach was, nach Lichtem sehnt, dem wird durchaus gegeben,
Stars float along the void – Wann aber war es, dass sich die Tage, wie Jahre noch blättern ließen,
Als wir, bemäntelt nur mit unseren Häuten, einander nackt, sehend wurden – 
Jetzt herrscht Endzeitberechnung, und ich traue meinem Herzschlag nicht. Ich gehe neben mir her,
Halte Abstand in diesem unwirtlichen Gebiet, dessen Sprache ich nicht beherrsche.
Ich werde sie lernen, lerne schon, ich sehe ja, dass alles möglich ist, nichts ruht. 
Verifizierung, Falsifizierung – Du malst Dir einen goldenen Zahn, 
Ich zeichne ein Wollmammut und horte Konserven.
Manchmal, da gehe ich nach draußen. Ich bin argwöhnisch. Habe ich alles, mich verriegelt? 
Sicher, 
Die Sonne streift meine Wangen, gelassen. Was kümmert es sie,
Dass sie mich einfach so betritt, als sei ich stets zugänglich. Reicht dies etwa aus 
Dies Wissen, dass sie es ist, the one and only, die unser aller Leben bemaß, bemisst, 
Sie, die die Schatten erfand, die Erbarmungslosigkeit und unsere sanfte, lustvolle Erschöpfung.
Ich wünschte, ich könnte sie leugnen. Sie wegen irgendetwas drankriegen. Nun aber summt sie.   
Such beauty – Gewiss, die Bienen kommen früh in diesem Jahr – aber starben sie nicht bereits aus? Und warum wäre das von Bedeutung? 
Ich weiche gerne aus, ins Englische, zum Beispiel. Ins Faktische. Gegebene. Nebensätze, 
Nebengedanken. Ins Beiläufige, Chats und andere Verschaltungen. Virenfrei ist 
Nichts, 
Void, stars float along the void... 
Die Natur macht mir zu schaffen. Ich hinterfrage das nicht, dazu fehlt mir die Zeit und der Sinn
Ich horte Konserven, nein, keine Ängste! Ich bin geschmacklos. Nicht krank. Diverse Tests
Habe ich durchlaufen. Und ich lerne, verlerne, lerne. Wann war es, dass...
Die Schnecke ist eine Langstreckenläuferin, derzeit verschleimt sie die Reste meines Vorgartens.   
Love me tender... Ich übersetze mich. Ergebe mich nicht. Lasse nicht ab. In diesem Frühling –
DEN SOMMER ERKENNE ICH NOCH an seinen Bäumen, so selbstversunken 
Grün, dass selbst Stubenhockersinne weich, übermütig werden
Die Wiesen, lippenblütig, tief erregt erbeben – 
Dieser Sommer legt den Frühlingsvogel ins Grab 
This summer buries a spring bird 
Wirft sein Gold so großspurig vor's Dunkel
Als sei Blindheit ein Geschenk
Erzwinge nichts! Horte die kühlen 
Verblichenen Farben derer,
Die es fortzog, – zöge
Gäbe es das, Flügel
EINMAL NOCH Vögel 
Von Zugvögeln träumen
Von Wolkengeschwindigkeit
Davon, zielstrebig flüchtig zu werden 
Von jetzt auf gleich federleicht zu verschwinden
Kontur geben dem blinzelnden Moment
All jenen, die ohne jede Erwartung zum Himmel
Aufzublicken gewohnt sind 
Die Starre lösen und Herzschläge später 
Die Starre wieder fixieren: sie zogen fort
Viele sein! Flügel und Leiber, Wind
In den Windschatten gleiten
Auf Autopilot schalten, wenn weit unten 
Ein Hund heult, Gänse sich scharren 
Um altes Gebein, Steine einstürzen – all dies
 
Was nicht aufhören will zu haften: hinter sich lassen 
Die Brutgebiete
Schwerkraft der Herkunft 
Und die dazugehörige zähe Wiederkehr trüber Aussichten 
Verhaltenslehren der Kälte 
Fort! Lichtjäger sein, Formationsprofis
Fliegen, in Höhen-, in Sturzflügen 
Fortwährend fliegend sich krallen, sich paaren 
Nahrung erhaschen im Flug und 
Weiter, weiterfliegen im Zwielicht, im Schlaf, dort: 
Einer sein. Vogel  
Der alles verschönt
Er, spricht der Traum, harrt aus 
Nester baut er, üppig, umhegend wie Liebeslauben  
Bodennester, die hundertfach ihn überragen
Aus Blättern, Zweigen, die er färbt im Mundsaft der Beeren
Aus Federn, Steinen, all dem Tand 
Dem Verworfenen, das ihm, es auffindend, Glanz ist
Er, versichert der Schlaf, erklärt mich als nicht vorhanden
Seine Schöpfung verzehrt ihn, lässt maßlos ihn 
Den Himmel nicht erkennen, der 
Hoch oben sich räkelt 
Verhüllt, und manchmal rötet
Komm!
Komm!
Er jedoch wartet. Auf die eine, die mögliche Braut
Pfeift, tanzt, flattert, zeigt, hofft, harrt 
Und all dies, so flüstert's schlafwärts 
Den Vielen, dem Wind
Meistens vergebens   
BEINAH HERBST, und immer noch stockt die innere Uhr
And the devil still comes visiting his poor relations
Jeden Morgen halte ich den Atem an, doch 
Die Kaffeemaschine funktioniert weiterhin 
Und so schlinge ich meine Finger um diese konkrete, flüchtige Wärme 
Der Tasse, die einst die Deine war – 
Mit der Zeitung red' ich nicht gern, ich lasse sie rascheln
Das Laub, das unsere Füße aufwirbelten – 
Gerüchten zufolge fällt es weiterhin stoisch, in Farbe
The woods are lovely, dark and deep...
