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02.06.2014, 08:28 Uhr
Peter Czoik
Spektakula

Aus der Paul-Heyse-Ausstellung [2]: Die Münchner Jubiläumsurkunde

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Heyses 50-jähriges Jubiläum in München, 25. Mai 1904, 36 x 26,2 cm, 2 Blatt, hier Blatt 1 [BSB, Sign.: Heyse-Archiv V.40]

Dank seines umfangreichen Werks und seiner vielseitigen Aktivitäten wird Paul Heyse im zunehmenden Alter immer mehr Respekt bezeugt. Den Zeitgenossen ist seine singuläre Persönlichkeit bewusst, auch wenn die jüngeren Schriftsteller literarisch ganz andere Wege gehen. Als Gegner treten vor allem Michael Georg Conrad, Herausgeber der naturalistischen Zeitschrift Die Gesellschaft, und Franz Held (1862-1908), Mitarbeiter der Zeitschrift Moderne Blätter und Wegbereiter der Dada-Bewegung, hervor. Doch zu seinen Lebzeiten kann Heyse dies nichts anhaben.

Der hohen Geltung im Münchner Kunstleben entsprechen Heyses Stellung im bürgerlichen Leben sowie die Hochachtung bei jeder sich bietenden offiziellen Gelegenheit. Bei diversen Bismarck-Feiern der Stadt z.B. wird der Dichter zu den Rathaus-Sitzungen des Festkomitees beigezogen; 1885 verfasst er im städtischen Auftrag die Bismarck-Festhymne und später, 1905, den Prolog für die Schiller-Gedenkfeier. An kulturell-sozialen Belangen nimmt Paul Heyse ebenso Anteil: durch seinen intensiven Einsatz für die Gründung eines Münchner Mädchengymnasiums, die Errichtung von öffentlichen Wärmestuben oder die Interessen des Tierschutzvereins.

1904 schließlich wird Heyse von der Stadt München geehrt: er erhält eine Urkunde zum fünfzigjährigen Jubiläum seiner Berufung durch den König im Jahre 1854. Als Dank dafür, dass er, der inzwischen Berühmte, seiner Stadt treu geblieben ist.

Die Prachturkunde mit aquarellierter Vignette der Stadt und Initiale ist eines der farbenprächtigen Exponate aus Heyses Nachlass, die in der Ausstellung „Paul Heyse – Ein Liebling der Musen [1830-1914]“ an der Bayerischen Staatsbibliothek besichtigt werden kann. Unterschrieben ist sie u.a. von Münchens Erstem Bürgermeister Dr. Wilhelm von Borscht, seinem Stellvertreter Dr. Philipp von Brunner und dem Ersten Vorstand des Gemeindekollegiums Friedrich Seyboth. In dem Glückwunschschreiben teilt die Stadt Paul Heyse ihren Beschluss mit, einer „noch näher zu bestimmenden, vornehmen“ Straße seinen Namen geben zu wollen. Im Wortlaut hört sich das so an:  

Hochverehrter Herr Dr. Paul Heyse!

Am heutigen Tage ist ein halbes Jahrhundert verflossen / seit dem Sie / einem Rufe des edlen Königs Maximilian II. Folge leistend / unsere liebe Stadt München sich zum bleibenden Wohnsitze erkoren und dieselbe zum Mittelpunkte Ihres reichentfalteten Lebens / zur Stätte Ihres lichtspendenden Schaffens erwählt haben.

Hier schufen Sie jene Meisterwerke / welche den Ruhm Ihres Namens in der ganzen gebildeten Welt verbreiteten / von hier aus haben Sie die deutsche Poesie mit herrlichen Schätzen bereichert / die als Schöpfungen wahrer Dichtkunst jedes für das Schöne und Ideale empfängliche Herz fort und fort entzücken werden.

Blatt 2

Die Vertretung der Stadt München nimmt an diesem Jubiläum um so wärmeren Anteil / als ihr dasselbe aufs neue berechtigten Anlaß bietet / ihren Gefühlen hoher Verehrung und inniger Dankbarkeit wiederholt Ausdruck verleihen zu können.

Zum Beweise derselben hat sie beschlossen / einer noch näher zu bestimmenden / vornehmen Straße Münchens Ihren Namen zu geben / um für immerdar Zeugnis dafür abzulegen / wie sehr sie Ihre großen Verdienste um den Ruf München's als erster Pflegestätte der schönen Künste zu würdigen wußte.

Unser innigster Wunsch ist / daß unsere Stadt noch viele Jahre die Freude genieße / Sie zu den Ihrigen zählen zu dürfen / daß der frische Quell echter Poesie / welcher Ihrem ewig jungen Herzen entspringt / wie bisher / so auch fürderhin in unversieglicher Kraft das deutsche Volk beglücken möge.

Verehrungsvollst

München / den 25. Mai 1904

Gemeindekollegien

Der k. Haupt- und Residenzstadt München.

Für die Straße wird zunächst der äußere Teil der Brienner Straße nahe der Heyse-Villa in Aussicht genommen. Allerdings stößt das auf Widerstand seitens der Anwohner, weil durch die Umbenennung angeblich das „patriotische Gefühl“ verletzt werden würde: im Mittelpunkt des Protests steht der Besitzer der vormaligen Villa Richard Wagners. Wenngleich es sich – den Briefen Heyses zufolge – nur um einen Affront der Gegner gegen den Anti-Wagnerianer Paul Heyse zu handeln scheint, wird an dem Beschluss gerüttelt. Nach einigem Hin und Her einigt man sich schließlich auf die Heustraße, die in die neue „Paul-Heyse-Straße“ umbenannt werden soll. Am 15. März 1905, pünktlich zum 75. Geburtstag des Dichters, ist es dann soweit. Auch spätere nationalistische Bestrebungen können diese Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.