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20.07.2022, 10:54 Uhr
Peter J. Brenner
Text & Debatte
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Cover „Planetenfeuer“. Foto: Martin Otter.

Der Roman „Planetenfeuer“ des TH-Professors, Politikers und Schriftstellers Max Haushofer

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Privatarchiv Haushofer. Foto: Ingvild Richardsen.

Die 147. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmet sich dem Schwerpunkt Weitergeben. Darin beschäftigt sich der Germanist, Philosoph, Erziehungswissenschaftler und Hochschullehrer Peter J. Brenner mit dem Schriftsteller, Politiker und Nationalökonomen Max Haushofer und dessen weitsichtigem Science-Fiction-Roman Planetenfeuer von 1899. 

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Bei der Einweihungsfeier der „Technischen Hochschule in München“ am 19. Dezember 1868 trug der 28-jährige Max Haushofer (1840-1907) als „Festgruss“ ein zwölfstrophiges Gedicht in ambitionierten fünfhebigen Jamben vor. Es war eine Eloge auf den faustischen Forscher- und Ingenieurgeist, der in dem neuen Gebäude in der Arcisstraße eine Heimstatt gefunden hatte.

Als frisch ernannter Extraordinarius für Nationalökonomie gehörte der junge Wissenschaftler zu den Gründungsprofessoren der heutigen TUM. Er wird sich in den folgenden Jahrzehnten mit den modernsten Entwicklungen seiner Zeit beschäftigen, unter anderem mit dem sich gerade etablierenden Eisenbahnwesen. Aber sein gelehrtes Professorenamt war ihm zu eng. Zusammen mit seinem TH-Kollegen, dem Professor für Literaturgeschichte Wilhelm Hertz, war er Mitglied der legendären Dichterkreise „Die Krokodile“ und später der „Zwanglosen Gesellschaft München“. In diesen Vereinigungen lernte er Paul Heyse kennen, den Literaturnobelpreisträger von 1910. Und das war nicht der einzige Nobelpreisträger, mit dem Max Haushofer in Kontakt stand: 1894/95 besuchte ein gewisser Thomas Mann seine Vorlesungen. Dessen Kolleghefte und Briefe zeugen davon, dass er ein aufmerksamer Hörer war: Die hier erworbenen national­ ökonomischen Kenntnisse finden Eingang in den 1909 erschienenen Roman Königliche Hoheit.

Max Haushofer hatte eine flinke Feder. Neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Werken, zu denen ein Lehr- und Handbuch der Statistik, die Grundzüge der politischen Ökonomie und eine Bevölkerungslehre gehörten, veröffentlichte er Gedichte, Erzählungen und Märchen. Sein wichtigstes literarisches Werk ist jedoch sein einziger Roman Planetenfeuer von 1899. Der Roman wagt einen Blick in die Zukunft des Jahres 1999, das inzwischen auch schon wieder Vergangenheit ist. Er entwirft ein umfassendes Panorama des künftigen Lebens in München. Dazu gehören die technischen Erfindungen, die den Alltag erleichtern: Das E-Bike kommt schon auf den ersten Seiten vor, ebenso ein Segway-ähnliches Gefährt. Der Bahn- und Automobilverkehr ist optimiert, an den Luftverkehr wagt sich Haushofers Fantasie jedoch, rund fünf Jahre vor den ersten Motorflughüpfern der Bruder Wright – die übrigens 1909 den Ehrendoktortitel der TH München erhielten –, nicht so recht heran. Hier erdenkt er sich als Zwitterwesen die „Flugbahn“, ein flugzeugähnliches, aber doch schienengebundenes, über den Hausdächern schwebendes Verkehrsmittel. Eine Flugmaschine „Excelsior“ ist gerade in Entwicklung begriffen, aber verstrickt in kriminelle finanzielle Machenschaften verläuft die Erfindung im Sande. Bei den Kommunikationsmitteln war Haushofer kühner – sein Pantoskop war eine Mischung aus Fernsehen, Skype und Smartphone.

Das alles sind aber nur beiläufig erwähnte technische Spielereien. Größeres Interesse bringt Haushofer den gesellschaftlichen Verhältnissen entgegen. Er erfindet sich einen „Staatssozialismus“, der allerdings auch nicht verhindert, dass sich die Menschen zur Optimierung ihrer Gefühlslagen neu erfundener Designer-Drogen bedienen. Besonders optimistisch ist Haushofers Roman nicht. Er endet in einer apokalyptischen Vision. Der Zusammenstoß zweier Planeten, genau vorhersagbar und doch nicht zu verhindern, führt zu einem Meteoritenschauer auf der Erde, dessen Beschreibung an die Bombennächte des Zweiten Weltkrieges erinnert. Die Meteoriten richten weltweit schwerste Schäden an. Die Menschheit überlebt, aber ihr werden empfindlich die Grenzen der Machbarkeit aufgezeigt.

Der Nationalökonom und Schriftsteller Max Haushofer nahm am politischen Leben seiner Zeit lebhaft und aktiv teil. 1875 bis 1881 war er Mitglied der bayerischen Abgeordnetenkammer für die Vereinigten Liberalen. In mehreren Auflagen erschien nach der Jahrhundertwende sein Handbuch Der kleine Staatsbürger, mit dem er „den Sinn für das Recht und das Gesetz“ festigen wollte. Durch seine zweite Frau Emma Haushofer-Merk, eine führende Feministin im München der Jahrhundertwende, wurde er Mitglied im „Verein für Fraueninteressen“ und ein engagierter, aber auch skeptischer und moderater Vorkämpfer der Frauenemanzipation, der er in seinem Roman ein eigenes Kapitel widmet. Ganz vergessen ist der Schriftsteller Max Haushofer auch heute noch nicht. 2011 sendete der Bayerische Rundfunk eine Hörspielfassung des Romans Planetenfeuer, und im Jahr zuvor stellte Martin Otter ihn in einem Hörspielfeature An des Daseins Grenzen vor.

Mit Max Haushofer gehörte der Technischen Hochschule München seit ihrer Gründung ein Gelehrter an, der vier Jahrzehnte Jang als Wissenschaftler die Gesellschaft seiner Zeit präzise beschrieb, der sie als Politiker und Publizist mitgestaltete und der als Schriftsteller einen weiten Blick in die Zukunft wagte.

 

Der Text erschien zuerst in TUMcampus 3/2017, dem Magazin der Technischen Universität München

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Literatur in Bayern