Soll ich wider besseren Wissens die Vorhänge öffnen? 
Ich gähne – Miles to go before I sleep...
Mein Lippen beginnen bereits zu vergessen
ALS DER VOGEL FLOH, mir aus dem Mund trieb 
Mit den Bauch nach oben, als sei er – endlich – ein Fisch 
Inwendig durchspült von müdem Gewässer, Jahre und Tage 
Da waren die Kammern der Seelen leer, das ganze System der Verteilung 
Laut Verschwörungen an sein Ende gelangt
Und die Gläubigen wurden hush-a-bye von ihren Dämonen hinweggefegt
Während den Zweiflern die Lösungen all ihrer Rätsel zufielen 
Alle Bilder, alle Fragen der Welt auf einmal in den Hirnen sich entschlüsselten 
entcodierten – Ich komm nicht heraus auf dem Mund, ich komm nicht heraus,
Ich komm nicht heraus aus dem Mund, ich komm nicht heraus – Ein raunendes 
Polyphones Ausbluten aller Substanz, die so allmählich als hätte sie noch Zeit 
Allerorten aus Augen und Ohren lief, ein universales, mechanisches Pochen schlug 
Laut, lauter ein auf die Masse der Herzen, war in den Herzen war Herz um Herz 
War Donner, Vogel war Mund... Der Vogel, er flieht und flieht, er kommt an dein Fenster 
Mitunter nur um dir seine Flucht zu zeigen, er schlägt seinen kleinen Trommelwirbel...
Ich komm nicht heraus aus dem Mund, ich komm nicht heraus
Ich komm mich heraus aus dem Mund
Ich komm nicht heraus
DUNKELKAMMER: Träumen, rapid 
eye movement wie ein Vogel flöge 
in die entsicherte Landschaft
Spreizen, das Hirn weit, weiter
bis das Denken zerstiebt 
Versperrt dieser Strand
Bleiche, lichtbrechende Pfützen
Pulsierend nur der Rand der Innensicht, die sich
ins Vage verliert, der schmale Streifen 
Meer, solider als der zögerliche Himmel
Die geile, tote Gischt unter 
schwindender Sonne
                            flatline – 
Und das Herz, der Vogel schreit
Unerreichbar 
Sanfter Körper
Blass vor dem Jenseits 
krallen sich Finger ins Unterbelichtete
MEIN KOPF, ER GEHT SPAZIEREN 
Bis in die Pflaumenmonate ragt tief der Himmel 
Will Wolke unter meiner Kopfhaut sein
Man kommt nicht hinein in den Traum
HINTERLAND. Tage, und wieder
Als seien es Tage nur, dass
Wüste war – vom Auto aus gesehen – Wüste!
Wieso Wüste, wirst Du gleich sagen, sieh doch
Endlich einmal keine Landschaften, sondern nur 
Natur – Da fällt mir zunächst aber Grün zu ein 
Saatwuchs und Pflanzen. Gräser, Gras und 
Wasser, Wasserlilien und Schilf, Binsen, Weiden und
Blätter: Buchenblätter, Birken-, Pappel-, Klee-
Kastanien und Löwenzahnblätter, Wiesenkraut 
Fliederzweig, grün –  
Die Erde ist aber rot. Sagst Du 
Dabei, wenn ich aus dem Fenster sehe
Sehe ich ja, dass die Erde dort rot ist.
Die Erde ist rot, auch der Staub ist es. 
Staub, den wir wirbeln lassen während wir 
Schon wieder anderswo sind, wenn er sich legt  
Trotz der Hitze, wir schließen die Fenster 
Wir schauen nach vorn wo – mein Gedanke an 
Grün weicht weiter – wir schauen nach vorn 
Wo erneut Staub entsteht
Mauvaise route, sagt der Fahrer 
Er lacht, weil die Hauptverkehrsstraße 
Die schnelle Gerade von Accra nach Togo 
Heute gesperrt ist
Für Autos, für Menschen 
Und für all die Menschen, die etwas an
Menschen in Autos verkaufen
Hier draußen aber kauft sich keiner was
Keine Verbindungen hier 
Nichts mehr zu sehen von Accras Mehrspurigkeit 
Schlangenrücken, züngelnden Waren, Drehscheiben-
Verkehr, hier gibt es nur Erde, die Erde ist rot 
Auch der Staub ist es
Staub, den wir wirbeln lassen während wir 
Schon wieder anderswo sind, wenn er sich legt 
Die Erde ist rot 
Nur klebt jetzt ihr Bild an uns, den Rädern 
Der Karosserie, den Felgen, den Scheiben 
Trotz der Hitze, wir schließen die Fenster 
Wir schauen nach vorn, wo – Gedanken an 
Grün bleicht weiter – wir schauen nach vorn
Wo erneut Staub entsteht 
Staub, der die Schlaglöcher aber nicht füllt 
Sieh doch, diese Löcher – Sagst Du
Als würde ich sie nicht sehen
Dabei, Löcher, nichts hat eine solche Präsenz 
Diese hier, verschwinden werden sie erst, wenn Regen fällt 
Der Regen füllt die Löcher mit Wasser 
Das Wasser wird rot sein
