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Singer-Songwriting (3): Die Erfindung des bayerischen Musikkabaretts durch Fredl Fesl

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Foto: Eduard Sommer

Das „Theater im Fraunhofer“ im Münchener Glockenbachviertel Mitte der 1970er-Jahre: Ein Mann mit Prinz-Eisenherz-Frisur, einem Vollbart und Gitarre in der Hand betritt die Bühne. Es sieht glatt so aus, als ob er gleich ansetzen wird, bairische Gstanzl zu singen. Und auch wenn er dieser Tradition entspringt, so wird schon während dieser Vorstellung klar: Ganz so traditionell, wie der Musiker und sein Aussehen es versprechen, wird es wohl nicht werden: „Also, ich bin der Fredl. Warum, weiß ich nicht. Ich spiel Bayerische Folklore in D-Dur – in höchster Vollendung.“

Der darauffolgende Lacher macht klar: Hier steht Fredl Fesl auf der Bühne, Erfinder des Bayerischen Musikkabaretts, dessen Zwischenansagen genauso lustig sind wie seine Lieder und diesen auch oft in ihrer Länge um nichts nachstehen. Sein „kürzestes Abschiedslied in A und D“ ist sogar lediglich wenige Sekunden lang, die Ansage das eigentliche Stück:

Jetzt spiel ich noch das kürzeste Abschiedslied, das es gibt. Zwei Tonarten, in A und in D. Hab ich selbst komponiert. Text ist nicht von mir, aber die Melodie. In A und in D. Das ist in zwei Tonarten, das ist ein sehr kompliziertes Lied: Aaaaaa-Deeeee.

(Fredl Fesl: Ade. Aus: Fredl Fesl, 1976)

Fesl, der sich auf der Bühne gar nicht verstellen muss, da sein Humor aus ihm genauso heraussprudelt, wie er dann das Publikum umspült, wurde 1947 in Grafenau im Bayerischen Wald geboren. Während der Schulzeit siedelt die Familie nach München über und es sieht fast so aus, als ob Fredl – seinem kräftigen Körperbau geschuldet – sich zum Schwergewichtssportler entwickelt: Zwei Jahre lang hält er sogar den Titel des Oberbayerischen Juniorenmeisters im Gewichtheben. Nach der Schule strebt er den Beruf eines Kunstschmieds an. Doch die Erfolge, die er bereits auf den einschlägigen Münchner Kleinkunstbühnen erzielt, vereiteln dies. Anfänglich nur Kurzauftritte auf offenen Bühnen – um das Eintrittsgeld zu sparen, wie er selber sagt – wird er dann auf einmal kurzfristig vom Veranstalter des „Song Parnass“ gefragt, ob er ein komplettes Abendprogramm spielen kann: Die eigentlich geplanten Musiker hätten eine Autopanne.

Ab dann geht es schnell: Fesl entwickelt sich zum Liebling der Szene, seine unverblümte Direktheit begeistert alle. In den Jahren 1976-1978 nimmt er seine drei ersten Platten auf, allesamt Live-Aufnahmen auf wichtigen Bühnen: Dem Fraunhofer-Theater, dem Song-Parnass und der Lach- und Schießgesellschaft. Fesl, der mit bairischen „Traditionals“ angefangen hat und der deren Ausdrucksformen wie den Jodler auch gerne in seine Stücke übernimmt, gehört bald selbst mit seinen Liedern zum bairischen Volksgut: Lieder wie Das Fussball-Lied („Für Geld da kann man alles kaufen, sogar Menschen die dem Ball nachlaufen“), der Anlass-Jodler („Ein Auto, das nicht fährt, das ist sein Geld nicht wert.“) oder Das Stachelschwein („des Nachts allein im Sternenschein“) gehören inzwischen zum festen Kanon aller bayerischen Lagerfeuergitarristen.

Mit dem Taxilied und dessen Untertitel „Vom Muh in die Ottobrunner Straße“ hat er der legendären Kleinkunstbühne ein Denkmal auf ewig geschaffen – und zugleich einen Reiseführer zur ersten Orientierung für Neu-Münchner:

In Giesing steht ein Fernsehturm beim Arabellahaus
Und wenn man da links abbiegt, geht's nach Grosslappen 'naus

Dann rechtsherum durch's Siegestor, vorbei an Hellabrunn
Da siegst a Schild nach Allach, doch da kuemmerst dich nicht drum.

Vorbei am Dom, in Richtung Riem, des kommt dir komisch vor
Seit wann is' Nordbad denn in Giesing, links vom Isartor?

Doch dann, gleich hinter'm Waldfriedhof, da kommt ein Krankenhaus:
Das ist das rechts der Isar und da kennst dich wieder aus.

(Fredl Fesl: Taxilied. Aus: Fredl Fesl, 1976)

Doch auch seine Bearbeitung von Volksliedern wie dem Ritter Hadubrand („Herr Hadubrand lebt ohne Sorg. Er lebt auf seiner Ritterborg“), dem Fensterstock Hiasl („Na bin i beim Fensterl hoit aussi krocha, da is ma da Fensterstock obibrocha. Ja des is a Glump, alle zwoa lieg' ma drunt. Holla di ria, holla dio“) oder dem Königsjodler („Trihöleridi dijidiholleri Tridihöleri dijidijo Trihöleridi jijidihojudi Diridijohu di dijidioo“) sind heutzutage eben jene Versionen, an denen sich jeder Musikant zu messen hat und die in aller Ohren wiederklingen – so unverwechselbar wohl gerade wegen ihrer etwas schrägen Darbietung!

Fesl ist wohl das Urbild des bayerischen Liedermachers: Tiefgründiger bayerischer Humor, Dialekt und der eine Mann mit Gitarre, der auf der Bühne alleine seine Stücke darbietet. Textlich geht es zugleich sehr direkt als auch oft blumig-antiquiert zu. Reim und Sprachwitz sind unumgängliche Zutaten, die Form oft einer klassisch-bayerischen Liedform angelehnt sind. Wie zum Beispiel im „Bibel-Gstanzl Amen“:

Leut sehn an Jesus rübergeh, übern Genezarether See.
Drübn fragns: Wia bist da rüberkumma? Er sagt: I hab an Anlauf g´numma.
Bei der Hochzeit zu Kanaan, schleppt der Wirt die leeren Kanna an:
Jetzt Jesus zeigst was konnst, dann kriegst an Schoppen Wein umsonst.
Der Jesus hat so wia sich´s gehört, Brot und Fisch für d´Leut vermehrt.
Die Leut haben sich gefreut übern Dorn, der Fisch ist drüber stinkert wordn.

(Fredl Fesl: Amen. Aus: Fredl Fesl 3, 1978)

Auch wenn seine Auftritte seit seiner Parkinson-Diagnose Ende der 1990er-Jahre weniger werden und schließlich zum Erliegen kommen: Ruhelos und ohne Humor ist der „König des bayerischen Musikkabaretts“ keineswegs. Neben dem Komponieren verwendet er seinen unverwechselbaren Humor für das Kreieren von Erfindungen auf dem Sektor „Was der Mensch ganz dringend überhaupt nicht braucht“ wie dem „Bierbrunnenofen“ oder der „Original Fredl-Fesl-Schunkelhilfe“, einer Plastikschale, auf der man ganz gewiss nicht ruhig sitzen kann – unerlässlich für jeden Besuch beim Musikantenstadl!

Externe Links:

Homepage von Fred Fesl