Info
Geb.: 9.10.1925 in Reichenberg (Nordböhmen)
Gest.: 22.10.2011 in Dießen a.Ammersee
Barbara König bei der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am 27. Juni 1984 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)

Barbara König

Barbara König wird 1925 im böhmischen Reichenberg geboren, wo sie ihr Abitur macht. 1944/45 kommt sie aufgrund ihrer Bekanntschaft mit einem ukrainischen Arzt für ein halbes Jahr in „Schutzhaft“ der Gestapo, kurz nach Kriegsende gelingt ihr die Flucht nach Bayern. Von 1947 an wendet sie sich dem Journalismus zu; zunächst bei der Deutschen Nachrichtenagentur beschäftigt wird sie Redakteurin der Neuen Zeitung in München.

Barbara König studiert Zeitungswissenschaft und Creative Writing in den USA und redigiert bis 1953 die Zeitschrift für internationalen Austausch kontakt. Ab 1958 lebt sie als freie Schriftstellerin in Dießen am Ammersee.

Die Zeit zwischen 1958 und Anfang der 1980er-Jahre wird ihre produktivste Zeit. In ihrer Erzählung Das Kind und sein Schatten (1958) stellt sie ein junges Mädchen im Zustand der Zerrissenheit vor: einmal als Kind und einmal als Schatten seiner selbst, wobei der Schatten die Wirklichkeit des Mädchens verkörpert und es in seinen Träumen und Sehnsüchten stört. Der äußere Rahmen beschreibt die Flucht des Mädchens über die Grenze gen Westen. Ihr erster Roman Kies (1961) setzt diese Entwicklung thematisch fort, indem er den quälenden Selbstfindungsprozess einer jungen Frau, die als einzige Überlebende eines Flüchtlingsschiffs vor der dänischen Küste gerettet wird, beschreibt. Kontrovers diskutiert rückt der Roman ins Interesse eines breiteren Publikums.

Die Konzeption des Spiels mit der vielgestaltigen Existenz des Individuums erfährt in Barbara Königs zweitem Roman Die Personenperson (1965) einen literarischen Höhepunkt: Die Protagonistin Nadine verbringt die Wartezeit auf ein Rendevous mit einem Mann mit sechs Personen ihrer Erinnerung, die allesamt Geschichten erzählen und damit Nadines uneinheitlichen Charakter verdeutlichen. Ohne Einbeziehung einer realen Wirklichkeit werden überkommene Denkmodelle dem Leser zur Identitätsprüfung dargeboten. Die knappe, distanzierte Skizzierung der dargestellten Persönlichkeiten lässt die „Personenperson“ Nadine wie einen Schauspieler an die Rampe treten und agieren.

Anders dagegen im Tagebuchroman Schöner Tag, dieser 13. (1973). Hier entwickelt Barbara König das Spiel mit der Vielgestaltigkeit der Person nicht aus der Vielzahl der Charaktere heraus, sondern stellt eine einzige Figur in den Mittelpunkt, nämlich die Autorin selbst. Die fiktiven und authentischen Tagebuchnotizen sprechen für sich und verschaffen der Autorin in der Ausbreitung der Ereignisse eine Sicht über ihren „Liebesroman“, wie das Buch untertitelt ist.

Das Problem der Sinnerfahrung des eigenen Lebens bewegt die Hauptfigur von Barbara Königs viertem Roman Der Beschenkte (1980). Der Makler Mommsen sieht sich als Träger einer historischen Verantwortung, als er erkennt, dass er durch den Opfergang eines Priesters im Konzentrationslager sein Leben geschenkt bekommen hat. Die Feier zu Ehren des Geistlichen erweckt in ihm Zweifel am Sinn seines bisherigen Lebens. Dieselbe Handlung hat Barbara König auch als Hörspiel inszeniert: In Der Fuß im Netz (1980) drängen die Fragen eines Reporters nach Mommsens detailliertem Rechenschaftsbericht über sein Leben.

Thematisch umkreisen Barbara Königs Hörspiele immer wieder existentielle Grundfragen: Ich-Findung, Liebe, Partnerschaft, Kindheit, Erwachsensein, Alter, Traum und Wirklichkeit. Im virtuosen Spiel der Stimmen lassen sich zudem die verschiedenen Ebenen der Figuren und der erlebten Zeit darstellen. Die Hörspielsammlung Ich bin ganz Ohr aus dem Jahr 1985 umfasst die Stücke „Böhmische Gänse“, „Der Fuß im Netz“, das Titelstück „Ich bin ganz Ohr“, „Freiersfüße“, „Witwersfüße“, „Ich und Ihr, die ich mal war“, „Etüden“, „Dreimal Zeit“ sowie „Victor“.

Bereits 1982 erscheint der autobiografische Text „Die verpaßte Chance“ in der Anthologie Meine Schulzeit im Dritten Reich von Marcel Reich-Ranicki. Darin berichtet Barbara König u.a. von ihrer Schulzeit in Böhmen, vom Selbstmord ihres Vaters bis zur Gestapo-Haft: „Ich versuchte, zu trennen, und die Menschheit zerfiel mir in Hälften über Hälften: [...] Was blieb, das war, von Fall zu Fall, der einzelne. Der wiederum zerfiel in Hälften über Hälften“. Die Zerrissenheit des Individuums als Schreibthema Barbara Königs wird hier schon angedeutet. Ihre „verpasste Chance“ besteht darin, erst unter dem Eindruck von Haft und Folter zum „Gegner des Regimes“ geworden zu sein.

Die Autorin, die seit 1949 Mitglied der Gruppe 47 ist, veröffentlicht unter dem Titel Hans Werner Richter. Notizen einer Freundschaft (1997) ihre Erinnerungen an den Gründer und Leiter der für die Nachkriegszeit so einflussreichen Schriftstellergruppe. Auch hier versucht sie wieder, der beschriebenen Figur nicht das Wort zu nehmen, sondern sie aus sich heraus reden zu lassen, indem sie über weite Strecken eigene Zitate Richters aus persönlichen Gesprächen aneinanderreiht. Richter selbst hat der Dichterin schon früh den Text „Die Schlange, die eine Katze war“ in dem Band Im Etablissement der Schmetterlinge (1986) gewidmet.

Für ihre Werke hat Barbara König verschiedene Preise und Auszeichnungen erhalten: den Förderpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (1962), den Charles-Veillon-Preis (1965), den Förderpreis Literatur der Stadt München (1966), die Ehrengabe des Andreas-Gryphius-Preises (1970), den Ohio State Award (1982), den Tukan-Preis (1983), den Sudetendeutschen Kulturpreis (1984) und die Ehrengabe des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (1985). 1975 ist sie Gastdozentin für Deutsche Literatur an der University of Austin (Texas), 1981 bis 1984 Vizepräsidentin der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz.

Darüber hinaus ist Barbara König Ehrengast der Villa Massimo (1989/90) und Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. 2005 wird sie mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Bolaender, Gerhard; Wild Thomas (2012): König, Barbara. In: Munzinger Online/KLG - Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. URL: http://www.munzinger.de/document/16000000320, (03.07.2014).

Moser, Dietz-Rüdiger (Hg.) (1997): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 2. München, S. 680f.


Externe Links:

Literatur von Barbara König im BVB

Literatur über Barbara König im BVB