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„Deutschlands Dichter“: Karikatur im Simplicissimus um 1900. (c) Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv

München, Platzl 8: Torggelstube

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Die Innenansicht der Torggelstuben um 1910 (c) Archiv Monacensia

Der Architekt Hans Grässel gestaltete die Torggelstube, die 1899 im Korpshaus Rhenopalatia unweit des Hofbräuhauses eröffnet wurde, im Tiroler Stil. In einem Artikel in der Vossischen Zeitung berichtet Erich Mühsam 1928 über seine anfänglichen Vorbehalte gegen die „Honoratioren-Ansammlung“ am Platzl. Er habe es Frank Wedekind zu verdanken, dass er das Restaurant schließlich doch besuchte und wegen des hohen Niveaus seiner Gesprächskreise zu schätzen lernte. Am 8. Juli 1911 notierte er in seinem Tagebuch, bis zu seinem Besuch in der Torggelstube sei nicht viel „Vermerkenswertes“ geschehen. Dort wurde er dann mit den aktuellen Querelen des Kulturbetriebs konfrontiert, die zu aufgeregten Diskussionen führten. Einen Besucher schien das jedoch wenig zu beeindrucken: „Draußen saß Wedekind, kaute am Bleistift und dichtete.“ (Erich Mühsam: Tagebücher. Hg. von Chris Hirte und Conrad Piens. Bd. 1. Verbrecher Verlag, Berlin S. 183)

Lion Feuchtwanger setzte der Torggelstube in seinem München-Roman Erfolg ein literarisches Denkmal. Er nennt sie Tiroler Weinstube und widmet ihr ein eigenes Kapitel mit dem Titel „Politiker der bayrischen Hochebene“, in dem es heißt:

Obwohl der schöne Sonntag viele an die Seen und in die Berge führte, war die Tiroler Weinstube an diesem Junivormittag dicht gefüllt. Man hatte alle Fenster der Sonne geöffnet, aber es blieb angenehm dämmerig in dem großen Raum. Dick lag der Rauch der Zigarren über den massiven Holztischen. Man aß kleine, knusperig gebratene Schweinswürste oder lutschte an dicken, safttriefenden Weißwürsten, während man kräftige Urteile über Dinge der Kunst, der Weltanschauung, der Politik äußerte. Es kamen am Sonntagvormittag vornehmlich Politiker in die Tiroler Weinstube.

(Lion Feuchtwanger: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Aufbau Verlag, Berlin 1993, S. 66)

Lena Christ hat ihre zweite Hochzeit in der Torggelstube gefeiert, wie ihr Ehemann Peter Benedix in seinem Buch Der Weg der Lena Christ (1940) berichtet. Nach der standesamtlichen Trauung auf dem Petersbergl „an einem strahlend schönen Augusttag – es war Goethes Geburtstag, wie sich das für zwei Schreibersleute geziemte“ – ließen sie sich mit einem Auto zur Torggelstube chauffieren, wo ein Hochzeitsessen mit vier Gängen auf sie wartete.

Das gute, reichliche, uns allen nicht alltägliche Mahl schuf unter Mitwirkung eines vortrefflichen Pfälzer Tropfens eine fröhliche Stimmung, so dass mancher der Vorübergehenden uns, die wir ganz vorn und wie in einem Schaufenster saßen, bemerkte und, seinen Schritt hemmend, uns zulächelte. Besonders schien ein alter Herr mit lustigen Äuglein von unserer Fröhlichkeit angesteckt und nickte uns zu. Wir grüßten wieder und winkten ihn herein, und er musste ein Glas auf unser Wohl leeren. Als der letzte Bissen gegessen, der letzte Tropfen getrunken und die Zigarren erloschen waren, brachen wir auf. Die Trauzeugen gingen heim, und wir machten unsere Hochzeitsreise mit der Trambahn, die wir in der Maximilianstraße bestiegen und die uns nach Gern hinausbrachte, wo wir für Anfang September eine Wohnung gemietet hatten.

(Peter Benedix: Der Weg der Lena Christ. Ludwig Baur Verlag, München 1950, S. 47ff.)

Lena Christ um 1911 (c) Archiv Monacensia

 


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Verfasser: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt