https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/Jacques Tverlin_steckbrief.jpg
(c) Archiv Monacensia

Isartor

Das Isartor, 1337 im Rahmen der Stadterweiterung unter Kaiser Ludwig dem Bayern erbaut, war früher das wichtigste Einlasstor Münchens. Seit 1959 beherbergt es ein ganz besonderes Kuriositäten-Kabinett: Das Valentin-Karlstadt-Musäum. Ein Kapitel des Romans Erfolg widmet Feuchtwanger dem Komiker Balthasar Hierl, für den der berühmte Komiker Karl Valentin Vorbild war.

Die Volkssängerei war zwischen 1870 und 1930 eine der wichtigsten Unterhaltungsformen in München. Der Komiker Karl Valentin begründete seine Karriere auf der Volkssängertradition und erschien immer wieder auf Kleinbühnen, in Singspielhallen und Revuen. Lion und Marta Feuchtwanger sowie Bertolt Brecht gehörten zu seinem Bekanntenkreis.

Das Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor. Links: Volkssängerausstellung. Rechts: Turmstüberl (c) Valentin-Karlstadt-Musäum

Feuchtwanger schildert einen Auftritt Balthasar Hierls, bei dem eindeutig Die Orchesterprobe gespielt wird. Johanna Krain sitzt im Publikum. Valentins kongeniale Partnerin Liesl Karlstadt übergeht der Schriftsteller dabei gänzlich.

Auf der Bühne erschien der Komiker Balthasar Hierl. Ein verschlissener Samtvorhang war da, rot und gold, überladen und sehr dreckig. Vor diesem Vorhang saßen einige Orchestermusiker, unter ihnen lag dürr, traurig der Komiker. Auf billige Art geschminkt, die Gurkennase kläglich weiß, zwei feuerrote Clownflecken auf den Backen, klebe er wie eine Fliege auf einem armseligen Stuhl; die hageren Waden, aus viel zu weiten Stiefeln herausstelzend, hatte er kunstvoll um die Stuhlbeine gewickelt. (Erfolg, S. 235)

Liesl Karlstadt und Karl Valentin 1933

Auftrittsort des Komikers im Roman ist der Minervasaal. Für den Saal standen zwei Unterhaltungs-Etablissements in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs Pate: die Singspielhalle Apollo-Theater in der Dachauerstraße und das Deutsche Theater in der Schwanthalerstraße. Volkstümliche Unterhaltungsangebote auf kleinen und großen Bühnen hatten zwischen 1880 und 1920 in München Konjunktur.

 

Das Apollo-Theater im Hotel Münchner Hof, Dachauer Straße 19-21, wurde 1896 gegründet. Hier traten Valentin und Karlstadt zwischen 1927-1929 häufig auf. 1960 wurde das Apollo-Theater endgültig geschlossen. (c) Münchner Stadtmuseum

Balthasar Hierl soll auch in der von Tüverlin und dem „ersten Vergnügungsindustriellen des südlichen Deutschlands“, Alois Pfaundler, verantworteten Revue „Kasperl im Klassenkampf“ mitwirken. Hierbei geraten die ökonomischen Interessen Pfaundlers, die politischen Ambitionen Tüverlins und die künstlerische Auffassung Hierls in Konflikt. Der politische Inhalt wird gestrichen, der Komiker steigt vor der Premiere aus – übrig bleibt eine niveaulose, kitschige München-Revue, die aber das einfach gestrickte Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt:

Dennoch wäre schon die erste Stunde der Revue ein alles erkennbares Fiasko geworden ohne die Lärminstrumente des Erfinders Druckseis. Doch als diese Instrumente losgingen, als sie eine Herde muhender Kühe und quiekender Schweine wiedergaben, als sie Hundegekläff produzierten, Autogehupe, Lokomotivenpfeifen, Gewitterdonner, marschierende Truppen, als der Imitator Bob Richards aus Cernowitz das nachahmte und  die Nachahmung einiger Geräusche gewollt kläglich ausfiel, als weiter der ganze höllische Lärm sich symphonisch einte, und als schließlich die Münchner Stadtweise von der grünen Isar und der nicht aufhörenden Gemütlichkeit daraus entstand, als die Stadtweise gekrönt wurde von der ehemaligen bayerischen Königshymne, wiedergegeben von der ganzen wüsten Vereinigung der großartigen scheußlichen Apparate, als nackte Girls vorschwirrten, weiß und blaues Tuch um Brust und Schoß, weißblaue bayerische Fahnen schwingend, als gar noch mächtig projiziert, umgeben von den Türmen mit den nicht vollendeten Kuppeln, von Weißwürsten, Bierkrügen und der in Mönchstracht gekleideten Symbolfigur des Münchner Kindls, der Bayerische Löwe auf dem Prospekt erschien, da war die Enttäuschung der ersten Stunde weggefegt. Große, ehrliche Begeisterung brach los. Auf stand das Publikum, stürmisch in die mächtigen Hände patschte es, einstimmend in die Hymne. (Erfolg, S. 519)


Queren Sie den Isartorplatz und gehen geradeaus die Zweibrückenstraße entlang, bis Sie an die Isar kommen. Die links abzweigende Uferstraße ist die Steinsdorfstraße, Wohnsitz der Johanna Krain.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Veronika Schöner