Buchblogger im Porträt (2) – Marius Müller

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(c) Marius Müller

Viele lesenswerte Bücherblogs befinden sich im Internet. Buchblogger (Booktuber, Bookstagrammer, Booktiktoker, Bookpodcaster, Bookvlogger, Bookfacebooker, Booktwitterer) spielen eine wachsende Rolle in der Literaturlandschaft. Was treibt diese Book-Influencer an? Wo verorten sie sich in der Bücherwelt? Welche dieser Multiplikatoren gewinnen an Bedeutung und warum? Die neue Journal-Kolumne „Buchblogger im Porträt“ von Autor, Journalist und Übersetzer Nicola Bardola porträtiert leidenschaftliche Leser*innen, die ihre Erfahrungen auf vielfältige Weise in den sozialen Netzwerken und auf eigenen Webseiten teilen.

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Marius Müller (Augsburg)

Marius Müller, geboren 1991, lebt und arbeitet in Augsburg. Dort ist er in der Stadtbücherei Augsburg tätig. Daneben organisiert und moderiert er literarische Veranstaltungen in und um Augsburg. Den Geburtstag (14. August) teilt er sich, „wie es sich für einen guten Augsburger gehört“, mit Bertolt Brecht. Marius Müller hat mit seinem Literaturblog „Buch-Haltung“ (www.buch-haltung.com) im Jahr 2013 während seines Studiums in München angefangen. Seitdem hat sich der Blog optisch und inhaltlich verändert: Der Anspruch an die Lektüre ist gewachsen, genauso wie der Umfang der jeweiligen Rezension und das eigene literarische Wissen.

„Ich betreibe den Blog in meiner Freizeit und bemühe mich, eine möglichst große Vielfalt an Themen und Verlagen auf dem Blog vorzustellen. Etwa zehn Besprechungen pro Monat gehen auf meinem Blog online, wobei ich den Fokus auf zeitgenössische Literatur und Neuerscheinungen lege. Aber auch der Blick über den Tellerrand ist mir wichtig, so bespreche ich daneben anspruchsvolle Genreliteratur aus den Bereichen Krimi und Historisches. Auch das erzählende Sachbuch hat seinen Platz in der Buch-Haltung. Daneben gibt es Vorstellungen der literarischen Herbst- und Frühjahrsprogramme der Verlage und Meinungsartikel“, so Müller.

Neben dem Blog pflegt er auch eine Präsenz in den sozialen Netzwerken Twitter (@buch_haltung), Instagram (le_buchhalter) und Facebook (Marius Müller), bei denen er ebenfalls literarische Empfehlungen und Beobachtungen zur Literaturszene teilt. „Ich versuche bei meinen Besprechungen den Titel ausgewogen und fair gegenüberzutreten, allerdings auch einen kritischen Blick zu wagen. Ganz ernst und trocken muss es dabei nicht immer sein. Reine Empfehlungen oder pure Lobhudeleien sind meine Sache nicht, vielmehr sollen auf dem Blog auch kritische Worte ihren Platz finden. Das Benennen von Schwächen und die Warnung vor literarischem Blendwerk ist mir ein Anliegen. In diesem Sinne finden auch sachlich begründete Verrisse ihren Platz auf meinem Blog. Die Zeit ist schließlich zu schade für schlechte Bücher“, so Müller.

Mit den Verlagen pflegt er trotz mancher kritischer Worte und Meinungen auf dem Blog ein gutes und konstruktives Verhältnis. Der Kontakt mit Autor*innen hingegen findet selten statt: „Ich versuche, mir so gut es geht einen objektiven Blick zu bewahren und bin um die Distanz ganz froh. Immer mal wieder gibt es aber durchaus Rückmeldungen, besonders auch von Übersetzer*innen, die sich durch das Hervorheben ihrer Leistung in meinen Texten geschätzt fühlen“. Immer wieder melden sich auch Abonnent*innen, die die Arbeit honorieren oder nach weiteren Buchempfehlungen fragen. „Solche Rückmeldungen machen mir große Freude und motivieren für die vielen Stunden Arbeit, die in einem solchen Blog wie dem meinigen stecken.“

Für seine Arbeit schätzt Müller die Angebote wie das des Perlentauchers, des Literaturportals Bayern und Angebote wie Netgalley und Vorablesen. Aber auch andere Blogs inspirieren ihn. So schätzt er besonders den kritischen Blick und den literarischen Wissensschatz Katharina Herrmanns auf ihrem Blog „Kulturgeschwätz“. Auch das Rezensionskollektiv „Aufklappen“ lobt Müller für die fundierten und kritischen Besprechungen zeitgenössischer Literatur. „Hier findet man Besprechungen, die über ein reines Benennen von Inhalt und Sprache hinausgehen und die den Blick auf das Besprochene weiten.“ Was das Vorstellen von Literatur aus der Welt der unabhängigen Verlage angeht, schätzt Müller Nick Lüthis Seite „Bookgazette“. „Hier präsentiert Lüthi immer wieder Titel und Verlage außerhalb des Mainstreams, die eine größere Öffentlichkeit verdienten. Fundiert bespricht er alles aus diesem Kosmos der unabhängigen Verlage, die unsere Literaturlandschaft erst zu der machen, die sie ist. Gerade in ihrer Expertise für scheinbar Entlegenes und vom Feuilleton vernachlässigte Titel und Genres haben Buchblogs doch ihren Reiz und ihre Existenzberechtigung. Ich selber sehe sie als Ergänzung zu den bereits bestehenden feuilletonistischen Angeboten. Und in Zeiten schrumpfender Zeitungsauflagen, verschwindender Kulturangebote und Präsentationsflächen in Funk und Fernsehen kommt ihnen eine gesteigerte Bedeutung zu.“

In Buchblogs könne man sich unbegrenzt von Zeichen und Zeit der Literatur widmen, frei von Auflagen und Beschränkungen schreiben, andere an der eigenen Expertise teilhaben lassen: „Auch in ihrer unmittelbaren Nähe zu der von ihnen aufgebauten oder verknüpften Communities haben Blogs ihre Stärke, bekommen unmittelbar Rückmeldung und müssen nicht jedem Buchmarkttrend hinterherhecheln, sondern können sich ganz frei machen von Moden.“

Frei machen solle man sich allerdings auch von der Vorstellung, mit dem Bloggen Geld zu verdienen oder gar davon leben zu können. Denn außerhalb einiger weniger reichweitenstarken Blogs und Influencer bleibe für die meisten das Bloggen doch ein Hobby, das allenfalls Einladungen zu literarischen Veranstaltungen und Rezensionsexemplaren mit sich bringe. „Wer sich von dieser Vorstellung nicht schrecken lässt, hat mit dem eigenen Blog jede Menge Gestaltungsspielraum und kann sich eigene Nischen in der digitalen Kulturwelt schaffen.“

Neben seiner Arbeit auf dem Buchblog wirkt Müller auch bei Literaturdiskussionen im süddeutschen Raum mit, beteiligt sich etwa beim „Literarischen Salon“ in Augsburg oder den „Seitenblicken“ in Fürth. Dabei macht es ihm Freude, die Literaturleidenschaft aus dem digitalen Raum in den physischen zu überführen, zu diskutieren und zu streiten und dabei auch die eigenen Kriterien und Maßstäbe ein ums andere Mal zu überdenken. „Denn gute Literatur kennzeichnet ja, dass sie verschiedene Blicke und Lesarten erlaubt. Und uns am Ende immer wieder auch etwas über uns selbst erzählt.“