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Anton Graff (1736-1813): Porträt des Johann Gottfried Herder, 1785

Eschlkam, Hauptstraße 14, Schloss Stachesried: Herders Alterssitz

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Hofmark Stachesried, historischer Kupferstich von Michael Wening (1721)

In der Marktgemeinde Eschlkam – im gleichnamigen Ortsteil Stachesried, Hauptstraße 14 – befindet sich das barocke Schloss Stachesried, das auf eine historische Hofmark im 11. Jahrhundert zurückgeht. Nach einem Stich des Münchner Hofkupferstechers Michael Wening aus dem Jahr 1721 war das Schloss eine zweigeschossige Anlage, an dessen Herrenhaus sich ein Kirchenbau anschloss. Das heutige Schloss zeigt noch ein barockes Eingangsportal mit toskanischen Pilastern und vorkröpfendem Gebälk sowie einem an der Westfront übereck gestellten Kastenerker. Die Jahreszahl 1692 weist auf die Fertigstellung durch den Bauherrn Franz Wilhelm von Pelkoven hin. Das denkmalgeschützte Gebäude des ehemaligen Hofmarkschlosses wird heute als Gasthof und Metzgerei genutzt.

1801 erwirbt der aus Ostpreußen stammende und in Weimar lebende und zwischen Aufklärung und „Sturm und Drang“ wirkende Dichter, Philosoph und Theologe Johann Gottfried Herder (1744-1803) die Hofmark Stachesried bei Eschlkam in der Grafschaft Cham, um dort seinem vierten Sohn Karl Emil Adelbert (*1779 in Weimar, +1857 in Regensburg) – seit 1794 zumeist in der fränkischen Landwirtschaft tätig, aber auch seit 1801 Doktor der Philosophie in Jena – eine landwirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen. Das einsam aber anmutig gelegene Landgut Stachesried soll nach Adelberts Vorstellungen später auch als Altersruhesitz seines Vaters dienen. Herders Ehefrau Maria Caroline, geb. Flachsland (1750-1809), schreibt dazu in ihren fragmentarisch erhaltenen Erinnerungen aus dem Leben Johann Gottfried Herders: „Adelbert reizte es [...] dem Vater einen Erholungsort für die späteren Jahre seines Lebens auf diesem schöngelegenen Landsitz bereiten zu können.“ Am 4. August 1801 wird der Kaufvertrag unterschrieben. Ab 12. August 1801 ist die Herder-Reise „nach Baiern“ geplant. Die Route gibt Herder-Ehefrau Caroline vor: „Uebermorgen gehts durchs Voigtland, über Baireuth, Amberg u. Waldmünchen, nach Arnschwang, wo wir unter dem Dach unsres Sohns einige Wochen zu leben gedenken.“

Herder hat zeitgleich beim bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph um die Nobilitierung  nachgesucht. Graf Görtz in Regensburg fungiert als Mittelsmann. Die Erhebung in den erblichen Adelstand erfolgt dann am 8. Oktober 1801. Damit kann sich auch Sohn Adelbert des Adelsnamens „von“ bedienen.

Mit Brief aus Weimar vom 11. November 1801 an den befreundeten Jean Paul skizziert Herders Ehefrau die geographische Lage des Schlosses: „Stachesried liegt 6 Stunden von dem nächsten Postort Waldmünchen – von da müßten die Briefe durch Boten geholt werden [...].“

Den Herder‘schen Familienplänen zufolge soll im Schloss Stachesried besonders das landwirtschaftliche Unterrichtswesen mit einem ökonomischen Institut gefördert werden – mit Ausbildungsplätzen für acht Zöglinge. Herder versucht schon in seinen theologischen und geschichtsphilosophischen Schriften Christentum und Humanitätsidee (er ist seit 1766 Freimaurer in Riga und seit 1783 bairischer Illuminat) miteinander zu verknüpfen und leistet damit einen bedeutenden Beitrag zu den Humanitätsvorstellungen der Weimarer Klassik.