         aus meinem Mund möchte ich gehen 
         aus meinem Mund,
         aus meinem Mund möchte ich gehen
         aus meinem Mund, 
Mauvaise route, sagt also der Fahrer 
Vielleicht mag er Umwege 
Schließlich verdient er mit diesen Umwegen mehr Geld 
Dabei, Löcher wie diese besiegen die Straße 
Sie schlagen jede Bewegung, jeden Gedanken 
Selbst Körper in Bögen
Was eben noch gerade war, durch sie wird es krumm 
Diese hier, verschwinden werden sie erst 
Wenn Regen fällt, der Regen füllt 
Die Löcher mit Wasser
Das Wasser wird rot sein 
Mauvaise route, sagt also der Fahrer 
Vielleicht mag er Bögen 
Schließlich verdient er mit diesen Bögen mehr Geld 
Jeder Kilometer hier draußen bringt die Cedi-Scheine 
In unseren weißen Taschen zum Blühen 
Wie weit, denke ich, müsste er fahren 
Bis auch das letzte Bündel Geld, unsere Körper 
Verbraucht sind, wir blank sind bis auf die Haut 
Unsere Zahlkraft verfällt, wir nichts mehr wert sind 
Nichts, dass man nicht in Erde und Staub   
Schnell wieder vergisst 
Wie weit würden wir, kämen wir ohne 
Wasser, ohne Wissen und Wege 
Wie weit, denke ich, wie weit 
Hier draußen, wo Erde, Staub 
Wo unsere Knochen schnell bleichen 
Dabei, manchmal färbt sich der Staub hier auch golden 
Weswegen wir gerne Goldküste sagen, Elfenbeinküste
Namen blinken ihre Versprechen 
Von den Rändern der Welt
Wie weit würden, wie weit kämen wir 
Wie weit, denke ich, wie weit
Dabei, wir sitzen hier hinter den Scheiben 
Als hätten wir Afrikas Banken beraubt
Auch ein Kasino – wenn es Kasinos hier gäbe
Hätten mit Falschgeld gespielt, uns die Hosentaschen
Die Beutel über der Brust aufgefüllt mit
Blüten einer sterbenden Währung 
Das Leben ist kurz, unsere Hemden sind hell
Wir tragen die Ärmel bis weit über die Hände
Das bietet mehr Schutz
         aus meinem Mund möchte ich gehen 
         aus meinem Mund,
         aus meinem Mund möchte ich gehen
         aus meinem Mund, 
Mauvaise route, sagt also der Fahrer
In Togo, sagst Du, spricht man französisch 
Wir nähern uns der Grenze 
Der Grenze zu was?
Zu Togo, sagst Du 
Wenn man von Ghana aus denkt
Zu Ghana, sage ich 
Wenn man von Togo aus denkt, dabei 
Die Nähe zum Meer ist für diese Straße nicht mehr
Als das Gerücht einer Grenze 
Verschwinden wird es erst, wenn Regen fällt 
Nur der Regen bringt noch Straßen wie diese zum Meer 
Regen – Du prüfst, ob die Scheibe auch regensicher ist 
Schau, auch die Dörfer sind rot, sage ich 
Das liegt am Lehm, sagst Du  
Das liegt am Staub 
Das liegt an der Erde 
Ich aber fange an die Leiber zu sehen 
Die kleinen, geduckten von Hühnern und 
Ziegen, die der Ziegen ganz nah 
An den Wänden der Hütten 
Das erinnert sie an das Gebirge, sagst Du 
Dabei, Berge haben wir bislang nur in der Ferne gesehen 
Die Menschen dort hielten sich gerade 
Auf den Köpfen Lasten, die Kinder in Tüchern 
An ihre Körper gebunden
Hier aber hocken die Frauen
Ihre Hände machen allerlei Essbares zu Brei 
Kinder kicken ein Rund
Andere treiben mit Stöckchen ein verirrtes Vieh 
Das ist weniger nackt als sie, vor sich her 
Männer schlafen unter allem, was
Einen kleinen Schatten herwirft 
Vor uns heben sich Gesichter
Heben sich Hände, sie schlagen den Staub
Staub, der in die Löcher gar nicht erst fällt 
Wenn er sich legt 
Während wir schon wieder 
Anderswo sind 
Der Staub ist rot 
Nur klebt jetzt sein Bild
An den Gesichtern, den Händen 
Hier sind die Lehmhäuser bunt 
Eine außerirdische Firma hat sie bemalt 
Mit Werbung, Omo und Wella 
Wir kommen näher 
Unsere Blicke formen ein Foto
Wir kommen näher 
         aus meinem Kopf möchte ich gehen
         aus meinem Kopf,
         aus meinem Kopf möchte ich gehen
         aus meinem Kopf,
Wieder hebt sich was 
Hände, Gesichter lachen 
Sie zeigen mit Fingern auf uns 
Wir aber fliegen vorbei 
Ein lärmender Wind aus Metall 
Vielleicht mehr als ein Auto 
Vielleicht auch weniger
Zwei bleiche Monde hinter der Scheibe, vielleicht 
Flieger, welcher Flieger? 
Fragt das der Fahrer? 
