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09.10.2018, 12:39 Uhr
Jonas Lüscher
Gespräche
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Der Autor Jonas Lüscher über seine politische Großinitiative

Unter dem Namen 13-10 haben der Schriftsteller Jonas Lüscher und der Philosoph Michael Zichy ein europaweites Projekt gestartet. Lüscher war bislang vor allem durch seine Bücher bekannt – die Novelle Der Frühling der Barbaren (2013) oder der Roman Kraft (2017), für den er 2017 den Tukan-Preis der Stadt München erhielt. Nun rufen die beiden am 13. Oktober zu einer europaweiten Demonstration auf: Mindestens fünf Millionen Menschen wollen sie an diesem Tag auf die Straße bringen, um gegen Nationalismus und Intoleranz und für ein demokratisches und vereintes Europa zu demonstrieren. Bislang sind in Ungarn, Polen, Zypern, Frankreich, Belgien, Deutschland und einigen anderen europäischen Staaten Veranstaltungen angemeldet. Mehr Informationen über 13-10 gibt es hier.

Für das Literaturportal Bayern hat Laura Worsch mit Jonas Lüscher über die Entstehung des Projekts, dessen Ziele und die Verbindung zwischen Kunst und politischem Engagement gesprochen.

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Literaturportal Bayern: Herr Lüscher, wie sind Sie und Ihr Mitinitiator Michael Zichy auf die Idee gekommen, diese gewaltige Veranstaltung zu organisieren? 

Jonas Lüscher: Wir telefonieren seit einigen Jahren so alle zehn Tage und sprechen eine Stunde oder zwei über Politik. Meist sind es sorgenvolle Gespräche. Und zusehends waren wir beide danach frustriert. Immer nur reden, reden … Wir hatten das Gefühl, dass wir mal ins Handeln kommen müssen. Nur wie? Dann hatten wir die Idee für eine europaweite Demonstration.

 

In Ihren eigenen Worten: Welche Bedeutung hat 13-10? Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Projekt?

Wir gehen davon aus, dass die Bürger, die noch an die liberale Demokratie und an eine Zukunft für ein solidarisches Europa glauben, eigentlich in der Überzahl sind. Nur sind die Rechtspopulisten zur Zeit so laut und erhalten so viel Presse, dass das manchmal vergessen wird. Es geht tatsächlich darum zu zeigen: Wir sind viele. Wir sind mehr. Und es geht darum, ein Gefühl der Solidarität herzustellen. Verbündete zu finden.

 

Ihr Projekt erinnert in seinen Aussagen an die großen Demonstrationen von Pulse of Europe – Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sehen Sie?

Was wir an Pulse of Europe so großartig finden, ist eben die Idee eines Pulses – also die regelmässige Präsenz; alle paar Wochen zeigt man sich wieder auf der Straße und zeigt damit, dass der Patient noch am Leben ist, dass das Herz noch schlägt. Wir haben allerdings den Eindruck, dass es dem Patienten gerade so schlecht geht, dass er mal einen Stromstoß mit dem Defibrillator braucht. Dafür versuchen wir mit unserem Aufruf ganz unterschiedliche Akteure zusammenzubringen. Neben Pulse of Europe auch DiEM25, Womens Global March, Demokratie in Bewegung, die klassischen Parteien und Gewerkschaften ...

 

Was passiert nach dem 13. Oktober? Soll das Projekt fortgesetzt werden?

Im Moment sind wir mit dem 13. Oktober voll ausgelastet und haben kaum Kapazitäten, darüber hinaus zu denken. Andererseits wissen wir natürlich, dass wir in den letzten Monaten ein wertvolles Netz geknüpft haben. Angesichts der anstehenden Europawahlen wird es genügend Möglichkeiten geben, darauf zurückzugreifen und noch mal etwas anzuschieben. Aber konkrete Pläne gibt es noch nicht.

 

Wie sind Sie mit der Mobilisierung bislang zufrieden?

13-10 hat nicht ganz die Eigendynamik erreicht, die nötig wäre, um eine wirklich große Sache zu werden. Andererseits werden Demonstrationen in zirka 50 Städten stattfinden. Das ist nicht so schlecht. Und wir sehen, dass es für die Organisatoren in Polen, Ungarn und Italien wichtig ist zu spüren, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine gelassen werden; dass es eine europäische Solidarität gibt.

Wir sehen aber auch, dass zur Zeit enorm viel demonstriert wird. Das ist erfreulich, macht es aber auch schwieriger, etwas auf die Beine zu stellen. Gerade in München ist die Demonstrationsdichte dieses Jahr hoch. Vielleicht braucht es dann einfach nicht noch eine zusätzliche Demo.

 

In welchem Verhältnis stehen Ihrer Meinung nach Literatur und Engagement? Braucht die deutsche Literaturszene mehr politisches Engagement?

Das ist ein sehr komplexe Frage, zu der es viel zu sagen gäbe. Aber grundsätzlich: Politisches Engagement ist zu begrüßen und gerade eine engagierte Literatur- und Kunstszene kann einen öffentlichen Diskurs in Gang bringen, denn wir in diesen Zeiten brauchen. Zudem ist das Engagement auch mit einem guten Stück Eigennutz verbunden. Wo die liberale Demokratie zusammengebrochen ist – z.B. in der Türkei, aber auch in Ungarn –, ist es schwierig, noch freie Kunst zu machen.