Buchblogger im Porträt (6) – Arndt Stroscher

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(c) AstroLibrium

Viele lesenswerte Bücherblogs befinden sich im Internet. Buchblogger (Booktuber, Bookstagrammer, Booktiktoker, Bookpodcaster, Bookvlogger, Bookfacebooker, Booktwitterer) spielen eine wachsende Rolle in der Literaturlandschaft. Was treibt diese Book-Influencer an? Wo verorten sie sich in der Bücherwelt? Welche dieser Multiplikatoren gewinnen an Bedeutung und warum? Die neue Journal-Kolumne „Buchblogger im Porträt“ von Autor, Journalist und Übersetzer Nicola Bardola porträtiert leidenschaftliche Leser*innen, die ihre Erfahrungen auf vielfältige Weise in den sozialen Netzwerken und auf eigenen Webseiten teilen.

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Arndt Stroscher (Fürstenfeldbruck)

 

Arndt Stroscher schreibt seit elf Jahren über Literatur. Er hat nach einigen Kooperationen im Jahr 2014 seinen Literaturblog AstroLibrium gegründet, den er „meine kleine literarische Sternwarte“ nennt. Die Suche nach „literarischen Fixsternen am Bücherhimmel“ treibt ihn an. „Das sind Bücher mit eigener Strahlkraft, keine Sternschnuppen oder Kometen. An ihnen kann man sich ausrichten und man wird darüber hinaus durch ihre reine inhaltliche und sprachliche Brillanz inspiriert. Eine Lebensaufgabe“, so Stroscher.

Das zentrale Medium ist sein Blog. Auf Instagram und Facebook ist er auch aktiv, was seinen Lese-Weg und die Impressionen seines Lesens betrifft. Rezensionen veröffentlicht er jedoch ausschließlich auf seinem Blog. „In den letzten Jahren hat sich ein Rhythmus eingespielt, der es mir erlaubt, 100 Bücher pro Jahr ausführlich vorzustellen. Das entspricht etwa acht bis neun Artikeln im Monat. Dazu kommen noch Radiopodcasts für Literatur Radio Hörbahn, eine Plattform, für die ich seit Jahren als freier Redakteur tätig bin, und Veröffentlichungen in Magazinen, wie zum Beispiel der Tolkien Times.

Stroscher bewertet Bücher nicht, er vergibt keine Sterne oder Noten. Er beschreibt lieber, wie Bücher auf ihn wirken, in welchen Lebenssituationen sie ihm begegnen und mit welchen anderen Werken sie in Verbindung stehen. Themen wie Mobbing, Ausgrenzung, Gewalt gegen Frauen, Unterdrückung und Rassismus liegen ihm besonders am Herzen. „Die Literatur kann unseren Wertekanon ständig bereichern und viele dieser Themen finden sich auch in Kinder- und Jugendbüchern. Eine Besonderheit meiner Rezensionen ist der visuelle Aspekt, da ich meine Artikel mit Impressionen meines Lesens garniere. Diese Bilder sprechen ihre eigene Sprache. Ich schreibe ausführlich. Die Kurzfassung einer Rezension liegt mir nicht“, erklärt Stroscher.

Eines seiner wichtigsten Projekte ist zurzeit der literarische Podcast GlockenbachWelle: „Ich suchte für ein Radiointerview mit einem Schriftsteller in München eine geeignete Location. Sein Hotel schien ungeeignet, die gegenüber liegende Glockenbachbuchhandlung dagegen umso mehr. Und so begann alles mit einer einzigen Frage an die Buchhändlerin Pamela Scholz: ‚Darf ich jetzt und hier ein Interview mit Daniel Mellem zu seinem Buch Die Erfindung des Countdowns führen?‘ Es war die pure Gastfreundschaft, die mir entgegenschlug. Schnell stand die Frage im Raum: ‚Machen wir das nochmal?‘ und schließlich entstand die Idee, dieser Buchhandlung einen literarischen Podcast auf den Leib zu schneidern. Nicht nur im Internet hörbar, sondern mit Aktionen in der Buchhandlung, mit Büchertisch, Autogrammkarten, Malwettbewerb und Schaufenstern zum Podcast. Die Inhaberin Petra Schulz und ihre Buchhändlerin haben all ihre Erfahrung und ihre Ideen mit eingebracht. Das Team wurde um eine wichtige Säule erweitert und Steffi Sack vom Blog ‚Nur Lesen ist schöner‘ bringt ihre Leidenschaft und Kreativität ein, zum Beispiel mit ihrem grandios gestalteten Schaufenster zur ‚BilderbuchWelle‘ mit dem Mixtvision Verlag. Die Symbiose aus Buchhandlung, Blogger*innen und Literatur Radio Hörbahn schlägt seitdem hohe Wellen. Mitsurfen ist jederzeit erwünscht“, erklärt Stroscher. Gast der August-GlockenbachWelle war Heidi Rehn mit ihrem neuen Roman Vor Frauen wird gewarnt. Erstmalig wurde das Interview vor Publikum aufgezeichnet.