Vielleicht spricht er doch englisch, spricht er 
Deutsch, vielleicht liest er den Himmel 
Flieger, Nachts sind sie laut, denke ich 
Dabei, wir haben ja noch gar keine Nacht hier verbracht 
Nacht, ich schaue nach vorn, wo kein Staub mehr ist 
Erde nicht, wo Dunkelheit streckt sich nach oben
Bäume strecken, fächern den Himmel fremd 
Affenbrot-, Dschungelbuchbaum, verschleierter
Mond, manchmal fällt hier einer herunter
Tiefflieger, nachts, sie kratzen die Wolken 
Vom Himmel, fallen in Erde, in Staub, schwinden 
Verschwinden werden sie erst, wenn Regen fällt 
Regen füllt Löcher mit Wasser 
Wasser, das Wasser wird Erde, Erde ist
Rot – Wach auf! Sagst Du 
Dabei, ich sehe, dass auch dein Gesicht müde ist 
Du denkst an deine zarte, blasse Geliebte
Europa, sagst Du, Europa, und
Jemand von dort wartet hier hinter der Grenze, wartet 
Auch ein Motel wartet, Betten
Klimaanlage, fließendes Wasser
Bald sind wir da, warum zum Teufel ist denn der Motor 
Sind die Zikaden so laut, als hingen wir noch in der Luft 
Auch Moskitos fliegen nicht lautlos, fliegen
Weiter, bloß keine Panne hier draußen 
Weiter, in Bewegung bleiben 
Hier hinter den Scheiben prüfen, ob die Scheiben
Der Motor, warum ist denn der Motor sind die Zikaden 
So als hingen wir noch in der Luft, auch Moskitos 
Fliegen nicht lautlos, wir haben von ihrem Fieber gehört   
Fieber, ja doch, Hitze, das ist Hitze, die mir da
Hinter die Augen kriecht 
Die Augen, die Lider sind  
Rot – Das liegt an der Hitze am Staub, das liegt
An der Erde, dabei 
Auch die Dörfer waren ja rot darin 
Die geduckten Leiber die schwarzen 
Von Hühnern Ziegen Kindern Frauen, jetzt 
Wo es dunkel ist, wir nähern uns der Grenze 
Jetzt, wo es Nacht ist, ist Grün Schlingpflanzen 
Leuchten staudenblättrig stängelig Grünes biegt sich 
Über den Weg grün ist das Dunkel an seinen Rändern ist 
Grün nahe dem Boden grün biegt sich die Straße jetzt 
Grün führt sie weiter zwischen blättriges stängeliges 
In buschbaumdichte Schlingbetten Grünes greift sich  
Grün – Wach auf! Sagst du, dabei
Tiefflieger, sage ich, Tiefflieger so laut 
Die Scheiben, jemand hat sie geöffnet 
         Berührungen, 
         in die Berührungen gehen
Was vom Tage übrig blieb ist Straße, überall 
Brennend der Müll, die Schwüle, der Schweiß 
schwelender Fisch, Garküchenpfeffer, huschende
Schatten, Köpfe, Kerosinlicht, Trommeln, Gelächter, jetzt auch
Flüsternde Stimmen, Gesang, auch Augen, ja, Augen 
Ruhig die Augen, sagst Du, als hättest 
Ach, Du hast noch nichts von diesem Fieber gehört, dabei 
Meine Stirn bleibt kühl wo deine Hand sie berührt 
Als sei sie der Wüste tiefstes Gestein 
Erinnerungen einer alternden Zeit
Silur und Kambrium 
Kreide und Stein 
Gegründet auf 
Kühler bergender Stille 
Als hätten sich hier niemals
Die Schichten verschoben
In Fieberschüben 
In Schüttelfrösten 
Unter klarer lidloser Stratosphäre
Als sei allein Gras, das Gras, das 
Über die Risse Spalten die Wunden sich 
Schlingt staudenblättriges 
Stängeliges sprießendes 
Üppiges Buschwerk Weg 
Keine Wege mehr Betten Augen 
Vorhänge Laken das Kissen über 
Kopf Augen Ohren nichts hören nichts 
Sehen schlafen 
Schlafen in Silur in Kambrium
Warum ist denn der Motor sind die Zikaden 
 
         Berührungen 
         in die Berührungen gehen 
Dabei 
Europa Deutschland jemand von dort 
Jemand ist hier ist hinter der Grenze ist wachsam 
Er wartet auf Reisende wie wir es sind 
Wir wissen nichts davon, sagt er, was man hier draußen 
In der Wildnis noch alles so 
Auch was es eigentlich schon gar nicht mehr gibt 
Wird sich finden alles was da bleibt 
Ohne Riemen ohne Tücher 
an den Körper gebunden 
Tage 
Karge Tage 
Das Reservoir der Wünsche 
Schlummernd in Silur 
Kambrium Fels
Als stürmten nur 
Anderswo 
Meere
Und zerrissen die Ufer der Horizonte
Als stürmte nur 
Anderswo 
Hitze das ist die Hitze die mir da 
Hinter die Augen kriecht die Lider 
Den Augen sind sie nicht mehr 
Als das Gerücht einer Grenze 
Die Scheiben aber die Scheiben 
Sind fort ich komm nicht heraus aus dem Kopf 
ich komm nicht heraus aus dem Kopf ich
komm nicht heraus komm nicht 
komm nicht komm 
nicht säen Pflanzen 
Asphaltieren 
Straße Währung Sprache 
Häuser gebaut aus Stein 
Vertraute Gesichter 
Greifen verfehlen 
Sinken in Nischen 
Loses Grau rau raspelt es
Splittert Himmel  
Der Himmel 
Berührungen    
In die Berührungen gehen  
Von den Rändern der Welt
Fliegen 
Tiefer fliegen
Fallen über die Erde 
Fallen in Schüben kreisen
Die Erde befallen den Staub 
Den Staub 
Staub fällt 
Das Gerücht einer Grenze 
Ist nah ist hier 
Ist hier unter der Haut 
Das Vibrieren deine 
Meine Stirn gegen das Glas gedrückt 
Hier hinter der Scheibe meine
Meine Stirn gegen das Glas 
Augen
Vibrieren 
Augen
Blicke
Zart 
Blass
Berührungen 
In die Berührungen gehen  so
Suchend als seien 
Tage
Und wieder 
Als seien es
Tage nur 
dass
 
Wüste,
Ein Gedichtzyklus in Zeiten von Corona. Von Andrea Heuser>
Andrea Heuser (*1972 in Köln) studierte Germanistik, Politik und Vergleichende Religionswissenschaften an den Universitäten Köln und Bonn. 2008 promovierte sie mit einer Studie zur deutsch-jüdischen Literatur. Im gleichen Jahr erschien ihr Lyrik-Debüt vor dem verschwinden, für das sie u.a. mit dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Es folgten weitere Preise und Stipendien wie das Münchner Literaturstipendium. Im Herbst 2014 erschien ihr Debütroman Augustas Garten. Die Autorin lebt heute mit ihrer Familie in München und arbeitet an dem Roman Das Winkelhaus, für den sie eines der Literaturstipendien des Freistaats Bayern und zuletzt das Münchner Arbeitsstipendium erhielt.
