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27.08.2019, 11:30 Uhr
Gerd Holzheimer
Text & Debatte
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Norbert Hummelt: „Im stillen Haus. Wo Hermann Lenz in München schrieb". Allitera Verlag, München

Über die Wohnstatt von Hanne und Hermann Lenz

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern. In der 136. Ausgabe beschäftigt sich Herausgeber Gerd Holzheimer mit der Schreib- und Wohnstatt von Hanne und Hermann Lenz.

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Lieb gewordene Orte haben gelegentlich die unangenehme Eigenschaft, dass sie verschwinden. Es gibt Ausnahmen. Mannheimer Straße, Hausnummer 5, in München, ist so eine. Noch immer steht auf dem Türschild »Hermann Lenz« zu lesen, als gelänge es der Zeit doch hin und wieder, einfach stehen zu bleiben und nicht nur als Titelbild des Gedichtbandes Zeitlebens. Gedichte 19341980 fortzuleben, erschienen 1981.

In einem der Gedichte mit der Überschrift Rückblick steht zu lesen: »Kein Haus gebaut / Keinen Sohn gezeugt, / Nur Bücher geschrieben // Genügt es? / Nein, es genügt nicht. // Auch das mit dem Besitz / Ist bei dir so eine Sache, / Eine fragwürdige, wie sich versteht. // In Dachstuben hast du gewohnt / Mit Möbeln von früher. / Die hast du lange gekannt. // Was die andern so ‚Leben‘ nennen, / War für dich mühsam. / Geschafft hast du es nie. // Wenn du nur durchkommst.«

»Gebaut« hat Hermann Lenz das Haus in der Mannheimer Straße in der Tat nicht. Es stammt aus den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Ursprünglich stand hier der Name »Trautwein«, Vater von Hanne Lenz. Kurt Trautwein war Professor für Mikrobiologie an einem Institut in Weihenstephan. Seine Frau, also Hannes Mutter, war die Malerin Marie Cohen aus Hamburg, jüdischer Herkunft, was durch viele Schriften ihres späteren Schwiegersohnes Hermann Lenz schimmert. Aus dem Jahre 1940 gibt es ein Foto, da steht er schon vor dem Haus; kennengelernt hatten sich Hanne und Hermann im Dezember 1937. Der bewegende Briefwechsel zwischen beiden ist Gegenstand eines Beitrages von Albert von Schirnding in dieser Ausgabe der Literatur in Bayern.

Geht man voller Staunen in diesen Tagen durch das Haus, begegnet man all den »Möbeln von früher«, die Lenz in dem Gedicht und immer wieder in seinen Texten benennt. Die Bücher, sein Schreibtisch und seine Spaziergänge und Wanderungen genügten ihm im Wesentlichen, damit ist er »durchgekommen«. Wer ihn dabei neben seiner Frau begleitete, ist noch heute an den Büchern zu lesen, die auf dem Schreibtisch oder in seiner Nähe liegen: eine zweisprachige Ausgabe von Fernando Pessoa, aufgeschlagen die Ode marítima: »Sozinho, no cais deserto, a esta manhã de Verão ...« – »Einsam, am Kai, dem verlassenen, an diesem Morgen des Sommers ...« Und Eduard Mörike natürlich, geradezu allgegengewärtig. Und Marc Aurel, sein ganz spezieller Patron für den »Inneren Bezirk«, ein Versuch, noch im schlimmsten Wirbel sich in einem inneren Bezirk Ruhe zu bewahren: »Ich bin auch nicht so, wie ich gerne wäre. Was willst da machen? Ich mach deshalb eine Geschichte, die in Wien spielt.« 2019 wäre das kein guter Ort für einen inneren Bezirk, doch für Hermann Lenz gilt Wien als einer der möglichen Sterbeorte von Marc Aurel, dem Gernot Eschrich einen Beitrag widmet.

Wer nicht durch das Haus in der Mannheimer Straße wandeln kann, was auf Anmeldung jedoch möglich ist, kann es mit Hilfe des trefflichen Bändchens Im stillen Haus. Wo Hermann Lenz in München schrieb, erschienen 2009 im Allitera Verlag, mit Fotografien von Isolde Ohlbaum. Da sitzt dann beispielsweise auch noch ein Peter Handke im Garten, Hanne Lenz im Lehnstuhl vor einer Grafik von Gisèle Celan-Lestrange. Auch Paul Celan gehört zu den Gästen des Ehepaares Lenz. Auf der Liege im Rücken von Lenzens Schreibtischstuhl nächtigte der stille Gast, zeitlebens diente sie auch Hermann Lenz zum Ausruhen.

»Das Wohnhaus«, so steht es in dem Programm der Hermann-Lenz-Stiftung, vom Ehepaar Lenz 1993 eingerichtet, zu lesen, »wurde nach dem Tod der Stifterin Hanne Lenz durch die Architekten Beate Grentzenberg und Thomas Rauch behutsam saniert und restauriert. Es ist gelungen, unter Erhaltung der originalen Einrichtung die Atmosphäre des früheren Wohnhauses zu bewahren.« Und das ist zutiefst wahr. Heute betreuen die beiden auch das Haus: »Wir sind Hausmeister, Museumsdirektoren, Gärtner, Putzfrau, Archivare – und nebenbei Architekten«, lacht Beate Grentzenberg. Auch Stipendiaten beherbergen das Haus.

 

Kontakt: Hermann-Lenz-Stiftung, Mannheimer Straße 5, 80803 München / Telefon: 089/8293914-8 / E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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