Es sind inhaltliche Aspekte, die Stroscher in fast jedes Genre der Literatur führen. Auf seinem Blog findet man vom Bilderbuch über die Belletristik bis zum Sachbuch eine Vielzahl von Genres, in denen er sich gut aufgehoben fühlt. Es sind die oben beschriebenen Themen, die er sowohl in Büchern als auch in Hörbüchern aufspürt und miteinander in Verbindung bringt. „Ich fühle schon bei den Buchvorstellungen ‚meiner Verlage‘, welches Buch mich zu welchem Zeitpunkt begleiten wird und mit welchem anderen Werk es einen geheimen Dialog beginnen wird. Bücherketten sind magisch. Verbindungslinien sichtbar zu machen ist für mich als Blogger eine leidenschaftliche Detektivarbeit“, so Stroscher.

Ohne Autoren gäbe es seine Leidenschaft und letztlich auch seinen Blog nicht. Es ist höchster Respekt gegenüber den Kulturschaffenden, der ihn prägt. „Auf dieser Basis nähere ich mich ihrem Schreiben an. Das schafft gegenseitiges Vertrauen, was auch in Interviews für Literatur Radio Hörbahn von elementarer Bedeutung ist. Wertschätzung ist ein Wesensmerkmal meines Schreibens.“ Stroscher weist darauf hin, wie sich die Medienwelt verändert hat: „Einsparmaßnahmen treffen das traditionelle Feuilleton und beliebte Literatur-TV-Formate hart. Die Bedeutung von Bloggern hat zugenommen. Dabei agieren wir in unterschiedlichen Welten, die sich perfekt ergänzen. Ich empfinde mich nicht als Kritiker, sondern als Lesebegleiter. Die Literaturkritik lebt von ihrem elitären Ruf, den ich ihr auch nicht streitig machen möchte. Das Feuilleton jedoch steht nicht im direkten Austausch mit der eigentlichen Zielgruppe. Blogger arbeiten hier als unmittelbare Bindeglieder zwischen Autor, Verlag und Leserschaft. Wir können uns nicht wegducken, wenn ein Thema polarisiert oder bestimmte Gruppen angelockt werden, die eher aggressiv auf bestimmte Bücher reagieren. Schreiben Sie als Blogger über Bücher zu Flüchtlingsschicksalen oder über die Opfer des Holocaust, werden Sie sich über das harte Feedback wundern. Hier schreibt das Feuilleton eher im geschützten Raum“, erklärt Stroscher, der auch viele positive Erfahrungen mit seinem Blog gemacht hat. Er hat Büchermenschen vor und hinter den Kulissen kennengelernt, denen er sonst nie begegnet wäre. Er hat Freunde und Freundinnen gewonnen, Themen aufgespürt, die ihm sonst entgangen wären und er fühlt sich in der täglichen Auseinandersetzung mit dem geschriebenen Wort bereichert. Bloggen aus Leidenschaft schaffe Bindungen. „Stolz bin ich immer wieder darauf, wenn ich renommierte Buchpreise offiziell als Blogger begleiten darf. Der Preis der Leipziger Buchmesse und der Bayerischen Buchpreis gehören hier zu meinen positivsten Erfahrungen. Dieses Jahr bin ich wieder beim Bayerischen Buchpreis dabei, und im Oktober für den Börsenverein des Buchhandels – Landesverband Bayern – ein erstes ‚Rezensionsseminar‘ für Verlage und Buchhändler*innen halten zu dürfen, empfinde ich als Privileg“, sagt Stroscher. Seine Lieblingsbuchblogger*innen sind Steffi Sack vom Blog „Nur Lesen ist schöner“, Constanze Matthes von „Zeichen & Zeiten“ und Uwe Kalkowski, der „Kaffeehaussitzer“. Er mag ihre Blogs, weil er ihre Auseinandersetzung mit Literatur als authentisch, vielschichtig und ehrlich empfindet.

Manchmal sieht sich Stroscher als letzte Bastion zwischen dem Buchhandel und den Lesenden. Er warnt nicht vor Büchern, sondern warnt vor Triggern, von denen er weiß, wie empfindlich manche Menschen auf sie reagieren. Besonders, wenn weder im Klappentext oder im Titel des Buches ein solcher Trigger ersichtlich ist. Stellt sich zum Beispiel heraus, dass ein Roman den unerfüllten Kinderwunsch einer Protagonistin unerwartet stark in den Vordergrund stellt, oder Gewalt gegen Kinder stark in Erscheinung tritt, dann warnt er vor diesen Aspekten. „Ich kenne zahllose Leser, die aus Selbstschutz einen weiten Bogen um solche Bücher machen. Und manchmal ist die beste Entscheidung für ein Buch die gegen dieses Buch“, erklärt Stroscher.

Denis Scheck empfindet er als Institution und Instanz zugleich. Er dürfe vieles und polarisiere auf unterhaltsame Weise. „Ich ticke anders. Ich suche das Schöne im Buch, bin nicht zum Mäkeln geboren und verbringe meine Zeit lieber mit einer positiv gestimmten Wahrnehmung, als mich in die Niederungen der scheinbar ‚schlechtesten Bücher‘ zu begeben. Ich würde keine Bücher in die Tonne klopfen. Aber dies ist nur eine Facette von Denis Scheck. Er ist ein Segen für die Buchbranche.“