Die aktuelle Corona-Krise hat Andrea Heuser zum Anlass für einen bislang unveröffentlichten Gedichtzyklus genommen, mit dem sie an 
„Kultur trotz Corona“ teilnimmt, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung bayerischer Literaturschaffender. Wir veröffentlichen hier ihren vollständigen Zyklus und eröffnen damit die Präsentation der Reihe.
*
Entsicherte Landschaft
 IN DIESEM FRÜHLING erstarren die Blüten – man sieht es ihnen nicht gleich an,
Auch wer sich nach Wärme, ach was, nach Lichtem sehnt, dem wird durchaus gegeben,
Stars float along the void – Wann aber war es, dass sich die Tage, wie Jahre noch blättern ließen,
Als wir, bemäntelt nur mit unseren Häuten, einander nackt, sehend wurden – 
Jetzt herrscht Endzeitberechnung, und ich traue meinem Herzschlag nicht. Ich gehe neben mir her,
Halte Abstand in diesem unwirtlichen Gebiet, dessen Sprache ich nicht beherrsche.
Ich werde sie lernen, lerne schon, ich sehe ja, dass alles möglich ist, nichts ruht. 
Verifizierung, Falsifizierung – Du malst Dir einen goldenen Zahn, 
Ich zeichne ein Wollmammut und horte Konserven.
Manchmal, da gehe ich nach draußen. Ich bin argwöhnisch. Habe ich alles, mich verriegelt? 
Sicher, 
Die Sonne streift meine Wangen, gelassen. Was kümmert es sie,
Dass sie mich einfach so betritt, als sei ich stets zugänglich. Reicht dies etwa aus 
Dies Wissen, dass sie es ist, the one and only, die unser aller Leben bemaß, bemisst, 
Sie, die die Schatten erfand, die Erbarmungslosigkeit und unsere sanfte, lustvolle Erschöpfung.
Ich wünschte, ich könnte sie leugnen. Sie wegen irgendetwas drankriegen. Nun aber summt sie.   
Such beauty – Gewiss, die Bienen kommen früh in diesem Jahr – aber starben sie nicht bereits aus? Und warum wäre das von Bedeutung? 
Ich weiche gerne aus, ins Englische, zum Beispiel. Ins Faktische. Gegebene. Nebensätze, 
Nebengedanken. Ins Beiläufige, Chats und andere Verschaltungen. Virenfrei ist 
Nichts, 
Void, stars float along the void... 
Die Natur macht mir zu schaffen. Ich hinterfrage das nicht, dazu fehlt mir die Zeit und der Sinn
Ich horte Konserven, nein, keine Ängste! Ich bin geschmacklos. Nicht krank. Diverse Tests
Habe ich durchlaufen. Und ich lerne, verlerne, lerne. Wann war es, dass...
Die Schnecke ist eine Langstreckenläuferin, derzeit verschleimt sie die Reste meines Vorgartens.   
Love me tender... Ich übersetze mich. Ergebe mich nicht. Lasse nicht ab. In diesem Frühling –
DEN SOMMER ERKENNE ICH NOCH an seinen Bäumen, so selbstversunken 
Grün, dass selbst Stubenhockersinne weich, übermütig werden
Die Wiesen, lippenblütig, tief erregt erbeben – 
Dieser Sommer legt den Frühlingsvogel ins Grab 
This summer buries a spring bird 
Wirft sein Gold so großspurig vor's Dunkel
Als sei Blindheit ein Geschenk
Erzwinge nichts! Horte die kühlen 
Verblichenen Farben derer,
Die es fortzog, – zöge
Gäbe es das, Flügel
EINMAL NOCH Vögel 
Von Zugvögeln träumen
Von Wolkengeschwindigkeit
Davon, zielstrebig flüchtig zu werden 
Von jetzt auf gleich federleicht zu verschwinden
Kontur geben dem blinzelnden Moment
All jenen, die ohne jede Erwartung zum Himmel
Aufzublicken gewohnt sind 
Die Starre lösen und Herzschläge später 
Die Starre wieder fixieren: sie zogen fort
Viele sein! Flügel und Leiber, Wind
In den Windschatten gleiten
Auf Autopilot schalten, wenn weit unten 
Ein Hund heult, Gänse sich scharren 
Um altes Gebein, Steine einstürzen – all dies
 
Was nicht aufhören will zu haften: hinter sich lassen 
Die Brutgebiete
Schwerkraft der Herkunft 
Und die dazugehörige zähe Wiederkehr trüber Aussichten 
Verhaltenslehren der Kälte 
Fort! Lichtjäger sein, Formationsprofis
Fliegen, in Höhen-, in Sturzflügen 
Fortwährend fliegend sich krallen, sich paaren 
Nahrung erhaschen im Flug und 
Weiter, weiterfliegen im Zwielicht, im Schlaf, dort: 
Einer sein. Vogel  
Der alles verschönt
Er, spricht der Traum, harrt aus 
Nester baut er, üppig, umhegend wie Liebeslauben  
Bodennester, die hundertfach ihn überragen
Aus Blättern, Zweigen, die er färbt im Mundsaft der Beeren
Aus Federn, Steinen, all dem Tand 
Dem Verworfenen, das ihm, es auffindend, Glanz ist
Er, versichert der Schlaf, erklärt mich als nicht vorhanden
Seine Schöpfung verzehrt ihn, lässt maßlos ihn 
Den Himmel nicht erkennen, der 
Hoch oben sich räkelt 
Verhüllt, und manchmal rötet
Komm!
Komm!
