Nürnberg

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Nürnberg – Burg, kolorierter Stahlstich 1838 (Mapp.XI,490 h) (c) Bayerische Staatsbibliothek, Porträt- und Ansichtsammlung

Jean Paul und Nürnberg

Nürnberg wird von Jean Paul das erste Mal in seinen PALINGENESIEN (1798) beschrieben, wo er den fiktiven Autor »Jean Paul« eine Reise in die freie Reichsstadt, des »Deutschen Reiches Schatzkästlein«, antreten lässt. Am 19. April 1797 trifft »Jean Paul« in Nürnberg ein und besucht zunächst den »Irrhain« des Pegnesischen Blumenordens in Kraftshof; am 30. April isst er im Wirtshaus am Dutzendteich, wo »alle Welt da war, besonders die gelehrte, die schöne, die große«. Zwischendurch schreibt er seine Satiren um, will noch eine Verstimmung mit seiner Ehefrau Hermine beseitigen und erlebt allerlei Verwicklungen mit einem emigrierten französischen Grafen und dessen Tochter. Schließlich trifft »Jean Paul« am 10. Mai Hermine im Irrhain - es kommt zur Versöhnung.

Ganz anders stellt sich dagegen das Nürnberg-Bild des realen Jean Paul dar. Sein erster längerer Aufenthalt im Sommer 1812 wird von einer schweren Ehekrise überschattet: Die erste Logis im Goldenen Reichsadler am Roßmarkt erweist sich als Katastrophe, missmutig betrachtet Jean Paul die Stadt, die »nur kaufmännische, nicht sehr gastfreie Häuser« hat, überall erkennt er »die Herrschaft des Kaufmanns und die Kälte gegen Philosophie und Dichtkunst«. Auch das lang ersehnte Treffen mit Jacobi verläuft enttäuschend. Immerhin freut er sich, »unter deutschen Antiken über der Erde« die Sorgen des (Ehe-)Alltags zu vergessen, und lernt den Philosophen Hegel kennen. Dessen Frau hilft ihm sogar beim Kauf eines Geburtstagsgeschenks für Karoline. Allein diese bekommt den schmerzhaften Eindruck, dass es Jean Paul nur dann gut geht, wenn er nicht zu Hause ist. So ist er »wie in Erlangen auf eine unbegreifliche Art gesund«, obgleich er in vier Tagen »im Essen und Trinken mehr gewagt habe als in Baireuth in 4 Monaten«; auch kann er das opiumhaltige Laudanum gegen seine Migräne absetzen.

Bei späteren Reisen nach Nürnberg (1823, 1824 und 1825) stehen Arztbesuche im Zuge von Jean Pauls Augenleiden allerdings wieder im Vordergrund. Jean Paul besucht den Medizinalrat Dr. Kapfer (1774-1847), den Gründer und Leiter der Maximilians-Augenheilanstalt.

[Jean Paul, PALINGENESIEN, 6. Reise-Anzeiger]

Ich saß so fruchtlos mitten in Nürnberg und sah nichts von der Stadt als den Seutterschen Riß - ich war noch keinem einzigen Nürnberger bekannt als bloß dem, den ich mitgebracht, dem Boten - ich wollte in die neue Hospitalkirche zum heiligen Kreuze gehen und die Reichskleinodien besehen und den Reichszepter nachmessen und den Reichsapfel nachwägen und mit Kaiser Karls Schwert zur Klingenprobe in die Luft schlagen - ich wollte als Kunstliebhaber die sieben Leidensstationen, die Ketzel vom berühmten Adam Krafft so trefflich in Stein abformen ließ, durchlaufen und recht ausgenießen, und ich kam zu nichts, weil meine eignen Leidensstationen von sieben Tagen, die ich hier wie Adam Krafft darstelle, mein Beisein foderten...

Aber nach der siebenten Station am Freitag, wo ich auf der Schädelstätte öffentlicher Plätze stand, folgte, wie gesagt, der Sonnabend; wo ich, wie es schien, vom Kalvarienberg herunter sollte.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik & Katrin Schuster