Schloss Stachesried in der heutigen Form als Schlossgaststätte. Foto: Markt Eschlkam – Tourismusbüro

Der Weimarer Superintendent und Gelehrte Herder, Freund Goethes, Schillers und Jean Pauls, nutzt den Erwerb des Landguts (mit ca. 265 ha Grund und Boden) aber auch zu seiner eigenen Erholung. Aus dem vorhandenen Briefwechsel geht das Lob auf die „gesunde Luft“ in Stachesried hervor. Vor dem Hintergrund der klassischen Bedeutung Herders auf die Nachwelt erscheint der Kauf des Ökonomiebetriebs in Stachesried im neuen Licht – so im Brief vom 28. Oktober 1802 (nach dem 2. Aufenthalt „NachCur“ in Stachesried). Darin schreibt Caroline von Herder: „Die Bewegung die Reise, die Luft in Stachesried [...] haben heiter auf ihn gewirkt.“

Adelbert wirtschaftet zwar mit viel Idealismus, aber wenig Gespür für die wirtschaftlichen Zusammenhänge. 1809 – Vater Herder ist bereits 1803 gestorben – ist das Gut hoch verschuldet. Die kgl.-priv. Baierische National-Zeitung vom 27. Oktober 1810 berichtet ausführlich über das geplante Versteigerungsprocedere. Es setzen Gerichtsprozesse ein. 1816 erwirbt Prinz Friedrich von Sachsen-Gotha bei einer Versteigerung die Hofmark Stachesried. Der hoffnungslose Kampf um die Erhaltung bzw. Rückgewinnung füllt den Rest des Lebens Adelbert von Herders aus. 1857 stirbt er in Regensburg in äußerster Armut.

Den Lesern und Literaturfreunden von heute erfreut die Herder-Korrespondenz mit seiner Darmstädter Ehefrau Maria Caroline. „Aus ihnen geht hervor“ – so der Chamer Germanist und Lokalhistoriker Winfried Baumann 1992 – „dass die Familie Herder trotz aller auch vom bayerischen Kurfürsten gewährten Unterstützung hier [in der südöstlichen Oberpfalz, Anm. B.M.B.] nicht Wurzeln schlagen konnte, Land und Leuten gegenüber fremd geblieben ist.“

In der 1842 auf Initiative des bayerischen Königs Ludwig I. von Leo von Klenze fertiggestellten Ruhmeshalle „Walhalla“ auf dem Bräuberg bei Donaustauf findet der interessierte Kunst- und Literaturfreund ein Bildnis von Herder. Geschaffen hat es 1815 der Berliner Bildhauer Christian Friedrich Tieck. Als Herder im Juli 1802 von seiner Aachener Badekur kommend über Frankfurt und Nürnberg auch durch Regensburg fährt, kann er nicht erahnen, dass er dereinst in Bayern zu den „rühmlich ausgezeichneten Teutschen“ gezählt werden wird.

Verfasst von: Bernhard M. Baron / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Johann Gottfried Herder. Briefe. Gesamtausgabe 1763-1803. Hg. von der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar unter Leitung von Karl Heinz Hahn. 13 Bde. Weimar 1977f.

Ders.: Briefe in einem Band. Berlin-Weimar 1970.

Baumann, Winfried (1992): Johann Gottfried Herder. Sommergast auf Schloß Stachesried. In: Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham 9, S. 169-191.

Gerhardt, Peter von; Schauer, Hans (1930): Johann Gottfried Herder – seine Vorfahren und seine Nachkommen. Leipzig.

Hahn, Andrea (2003): Schlossgut Stachesried. Familie Herder in der Schuldenfalle. In: BR 2 Radio – Reihe Land und Leute HF, 21. Dezember.

Herder, Maria Caroline von (1820): Erinnerungen an Johann Gottfried von Herder. 2 Bde. Tübingen.

Kgl.-priv. Baierische National-Zeitung  1810. 4. Jg., 1. Bd., S. 1027f.

Meid, Volker (20062): Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren (Reclams Universal-Bibliothek, 17664). Stuttgart, S. 404f.

Schauer, Hans (Hg.) (1916 und 1928): Herders Briefwechsel mit Caroline Flachsland. Nach den Handschriften des Goethe-und-Schiller-Archivs. 2 Bde. (Schriften der Goethe-Gesellschaft, 39 und 41). Weimar.

Zaremba, Michael (2002): Johann Gottfried Herder – Prediger der Humanität. Eine Biografie. Böhlau, Köln.


Externe Links:

Porträt Johann Gottfried Herder (Markt Eschlkam)

Schlossgasthof Leonhard in Stachesried

Walhalla