Er jedoch wartet. Auf die eine, die mögliche Braut
Pfeift, tanzt, flattert, zeigt, hofft, harrt 
Und all dies, so flüstert's schlafwärts 
Den Vielen, dem Wind
Meistens vergebens   
BEINAH HERBST, und immer noch stockt die innere Uhr
And the devil still comes visiting his poor relations
Jeden Morgen halte ich den Atem an, doch 
Die Kaffeemaschine funktioniert weiterhin 
Und so schlinge ich meine Finger um diese konkrete, flüchtige Wärme 
Der Tasse, die einst die Deine war – 
Mit der Zeitung red' ich nicht gern, ich lasse sie rascheln
Das Laub, das unsere Füße aufwirbelten – 
Gerüchten zufolge fällt es weiterhin stoisch, in Farbe
The woods are lovely, dark and deep...
Soll ich wider besseren Wissens die Vorhänge öffnen? 
Ich gähne – Miles to go before I sleep...
Mein Lippen beginnen bereits zu vergessen
ALS DER VOGEL FLOH, mir aus dem Mund trieb 
Mit den Bauch nach oben, als sei er – endlich – ein Fisch 
Inwendig durchspült von müdem Gewässer, Jahre und Tage 
Da waren die Kammern der Seelen leer, das ganze System der Verteilung 
Laut Verschwörungen an sein Ende gelangt
Und die Gläubigen wurden hush-a-bye von ihren Dämonen hinweggefegt
Während den Zweiflern die Lösungen all ihrer Rätsel zufielen 
Alle Bilder, alle Fragen der Welt auf einmal in den Hirnen sich entschlüsselten 
entcodierten – Ich komm nicht heraus auf dem Mund, ich komm nicht heraus,
Ich komm nicht heraus aus dem Mund, ich komm nicht heraus – Ein raunendes 
Polyphones Ausbluten aller Substanz, die so allmählich als hätte sie noch Zeit 
Allerorten aus Augen und Ohren lief, ein universales, mechanisches Pochen schlug 
Laut, lauter ein auf die Masse der Herzen, war in den Herzen war Herz um Herz 
War Donner, Vogel war Mund... Der Vogel, er flieht und flieht, er kommt an dein Fenster 
Mitunter nur um dir seine Flucht zu zeigen, er schlägt seinen kleinen Trommelwirbel...
Ich komm nicht heraus aus dem Mund, ich komm nicht heraus
Ich komm mich heraus aus dem Mund
Ich komm nicht heraus
DUNKELKAMMER: Träumen, rapid 
eye movement wie ein Vogel flöge 
in die entsicherte Landschaft
Spreizen, das Hirn weit, weiter
bis das Denken zerstiebt 
Versperrt dieser Strand
Bleiche, lichtbrechende Pfützen
Pulsierend nur der Rand der Innensicht, die sich
ins Vage verliert, der schmale Streifen 
Meer, solider als der zögerliche Himmel
Die geile, tote Gischt unter 
schwindender Sonne
                            flatline – 
Und das Herz, der Vogel schreit
Unerreichbar 
Sanfter Körper
Blass vor dem Jenseits 
krallen sich Finger ins Unterbelichtete
MEIN KOPF, ER GEHT SPAZIEREN 
Bis in die Pflaumenmonate ragt tief der Himmel 
Will Wolke unter meiner Kopfhaut sein
Man kommt nicht hinein in den Traum
HINTERLAND. Tage, und wieder
Als seien es Tage nur, dass
Wüste war – vom Auto aus gesehen – Wüste!
Wieso Wüste, wirst Du gleich sagen, sieh doch
Endlich einmal keine Landschaften, sondern nur 
Natur – Da fällt mir zunächst aber Grün zu ein 
Saatwuchs und Pflanzen. Gräser, Gras und 
Wasser, Wasserlilien und Schilf, Binsen, Weiden und
Blätter: Buchenblätter, Birken-, Pappel-, Klee-
Kastanien und Löwenzahnblätter, Wiesenkraut 
Fliederzweig, grün –  
Die Erde ist aber rot. Sagst Du 
Dabei, wenn ich aus dem Fenster sehe
Sehe ich ja, dass die Erde dort rot ist.
Die Erde ist rot, auch der Staub ist es. 
