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Singer-Songwriting (5): Der vergessene Poet: Gottfried Schlögl

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(c) privat

Ein Münchner Urgestein, ein Poet, Dichter und Chansonnier, der viel zu früh gestorben ist und deswegen selbst im Zeitalter der Digitalisierung Gefahr läuft, dem Vergessen anheim zu fallen, ist Gottfried Schlögl.

Geboren 1950 in München, macht er nach der Schule zuerst eine Ausbilung zum Schriftsetzer. Doch der Wunsch nach künstlerischem Ausdruck treibt ihn um. Er beginnt an der Kunstakademie zu studieren. Um sich das Studium zu finanzieren, macht er Musik. Um genug Geld zu verdienen, steht er an einem Abend oft auf mehreren Bühnen hintereinander. Meistens tingelt er vom MUH in der Hackenstraße weiter ins etwas südlicher gelegene Dreimühlenviertel zur Bühne Robinson, um auch dort etwas zum Besten zu geben. Trotzdem wird er zeitlebens von Geldproblemen geplagt sein. Er beginnt mit derben Liedern, die das Publikum mitreissen sollen. Doch bereits auf seiner ersten Veröffentlichung, dem Album Wahrheiten von 1978, widmet er sich auch ernsten Themen. Neben dem Titelgebenden Lied, in dem die Wahrheit zu Grab getragen wird, geht es auch immer um die Frage nach dem Sinn und Streben des Lebens. Wenn auch oft auf humoristische Weise, wie in „Bin nur ein Stück“:

Bin nur ein Stück von dem was ich sein will
Trau mich nie rein, wenn ich wo rein will.
Vor jeder Tür sag ich mir: Was will ich hier!
Bin beim Reden nicht der Schnellste
Und beim Denken nicht der Hellste.

(Gottfried Schlögl: Bin nur ein Stück. Aus: Wahrheiten, 1978)

Doch auch wenn er in der Szene einen guten Ruf geniesst, und regelmäßige Veröffentlichungen mit neuen Liedern auch im Radio gespielt werden, so bleibt der wirkliche Durchbruch aus. Der scheint erst zum Greifen nahe, als sich Schlögl an die Lieder eines anderen Musikers macht. Schon immer ein großes Vorbild von ihm, beginnt er Stücke des belgischen Chansonniers Jacques Brel auf Deutsch und Bairisch zu übersetzen und zu interpretieren. 1987 veröffentlicht er sein Album Gottfried Schlögl singt Jacques Brel. Es wird sein größter Erfolg und bringt ihm den Titel „der bayerische Brel“ ein. Auftitte führen ihn nun auch in so renommierte Häuser wie die Alte Oper in Frankfurt. Auch wenn Schlögl sich nicht nur eigener Übersetzungen bedient, so trägt er diese Stücke doch so authentisch vor, dass man ihm – ebenso wie dem 1978 verstobenen Brel – alles abnimmt, was er singt. Als sei auch er ein Kind, des „flachen Landes“, des „plat pays“ Flandern:

Da ist der Himmel tief, dass ein Fluss sich verliert
Da ist der Himmel tief, dass man nur Demut spürt
Da ist der Himmel grau und Henker für den Fluss
Der Himmel ist so grau, dass man ihn trösten muss.
Bei diesem Wind von Nord, der sich vierteilen wird.
Bei diesem Wind von Nord, wenn hart die Erde klirrt.
Du bist mein Land, mein flaches Land.

(Gottfried Schlögl: Mein Flaches Land. Aus: Gottfried Schlögl singt Jacques Brel, 1978. Text bereits 1970 von Heinz Riedel übersetzt)

Doch der Erfolg ist Schlögl nicht lange vergönnt. Denn auch wenn er 1984 dichtete...

Gelassenheit – ich hab noch eine Menge Zeit.
Gelassenheit. Was soll die irre Hysterie?
Nur aus der Ruhe kommt die Kraft.
Es gibt so vieles was mich schafft.
Gelassenheit – Ich lass mir für das Leben Zeit.

(Gottfried Schlögl: Gelassenheit. Auf: Gelassenheit, 1984)

... so blieb ihm nach seinem Durchbruch als „der bayerische Brel“ gar nicht viel Zeit. Am 10. Februar 1989 starb er an den Folgen einer Lungenentzündung. Der „bayerische Brel“ ist gerade mal 39 Jahre alt geworden – zehn Jahre jünger als sein belgischer Chansonkollege.

Was bleibt von ihm? Geboren, gelebt und gestorben in Zeiten der analogen Medien, sind seine Alben ausschließlich auf Schallplatte und Musikkassette erschienen. Wer sie finden will, kann sich durch Antiquariate wühlen. Im Jahr 2004 kam eine Anthologie mit einigen seiner Lieder auf CD heraus. Bei dem kleinen Label TeBiTon in Kirchheim bei München.

In Zeiten von Millionen Likes und Milliarden Insta-Klicks scheint es seltsam, dass sich kaum Spuren des Liedermachers Gottfried Schlögl finden lassen. Wie prophetisch wirkt da doch der Schlussvers des scheinbar so lustigen „Bin nur ein Stück“ von seiner ersten Veröffentlichung:

Verwisch Deine Spuren, kein Grabstein soll stehn.
Wann bist Du gekommen, keiner hat Dich gesehn.
Das Jahr Deines Todes, das Dich überführt
Braucht keiner zu lesen. Niemand hat Dich gespürt.

(Gottfried Schlögl: Bin nur ein Stück. Aus: Wahrheiten, 1978)

Schlögls Grabstein steht auf dem Münchner Waldfriedhof.