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17.09.2025, 11:15 Uhr
Thomas Lang
Spektakula

Das WortWärts-Literaturfest 2025 in Nürnberg gab zahlreichen Autorinnen und Autoren eine Bühne

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Vom 15. bis 18. August 2025 fand in Nürnberg das „WortWärts“-Literaturfest des KUNO e.V. statt. Zahlreiche Lesungen, ein Podiumsgespräch, ein Schreibworkshop sowie die Vorstellung der Trägerinnen des 37. Fränkischen Preises für junge Literatur gehörten zum Programm. Das Literaturportal war mit Thomas Lang vor Ort.

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Es ist ein besonderes Jahr für das Kulturzentrum Nord, KUNO e.V., in der Nürnberger Nordstadt. Das 2006 ins Leben gerufene Open-Air-Lesefestival feiert heuer sein 20-jähriges Jubiläum. Es hat einigen Herausforderungen, nicht zuletzt während der Corona-Jahre, getrotzt. Drei Tage lang geht es auch im Jahr 2025 um vorwiegend junge deutschsprachige Literatur.

Am Sonntagmittag, dem letzten Festtag, herrscht mildes Wetter. Die Sonne steht über dem Hinterhof in der Wurzelbauerstraße nahe dem Nürnberger Stadtpark. Einige Bäume spenden jedoch Schatten und ein lauer Wind streicht über die Zuschauerreihen. Etwa 50 bis 60 Gäste sind bereits für die erste Lesung des Tages versammelt. Christian Schloyer, Nürnberger Lyriker, liest aus seinem neuen Gedichtband VENUS-MARS eine Reihe hoch verdichteter lyrischer Texte. Sie greifen häufig Schlagwörter auf, die unseren Alltag durchdringen vom politischen Statement bis zum popkulturellen Zitat. Dabei spannt Schloyer die Wörter für eigene Zwecke ein, bettet sie in neue Kontexte, kombiniert sie auf überraschende Weise oder lässt sich lautlich zu neuen Findungen wie dem „Godzilla-Genital“ führen.

Den zweiten Teil seiner Lesung gestaltet der in Nürnberg lebende Autor interaktiv, indem er das Publikum abstimmen lässt, welche Passage seines Buches er als nächstes lesen soll. Dieses Verfahren ist angelehnt an alte Computerspiele, die bereits ähnliche Auswahlmöglichkeiten boten. Schloyer zeigt sich als Anhänger der Buchkultur, ist gegenüber Entwicklungen wie dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Schreiben jedoch aufgeschlossen. Er glaubt zwar nicht, dass KI künstlerisch arbeiten könne, sie könne beim Schreiben aber helfen. „Mich interessiert, was KI über das menschliche Bewusstsein aussagt“, resümiert der Schriftsteller im Publikumsgespräch.

Erlernte Sprachlosigkeit

Paulina Czienskowski, deren Porträt auch auf dem Titel der Programmbroschüre zu sehen ist, stellt ihren zweiten Roman Dem Mond geht es gut vor. Er beinhaltet die sehr auf Innerlichkeit und Selbstempfindung setzende Geschichte einer Tochter, die selbst Mutter wird und merkt, dass sie für diese neue Welt keine Sprache hat. Die Sprachlosigkeit fühlt sie als etwas, das Mutter und Großmutter an sie weitergegeben haben. Im Gespräch weist Czienskowski darauf hin, dass Frauen viel seltener Autobiografien oder sonstige Aufzeichnungen ihrer Leben anfertig(t)en als Männer. Ihr Schreiben charakterisiert sie als wenig von „Fakten“ getrieben. Gegen diesen Begriff stellt sie den von einem „Innenleben“. Gefühle und Vorstellungen – darum gehe es ihr beim Schreiben. Die Schriftstellerin beschreibt sich außerdem als harte Arbeiterin und Perfektionistin, die selbst nach der Publikation noch Sätze aus dem Buch streiche.

Die Münchner Autorin Yukio Kuhn liest aus ihrem Debütroman Onigiri, in dessen Zentrum die Beziehung einer Tochter zu ihrer dementen Mutter steht. In dem Text begegnen sich japanische und deutsche Lebenssphären. Beim Lesen akzentuiert Kuhn die Worte sehr genau, ohne dadurch das Tempo zu verschleppen. Im Gespräch berichtet sie, wie sie durch die Zusammenarbeit mit Doris Dörrie – Verwaltungsarbeit, wie sie betont – indirekt zum Schreiben inspiriert wurde und wie im Lauf von fünf Jahren, unterbrochen durch die Geburt ihres dritten Kindes, der vorliegende Roman entstand. Ausführlich stellt die Autorin den Entstehungsprozess des Buches und ihre Arbeit am Manuskript vor. Eine Demenz wie die der Mutter im Buch scheint biografisch auch die Mutter der Autorin getroffen zu haben. Es handele sich aber um eine „sehr angenehme Form der Demenz“, da ihre Mutter sich offenbar gut fühle. Die Mutter singe immerzu, erzählt Kuhn. „Wir nennen sie die Juke-Box.“

Frankens literarischer Nachwuchs

Nach einer Pause, in der viele Zuschauer sich im zugehörigen Café versorgen, geht es mit einer Krimi-Lesung von Roland Spranger weiter. Anschließend tritt die Lübecker Autorin Svealena Kutschke auf. Ihr Buch Gespensterfische spielt in einer Psychiatrie. In dem von ihr vorgetragenen Ausschnitt geht es um eine bulimische Figur.

Von den Preisträgerinnen des 37. Fränkischen Preises für junge Literatur ist aus ungeklärten Gründen nur Zoe Wallner anwesend, Kamali Bauer fehlt auf der Bühne. Wallner liest aus ihren prämierten Texten. Im anschließenden Gespräch mit dem Leiter des Fachbereichs Literatur im KUNO, Siegfried Strassner, betont sie, dass es in ihrer Literatur stark um den Körper gehe, um körperliches Empfinden.

Das Literaturfest WortWärts präsentiert sich unter dem Strich als ein Forum, dass den Nürnbergern eine Vielfalt an vorwiegend jüngeren bis sehr jungen Autorinnen und Autoren vorstellt. Die Atmosphäre in dem schattigen, mit verschiedenartigen kleinen Gebäuden bestandenen Hof ist unaufgeregt und lädt das Publikum ein, sich neuen literarischen Stimmen zu öffnen. Die Dauer von etwa 45 Minuten je Autor, bestehend aus Lesung und Gespräch, wirkt gut geeignet, um sich einer Reihe unterschiedlicher Texte zu öffnen. Man kann der Stadt Nürnberg nur wünschen, dass sie den Wert solcher Veranstaltungen auch weiterhin anerkennt.

Herausgehoben sei schließlich noch das neue Format „wordwi(e)se“. Es findet heuer zum ersten Mal statt und öffnet die Bühne für „junge Autor:innen aus der Nürnberger Region“. Dabei wendet es sich an ein ebenso junges Publikum. Neben einem Strauß an literarischen Geschichten bietet es englischsprachige Gedichte, Wortspielereien und Prosa-Lyrik-Mixturen.