Staub, den wir wirbeln lassen während wir 
Schon wieder anderswo sind, wenn er sich legt  
Trotz der Hitze, wir schließen die Fenster 
Wir schauen nach vorn wo – mein Gedanke an 
Grün weicht weiter – wir schauen nach vorn 
Wo erneut Staub entsteht
Mauvaise route, sagt der Fahrer 
Er lacht, weil die Hauptverkehrsstraße 
Die schnelle Gerade von Accra nach Togo 
Heute gesperrt ist
Für Autos, für Menschen 
Und für all die Menschen, die etwas an
Menschen in Autos verkaufen
Hier draußen aber kauft sich keiner was
Keine Verbindungen hier 
Nichts mehr zu sehen von Accras Mehrspurigkeit 
Schlangenrücken, züngelnden Waren, Drehscheiben-
Verkehr, hier gibt es nur Erde, die Erde ist rot 
Auch der Staub ist es
Staub, den wir wirbeln lassen während wir 
Schon wieder anderswo sind, wenn er sich legt 
Die Erde ist rot 
Nur klebt jetzt ihr Bild an uns, den Rädern 
Der Karosserie, den Felgen, den Scheiben 
Trotz der Hitze, wir schließen die Fenster 
Wir schauen nach vorn, wo – Gedanken an 
Grün bleicht weiter – wir schauen nach vorn
Wo erneut Staub entsteht 
Staub, der die Schlaglöcher aber nicht füllt 
Sieh doch, diese Löcher – Sagst Du
Als würde ich sie nicht sehen
Dabei, Löcher, nichts hat eine solche Präsenz 
Diese hier, verschwinden werden sie erst, wenn Regen fällt 
Der Regen füllt die Löcher mit Wasser 
Das Wasser wird rot sein
         aus meinem Mund möchte ich gehen 
         aus meinem Mund,
         aus meinem Mund möchte ich gehen
         aus meinem Mund, 
Mauvaise route, sagt also der Fahrer 
Vielleicht mag er Umwege 
Schließlich verdient er mit diesen Umwegen mehr Geld 
Dabei, Löcher wie diese besiegen die Straße 
Sie schlagen jede Bewegung, jeden Gedanken 
Selbst Körper in Bögen
Was eben noch gerade war, durch sie wird es krumm 
Diese hier, verschwinden werden sie erst 
Wenn Regen fällt, der Regen füllt 
Die Löcher mit Wasser
Das Wasser wird rot sein 
Mauvaise route, sagt also der Fahrer 
Vielleicht mag er Bögen 
Schließlich verdient er mit diesen Bögen mehr Geld 
Jeder Kilometer hier draußen bringt die Cedi-Scheine 
In unseren weißen Taschen zum Blühen 
Wie weit, denke ich, müsste er fahren 
Bis auch das letzte Bündel Geld, unsere Körper 
Verbraucht sind, wir blank sind bis auf die Haut 
Unsere Zahlkraft verfällt, wir nichts mehr wert sind 
Nichts, dass man nicht in Erde und Staub   
Schnell wieder vergisst 
Wie weit würden wir, kämen wir ohne 
Wasser, ohne Wissen und Wege 
Wie weit, denke ich, wie weit 
Hier draußen, wo Erde, Staub 
Wo unsere Knochen schnell bleichen 
Dabei, manchmal färbt sich der Staub hier auch golden 
Weswegen wir gerne Goldküste sagen, Elfenbeinküste
Namen blinken ihre Versprechen 
Von den Rändern der Welt
Wie weit würden, wie weit kämen wir 
Wie weit, denke ich, wie weit
Dabei, wir sitzen hier hinter den Scheiben 
Als hätten wir Afrikas Banken beraubt
Auch ein Kasino – wenn es Kasinos hier gäbe
Hätten mit Falschgeld gespielt, uns die Hosentaschen
Die Beutel über der Brust aufgefüllt mit
Blüten einer sterbenden Währung 
Das Leben ist kurz, unsere Hemden sind hell
Wir tragen die Ärmel bis weit über die Hände
Das bietet mehr Schutz
         aus meinem Mund möchte ich gehen 
         aus meinem Mund,
         aus meinem Mund möchte ich gehen
         aus meinem Mund, 
Mauvaise route, sagt also der Fahrer
In Togo, sagst Du, spricht man französisch 
Wir nähern uns der Grenze 
Der Grenze zu was?
Zu Togo, sagst Du 
Wenn man von Ghana aus denkt
Zu Ghana, sage ich 
Wenn man von Togo aus denkt, dabei 
Die Nähe zum Meer ist für diese Straße nicht mehr
Als das Gerücht einer Grenze 
Verschwinden wird es erst, wenn Regen fällt 
Nur der Regen bringt noch Straßen wie diese zum Meer 
Regen – Du prüfst, ob die Scheibe auch regensicher ist 
Schau, auch die Dörfer sind rot, sage ich 
Das liegt am Lehm, sagst Du  
Das liegt am Staub 
Das liegt an der Erde 
Ich aber fange an die Leiber zu sehen 
Die kleinen, geduckten von Hühnern und 
Ziegen, die der Ziegen ganz nah 
An den Wänden der Hütten 
Das erinnert sie an das Gebirge, sagst Du 
Dabei, Berge haben wir bislang nur in der Ferne gesehen 
Die Menschen dort hielten sich gerade 
Auf den Köpfen Lasten, die Kinder in Tüchern 
An ihre Körper gebunden
Hier aber hocken die Frauen
Ihre Hände machen allerlei Essbares zu Brei 
Kinder kicken ein Rund
Andere treiben mit Stöckchen ein verirrtes Vieh 
Das ist weniger nackt als sie, vor sich her 
Männer schlafen unter allem, was
Einen kleinen Schatten herwirft 
Vor uns heben sich Gesichter
Heben sich Hände, sie schlagen den Staub
Staub, der in die Löcher gar nicht erst fällt 
Wenn er sich legt 
Während wir schon wieder 
Anderswo sind 
Der Staub ist rot 
Nur klebt jetzt sein Bild
An den Gesichtern, den Händen 
Hier sind die Lehmhäuser bunt 
Eine außerirdische Firma hat sie bemalt 
Mit Werbung, Omo und Wella 
Wir kommen näher 
Unsere Blicke formen ein Foto
Wir kommen näher 
         aus meinem Kopf möchte ich gehen
         aus meinem Kopf,
         aus meinem Kopf möchte ich gehen
         aus meinem Kopf,
Wieder hebt sich was 
Hände, Gesichter lachen 
Sie zeigen mit Fingern auf uns 
Wir aber fliegen vorbei 
Ein lärmender Wind aus Metall 
Vielleicht mehr als ein Auto 
Vielleicht auch weniger
Zwei bleiche Monde hinter der Scheibe, vielleicht 
Flieger, welcher Flieger? 
Fragt das der Fahrer? 
