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Friedrich Schiller, Fotogravur nach einem Gemälde von Carl Jäger (Bayerische Staatsbibliothek / Porträtsammlung).

Erbendorf: Wohnhaus der Schiller-Vorfahren

Prominente geben sich in der 900 Jahre alten Bergstadt Erbendorf (heute Landkreis Tirschenreuth), am historischen Handelsweg „Goldstraße“ zwischen Steinwald und Fichtelnaab, immer wieder ein Stelldichein. Kaiser Friedrich Barbarossa hält hier 1174 einen Hoftag ab, und 1383 überzeugt sich König Wenzel IV. von Böhmen auf seiner Reise von Prag nach Nürnberg vom Bergbau in der ehrwürdigen Stadt. Paul Zeidler (1548-1627), humanistisch-lutherischer Pfarrer und Schulmeister, rühmt 1585 die Silber-Bergbaustadt in dem lateinischen Wappen-Gedicht „Insignia Reipublicae Erbendorfiensis“. Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz notiert in seinen Tagebüchern 1687 und 1688 die Besichtigung der Bleibergwerke von Erbendorf. Auch die Ahnen der Komponisten von Christoph Willibald Gluck und Max Reger stammen aus Erbendorf.

Am 250. Geburtstag von Friedrich Schiller, den 10. November 2009, enthüllt der Erbendorfer Bürgermeister Hans Donko die „Schiller-Gedenktafel“ am Anwesen Bräugasse 20. Sind doch die mütterlichen Vorfahren des großen Dichters der deutschen Klassik, die Familien Uschalk, hier lange Zeit wohnhaft gewesen.

In der Ahnenreihe Schillers treffen wir auf Anna Elisabeth Uschalk, die Urgroßmutter des Dichters. Sie ist mit dem Bäcker und Bürgermeister Johannes Kodweiß zu Marbach am Neckar verheiratet. Sein Sohn Georg Friedrich ist der Großvater Schillers. Aus dessen Ehe geht Elisabeth Dorothea Kodweiß hervor, die den Wundarzt und Obristwachtmeister Johann Kaspar Schiller heiratet. Sie sind Friedrich Schillers Eltern.

Die Uschalks (Uschalts) sind in Erbendorf eine angesehene Familie, aus der Schultheiße, Verwalter und Pfleger stammen. Ein gewisser Johann Uschalk heiratet am 19. Januar 1602 in Stuttgart die Gerichtsbeamtentochter Juliane Dannenritter. Im Trauungsbuch wird dieser Johann als Sohn des Bürgers Mattäus Uschalk in Erbendorf angegeben („Matthei Uschalken Son von Erbendorf in d. Ober Pfaltz“). Dieser Matthäus Uschalk, ein Mälzer bzw. Brauer, verschuldet durch unvorsichtiges Hantieren den großen Stadtbrand von Erbendorf am 28. März 1596. Um sein Leben zu retten, flieht er ins „Ausland“ – in die Crailsheimer Gegend. 

Links: Wohnhaus der Schiller-Vorfahren, Bräugasse 20, in Erbendorf. Rechts: „Schiller-Gedenktafel“ am Wohnhaus der Schiller-Vorfahren, angebracht am 10. November 2009. © Jochen Neumann (Stadt Erbendorf)

Wir wissen nicht, wie weit Friedrich Schiller selbst zurückblicken kann, da er kein ausführliches Tagebuch (im Gegensatz zu seinem Dichter-Freund Johann Wolfgang von Goethe) führt. Vielleicht schwingt aber doch parabelartig die „Unglückstat“ des Vorfahren von Matthäus Uschalk von 1596 mit, als Schiller 1799 sein beeindruckendes „Lied von der Glocke“ schreibt:

Wohltätig ist des Feuers Macht,
wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
und was er bildet, was er schafft,
das dankt er dieser Himmelskraft:
doch furchtbar wird die Himmelskraft,
wenn sie der Fessel sich entrafft,
einhertritt auf der eignen Spur, die freie Tochter der Natur.
Wehe, wenn sie losgelassen,
[...]