Vielleicht spricht er doch englisch, spricht er 
Deutsch, vielleicht liest er den Himmel 
Flieger, Nachts sind sie laut, denke ich 
Dabei, wir haben ja noch gar keine Nacht hier verbracht 
Nacht, ich schaue nach vorn, wo kein Staub mehr ist 
Erde nicht, wo Dunkelheit streckt sich nach oben
Bäume strecken, fächern den Himmel fremd 
Affenbrot-, Dschungelbuchbaum, verschleierter
Mond, manchmal fällt hier einer herunter
Tiefflieger, nachts, sie kratzen die Wolken 
Vom Himmel, fallen in Erde, in Staub, schwinden 
Verschwinden werden sie erst, wenn Regen fällt 
Regen füllt Löcher mit Wasser 
Wasser, das Wasser wird Erde, Erde ist
Rot – Wach auf! Sagst Du 
Dabei, ich sehe, dass auch dein Gesicht müde ist 
Du denkst an deine zarte, blasse Geliebte
Europa, sagst Du, Europa, und
Jemand von dort wartet hier hinter der Grenze, wartet 
Auch ein Motel wartet, Betten
Klimaanlage, fließendes Wasser
Bald sind wir da, warum zum Teufel ist denn der Motor 
Sind die Zikaden so laut, als hingen wir noch in der Luft 
Auch Moskitos fliegen nicht lautlos, fliegen
Weiter, bloß keine Panne hier draußen 
Weiter, in Bewegung bleiben 
Hier hinter den Scheiben prüfen, ob die Scheiben
Der Motor, warum ist denn der Motor sind die Zikaden 
So als hingen wir noch in der Luft, auch Moskitos 
Fliegen nicht lautlos, wir haben von ihrem Fieber gehört   
Fieber, ja doch, Hitze, das ist Hitze, die mir da
Hinter die Augen kriecht 
Die Augen, die Lider sind  
Rot – Das liegt an der Hitze am Staub, das liegt
An der Erde, dabei 
Auch die Dörfer waren ja rot darin 
Die geduckten Leiber die schwarzen 
Von Hühnern Ziegen Kindern Frauen, jetzt 
Wo es dunkel ist, wir nähern uns der Grenze 
Jetzt, wo es Nacht ist, ist Grün Schlingpflanzen 
Leuchten staudenblättrig stängelig Grünes biegt sich 
Über den Weg grün ist das Dunkel an seinen Rändern ist 
Grün nahe dem Boden grün biegt sich die Straße jetzt 
Grün führt sie weiter zwischen blättriges stängeliges 
In buschbaumdichte Schlingbetten Grünes greift sich  
Grün – Wach auf! Sagst du, dabei
Tiefflieger, sage ich, Tiefflieger so laut 
Die Scheiben, jemand hat sie geöffnet 
         Berührungen, 
         in die Berührungen gehen
Was vom Tage übrig blieb ist Straße, überall 
Brennend der Müll, die Schwüle, der Schweiß 
schwelender Fisch, Garküchenpfeffer, huschende
Schatten, Köpfe, Kerosinlicht, Trommeln, Gelächter, jetzt auch
Flüsternde Stimmen, Gesang, auch Augen, ja, Augen 
Ruhig die Augen, sagst Du, als hättest 
Ach, Du hast noch nichts von diesem Fieber gehört, dabei 
Meine Stirn bleibt kühl wo deine Hand sie berührt 
Als sei sie der Wüste tiefstes Gestein 
Erinnerungen einer alternden Zeit
Silur und Kambrium 
Kreide und Stein 
Gegründet auf 
Kühler bergender Stille 
Als hätten sich hier niemals
Die Schichten verschoben
In Fieberschüben 
In Schüttelfrösten 
Unter klarer lidloser Stratosphäre
Als sei allein Gras, das Gras, das 
Über die Risse Spalten die Wunden sich 
Schlingt staudenblättriges 
Stängeliges sprießendes 
Üppiges Buschwerk Weg 
Keine Wege mehr Betten Augen 
Vorhänge Laken das Kissen über 
Kopf Augen Ohren nichts hören nichts 
Sehen schlafen 
Schlafen in Silur in Kambrium
Warum ist denn der Motor sind die Zikaden 
 
         Berührungen 
         in die Berührungen gehen 
Dabei 
Europa Deutschland jemand von dort 
Jemand ist hier ist hinter der Grenze ist wachsam 
Er wartet auf Reisende wie wir es sind 
Wir wissen nichts davon, sagt er, was man hier draußen 
In der Wildnis noch alles so 
Auch was es eigentlich schon gar nicht mehr gibt 
Wird sich finden alles was da bleibt 
Ohne Riemen ohne Tücher 
an den Körper gebunden 
Tage 
Karge Tage 
Das Reservoir der Wünsche 
Schlummernd in Silur 
Kambrium Fels
Als stürmten nur 
Anderswo 
Meere
Und zerrissen die Ufer der Horizonte
Als stürmte nur 
Anderswo 
Hitze das ist die Hitze die mir da 
Hinter die Augen kriecht die Lider 
Den Augen sind sie nicht mehr 
Als das Gerücht einer Grenze 
Die Scheiben aber die Scheiben 
Sind fort ich komm nicht heraus aus dem Kopf 
ich komm nicht heraus aus dem Kopf ich
komm nicht heraus komm nicht 
komm nicht komm 
nicht säen Pflanzen 
Asphaltieren 
Straße Währung Sprache 
Häuser gebaut aus Stein 
Vertraute Gesichter 
Greifen verfehlen 
Sinken in Nischen 
Loses Grau rau raspelt es
Splittert Himmel  
Der Himmel 
Berührungen    
In die Berührungen gehen  
Von den Rändern der Welt
Fliegen 
Tiefer fliegen
Fallen über die Erde 
Fallen in Schüben kreisen
Die Erde befallen den Staub 
Den Staub 
Staub fällt 
Das Gerücht einer Grenze 
Ist nah ist hier 
Ist hier unter der Haut 
Das Vibrieren deine 
Meine Stirn gegen das Glas gedrückt 
Hier hinter der Scheibe meine
Meine Stirn gegen das Glas 
Augen
Vibrieren 
Augen
Blicke
Zart 
Blass
Berührungen 
In die Berührungen gehen  so
Suchend als seien 
Tage
Und wieder 
Als seien es
Tage nur 
dass
 
Wüste,