Auch wenn Friedrich von Schiller vermutlich nie nach Erbendorf gekommen ist, obwohl er sich anfangs August 1791 von Karlsbad kommend im Raum Eger aufhält und auch (von Goethe inspiriert) zum „Stift Waldsassen“ reisen will – die Obere Pfalz kennt er sehr genau. So verewigt er in seinem großen Drama über den Dreißigjährigen Krieg Wallensteins Tod (1799) zahlreiche Ortsnamen, wie Tirschenreuth, Bärnau, Falkenberg, Sankt Katharinenstift (Störnstein) und wörtlich den Lärm der Geschütze: „Von Neustadt oder Weiden schien's zu kommen.“ Bei Neustadt a.d. Waldnaab lässt er dann auch die „Schlacht bei Neustadt“ stattfinden, wo Max Piccolomini, fiktiver Sohn des italienischen Reitergenerals Octavio Piccolomini (1599-1656) in Wallensteins Truppe, umkommt, nachdem er einige Stunden zuvor von Pilsen in Böhmen fortgestürmt ist.[1]

Im Anwesen Bräugasse 20, an dem die „Schiller-Gedenktafel“ angebracht ist, befindet sich heute, von Rosmarie und Horst Kölbl stilgerecht restauriert, das Zoigl-Wirtshaus „Zum Meislbeck“. Natürlich befindet sich im ersten Stock eine passende „Schiller-Stube“, die junge und alte Literaturfreunde zu einer kräftigen Oberpfälzer Zoigl-(Bier-)Brotzeit einlädt.

 

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[1] Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Neustädter Heimatdichter Oswald Hafner sich ebenfalls von Schillers fiktiven Helden Max Piccolomini und der Sage der „Schlacht beim Felixwald“ (in Neustadt a.d. Waldnaab) zu einem Gedicht inspirieren lässt: „Tausend rote Feuer flimmern / Flackernd in die Nacht hinein, / Und Gezelt und Waffen schimmern / Rot im hellen Widerschein. / Eingebrochen sind die Reiter / Unter Piccolomini. / Und ihr Oberst todesheiter / Ist wie Gotteswetter hie. / Seines Todes schöne Stelle / Ehrt die Stadt noch liebend dort / Und die kleine Steinkapelle / Pflanzet sein Gedächtnis fort. –“ (Max Piccolomini's Tod bei Neustadt a.d. Waldnaab / Sage auf die Schaller-Kapelle an der Felix-Allee)

Verfasst von: Bernhard M. Baron / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Baron, Bernhard M. (2001): Oberpfälzer Literaturg'schichten. Audio-CD. Radio Ramasuri, Weiden. Text & Sprecher: Bernhard M. Baron © Radio Ramasuri.

Ders. (2009): Friedrich von Schiller und die Oberpfalz. Anmerkungen zum 250. Geburtstag des großen Dichters. In: Oberpfälzer Heimat 53, Weiden i.d. OPf., S. 53-60.

Höser, Josef (1967): Geschichte der Stadt Erbendorf (1926). Neu bearb. von Wilhelm Gollwitzer und hg. von der Stadt Erbendorf. Regensburg, S. 107-110.

Knedlik, Manfred (1995): Landkreis Tirschenreuth. Zwei literarische Reisen. Hg. vom Landkreis Tirschenreuth. Hof, S. 41-43.

Willfurth, Reinhold (2010): Des Dichterfürsten feuriger Vorfahr. Ein Brauer und Brandstifter aus der Oberpfalz ist der Urahn von Friedrich Schiller. In Matthäus Uschalks Haus fließt seit kurzem wieder das Bier. In: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg), Kultur, 23./24.01.


Externe Links:

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